„Der zahnärztliche Beruf ist seiner Natur nach ein freier Beruf, der aufgrund besonderer beruflicher Qualifikation persönlich, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig in Diagnose- und Therapiefreiheit ausgeübt wird“. So steht es in § 2 Abs. 1 S. 2 der Musterberufsordnung für Zahnärzte (MBO-Z). Die Berufsordnung dient mit ihren Berufsrechten und Berufspflichten nach den einleitenden Worten der Präambel der MBO-Z der Gewährleistung der Freiberuflichkeit des Zahnarztes.
Jennifer Jessie
Doch was bedeutet Freiberuflichkeit im Zusammenhang mit der Anstellung von Zahnärzten in Zahnarztpraxen? Nach § 18 MBO-Z ist die Anstellung von Zahnärzten, die zur Ausübung der Zahnheilkunde nach dem Zahnheilkundegesetz (ZHG) berechtigt sind, gestattet. Gerade im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion um die Gründung von Zahnmedizinischen Versorgungszentren scheinen Kritiker allerdings ein Problem im Zusammenhang mit der Freiberuflichkeit zu sehen.Aber ist es tatsächlich gerechtfertigt, die Freiberuflichkeit des Zahnarztberufes aufgrund einer Anstellungstätigkeit gänzlich in Frage zu stellen?
/// Freiberuflichkeit hat nichts mit Selbständigkeit zu tun
Die Antwort ist ganz klar mit „Nein“ zu beantworten. Denn das eine hat mit dem anderen schlichtweg nichts zu tun. Es verwundet also, wenn gleichwohl innerhalb der eigenen Standesvertretung die Unterscheidung von Freiberuflichkeit und Selbständigkeit nicht klar zu sein scheint und die Begrifflichkeiten bewusst oder unbewusst miteinander vermischt werden.
So wurde in einem Beitrag des Mitgliedermagazins für hessische Zahnärztinnen und Zahnärzte der Landeszahnärztekammer Hessen sowie der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Hessen im Sommer 2018ein Interview mit dem Vizepräsidenten der Bundeszahnärztekammer sowie Vorstandsmitglied der Bayerischen Landeszahnärztekammer, Herr Prof. Dr. Christoph Benz, abgedruckt. Angesprochen auf die Förderung der Freiberuflichkeit als wesentlichen Prinzip der Akademie für freiberufliche Selbstverwaltung und Praxismanagement erklärte Prof. Dr. Benz in seiner Funktion als wissenschaftlicher Leiter der Akademie, dass man sich der jüngsten Entwicklung nicht verschließen dürfe, dass der zahnärztliche Nachwuchs immer öfter ins Angestelltenverhältnis strebe. Hierzu führte er dann weiter aus:
„Wir sind jedoch überzeugt, dass sich unsere Zahnmedizin nur ohne Nine-to-Five-Denken und mit einer Chefin oder einem Chef umsetzen lässt. Die Unis sind schon lange ein MVZ und von daher kenne ich die Arbeitsmentalität von Angestellten. Das erforderliche Engagement entsteht nur in der Freiberuflichkeit und man muss den jungen Kolleginnen und Kollegen auch sagen, was sie aufgeben, wenn sie auf Freiberuflichkeit verzichten.“
Abgesehen von der doch deutlichen und auch fragwürdigen Kritik gegenüber den eigenen Kollegen, die sich für das Anstellungsverhältnis entscheiden, zeigtsich hier, dass der Begriff Freiberuflichkeit mit dem Begriff der Selbstständigkeit gleichgesetzt wird. Das istallerdings falsch, denn Freiberuflichkeit hat nichts mit Selbständigkeit zu tun!Selbstverständlich verzichtet kein Zahnarzt oder sonstiger Freiberufler auf seine Freiberuflichkeit, wenn er angestellt tätig wird. Wie sich aus der MBO-Z schon eindeutig ergibt, ist der Zahnarztberuf seiner Natur nach ein freier Beruf. Auf die Freiberuflichkeit kann also gar nicht verzichtet werden.
/// Was bedeutet Freiberuflichkeit?
Personen, die freie Berufe ausüben, werden als Freiberufler bezeichnet. Die Freiberuflichkeit ergibt sich im Allgemeinen aus der besonderen beruflichen Qualifikation oder schöpferischen Begabung und der persönlichen, eigenverantwortlichen und fachlich unabhängigen Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit (vgl. § 1 Abs. 2 Partnerschaftsgesellschaftsgesetz). Unter die freien Berufe fallen vor allem die sog. „Katalogberufe“ des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S.2 EStG: Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratende Volks- und Betriebswirte usw.
Zwar stellt das Einkommenssteuergesetz für die Einordnung als freier Beruf auf die Selbstständigkeit der Ausübung ab. Dies hat allerdings einen historischen Hintergrund: Zahnärzte, Ärzte, Rechtsanwälte oder auch Steuerberater waren früher regelmäßig als „Einzelkämpfer“ in einem eigenen Büro oder auch in einer Praxisgemeinschaft oder Bürogemeinschaft oder auch in einer Gemeinschaftspraxis oder Sozietät tätig. Im Laufe der Jahre wurde es allerdings in allen Bereichen üblich, dass Praxis- und Kanzleiinhaber Zahnärzte, Ärzte, Rechtsanwälte und Steuerberater etc. anstellen. An der beruflichen Qualifikation der angestellten Fachkräfte hat sich durch das Anstellungsverhältnis nichts geändert.Die für den Beruferforderliche Qualifikation zur eigenverantwortlichen, persönlichen Erbringung von Dienstleistungen höherer Art begründet vielmehr die Einordnung als „freien Beruf“.
/// Abgrenzung zum Gewerbe
Die Freiberuflichkeit ist somit vor allem als Abgrenzungsmerkmal zum Gewerbe zu verstehen. Ein Gewerbe ist per Definition eine auf Dauer angelegte, selbstständige Tätigkeit, die eigenverantwortlich und auf eigene Rechnung erfolgt und auf Gewinnerzielungsabsicht gerichtet ist. Würde man den Katalogberufen die Freiberuflichkeit allein deswegen nehmen, weil der Beruf im Anstellungsverhältnis ausgeübt wird, würde dies im Umkehrschluss konsequenterweise bedeuten, dass alle angestellten Zahnärzte und Ärzte sowie auch Rechtsanwälte, Steuerberater, Architekten, Ingenieure usw. ein Gewerbe ausüben. Eine Zahnarztpraxis bestehend aus einem Praxisinhaber und zwei angestellten Zahnärzten würde somit ebenfalls aus einem Freiberufler und im Übrigen aus Gewerbetreibenden bestehen.Entsprechendes würde für alle im Krankenhaus angestellten Ärzte und Zahnärzte gelten, wenn man die Freiberuflichkeit mit dem Kriterium der Selbstständigkeit gleichsetzen würde.Dass dies nicht der Fall ist, steht wohl außer Frage!
/// Forderung, den Begriff der Freiberuflichkeit richtig zu verwenden
Gleichwohl wird der Begriff der Freiberuflichkeit wiederkehrend falsch in Bezug genommen.Dies wurde auch seitens der Ärzteschaft bereits kritisiert, die ausdrücklich dazu aufgefordert hat, den Begriff der Freiberuflichkeit korrekt zu verwenden.
Auf dem 118. Deutschen Ärztetages (Frankfurt, 12.-15.05.2015) wurde als Tagesordnungspunkt I „Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik“ unter dem Titel „Begriff der Freiberuflichkeit zutreffend verwenden“ insofern folgender lesenswerter Beschluss gefasst:
„Der 118. Deutsche Ärztetag 2015 fordert die Akteure im Gesundheitswesen auf, den Begriff der Freiberuflichkeit im Hinblick auf den Arztberuf zutreffend und korrekt zu gebrauchen. Ärztinnen und Ärzte üben ihren Beruf frei aus. Sie sind ausschließlich dem Wohl ihrer Patienten verpflichtet. Dies gilt unabhängig davon, ob sie ihre Tätigkeit selbstständig oder angestellt, ambulant oder stationär ausüben. Der Gesetzgeber hat deshalb in (…) der Bundesärzteordnung festgelegt: „Der ärztliche Beruf ist kein Gewerbe; er ist seiner Natur nach ein freier Beruf.“ Eine identische Formulierung findet sich in der Berufsordnungaller Landesärztekammern. Alle Ärztinnen und Ärzte üben demnach einen freien Beruf aus. Dies ist auch Beschlusslage des Deutschen Ärztetages (112. Deutscher Ärztetag 2009, Entschließung III – 05). Angesichts vielfacher Bedrohungen unabhängiger und freier ärztlicher Berufsausübung ist es Aufgabe der deutschen Ärzteschaft, die Merkmale des freien Berufes Arzt in allen Bereichen ärztlicher Tätigkeit stets zu verteidigen.
Der 118. Deutsche Ärztetag nimmt zu Kenntnis, dass vermehrt in Verlautbarungen ärztlicher Organisationen, Verbänden und einiger Körperschaften die Begriffe „Freiberuflichkeit“ und „selbständige Berufsausübung“ bedeutungsidentisch verwendet werden, überwiegend mit dem Ziel, die Freiberuflichkeit als Alleinstellungsmerkmal ausschließlich für die eigenen Mitglieder zu reklamieren.
Der 118. Deutsche Ärztetag tritt dieser Neigung zur gezielten Fehlinterpretation des Begriffes der Freiberuflichkeit von Ärztinnen und Ärzten bzw. der selbständigen Berufsausübung entschieden entgegen. Er fordert die ärztlichen Verbände, Organisationen und Körperschaften auf, die teilweise missbräuchliche Verwendung des Begriffs „Freiberuflichkeit“ zulasten der Mitglieder anderer ärztlichen Organisationen und Verbände innerhalb ihrer jeweiligen Organisation zu verhindern und in der Kommunikation nach außen künftig zu unterlassen.“
/// Praxistipp
Der Forderung nach einer zutreffenden Verwendung des Begriffs Freiberuflichkeit kann man sich nur anschließen. Gerade die saubere Differenzierung zwischen Selbstständigkeit und Freiberuflichkeit ist von Bedeutung. Der Zahnarztberuf ist naturgemäß ein freier Beruf, unabhängig davon, ob er selbständig in eigener Praxis oder im Anstellungsverhältnis ausgeübt wird. Daran ändert auch die jeweils gewählte Praxisform des anstellenden Zahnarztes nichts.Dennauch angestellte Zahnärzte haben ein Gelöbnis abgegeben, wonach sie in erster Linie dem Patientenwohle gegenüber verpflichtet sind und unterliegen damit der zahnärztlichen Diagnose- und Therapiefreiheit genauso, wie der Praxisinhaber selbst.
– AUTORIN
Jennifer Jessie
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