Mit Weitblick im Wurzelsystem arbeiten

05: Die Verästelungen im Wurzelkanalsystem können baumähnlich extrem komplex, die Kanalanatomie eine zusätzliche Herausforderung sein (Foto: PDPhotos/Pixabay).

05: Die Verästelungen im Wurzelkanalsystem können baumähnlich extrem komplex, die Kanalanatomie eine zusätzliche Herausforderung sein (Foto: PDPhotos/Pixabay).

 

Neue Lösungen für alte Herausforderungen

Welche Vorteile der regenerative Endodontie in der Praxis bietet

Mit Weitblick im Wurzelsystem arbeiten

Kompliziert und unübersichtlich, haarfein und fein verzweigt, warten in den Tiefen des Kiefers zahlreiche endodontische Herausforderungen auf die Zahnärztin und den Zahnarzt. Schon bei der Diagnose sind hochmoderne Mikroskope im Einsatz, um ein genaues Bild von den Verwinkelungen des Wurzelsystems zu erhalten. In der Behandlungspraxis geht es dann um manuelles Geschick – oft schon beim Zugang zur Wurzel –, um herausfordernden Wurzelkanalkonfigurationen mit klinisch-kompetenten Lösungen zu begegnen. Welche Probleme lauern, welche neuen Techniken eine Antwort darauf sein können, welche Geräte bei der Umsetzung unterstützen und wo die endodontischen Behandlungsmöglichkeiten an ihre Grenzen stoßen – dazu lesen Sie mehr auf den nächsten Seiten.

Natascha Saul

Für Patienten scheint es oft das Worst-Case-Szenario auf dem Behandlungsstuhl zu sein: eine Wurzelkanalbehandlung. Tatsächlich graust es sie zumeist zu Unrecht. Zum einen ist eine endodontische Therapie oft die letzte Chance, einen kariösen, manchmal sogar schon tief zerstörten Zahn, doch noch zu erhalten. Und zum anderen ist die gefürchtete „Wurzelbehandlung“, wie sie im Volksmund gern genannt wird, längst besser als ihr Ruf.

Das gilt für den Schmerzfaktor, der nämlich dank modernster Anästhesie- und Behandlungstechniken quasi kaum mehr ins Gewicht fällt. Die meisten Patienten berichten in der Tat, dass sie von der Behandlung so gut wie nichts gespürt haben. Das gilt aber auch für den medizinischem Fortschritt und damit einhergehend für die Erfolgsquote in puncto Zahnerhaltung. Eine hundertprozentige Garantie kann natürlich kein Behandler geben – dafür unterliegt die Biologie zu vielen beeinflussenden Faktoren. Als Richtwert gilt aber: Bei Entzündungen der Pulpa liegt die Wahrscheinlichkeit, dass der Zahn langfristig erhalten werden kann, bei rund 90 Prozent.

Eine Infizierung der Pulpa kann verschiedene Ursachen haben. Sie kann durch Karies, thermische oder chemische Reize, einen Riss oder ein unfallbedingtes Trauma ausgelöst werden. Traumata treten besonders häufig bei Kindern und Jugendlichen auf: 20 bis 30 Prozent erleiden bis zu ihrem 16. Lebensjahr einen Zahnunfall mit abgebrochenen Zahnkronen oder Rissen in der Zahnwurzel als Folge.

01: Auf Süß folgt Autsch: Caries Profunda kann ein Wurzelkanalbehandlung nach sich ziehen. Die Erfolgsaussichten bei Primärbehandlungen liegen mittlerweile bei rund 90 Prozent (Foto: Aleksanra85/Pixabay).

 

/// Nicht-Behandeln keine Lösung

Bleibt die Entzündung unbehandelt, sind mit großer Sicherheit Schmerzen die Folge, sehr wahrscheinlich ist aber auch eine Schädigung des Kieferknochens. Um das zu vermeiden, ist eine Wurzelkanalbehandlung angezeigt. Differenziert wird zwischen der Primärbehandlung, einer Revisionsbehandlung sowie einem endo-chirurgischen Eingriff, die im Folgenden kurz angerissen und später noch genauer betrachtet werden.

Bei einer ersten Wurzelkanalbehandlung wird das „Zahninnere“ (vom griechischen „Endo“ / „das Innere“ und „odont“ / „Zahn“) gesäubert, desinfiziert und schließlich mit plastisch versiegelndem Material (Guttapercha) gefüllt. Dieses Vorgehen zur Zahnerhaltung ist mit mehr als sieben Millionen pro Jahr eine der häufigsten Behandlungen, die in deutschen Zahnarztpraxen durchgeführt werden.

 

/// Gute Erfolgsprognose

Nach der Verschließung der Zugänge zum Wurzelkanalsystem in der Zahnkrone mit einer bakteriendichten Füllung ist der Zahn präpariert für den post-endodontischen Wiederaufbau oder für eine Kronenversorgung. Die Aussichten, dass der Zahn unauffällig bleibt, sind sehr groß. In manchen Fällen kann jedoch eine Revisionsbehandlung notwendig werden. Denn es handelt sich um einen der komplexesten zahnmedizinischen Eingriffe, bei dem auch trotz Unterstützung durch modernste OP-Mikroskope nicht immer jeder Winkel im stark verzweigten Wurzelkanalsystem eingesehen werden kann und bei dem die gekrümmten Anatomien der Kanäle teilweise eine vollständige Säuberung verhindern können.  

Nach Entfernung des infizierten Füllmaterials wird dabei eine erneute Reinigung der Wurzelkanäle durchgeführt. Je nach Grad der Entzündung kann vor erneutem Verschließen der Zugänge zunächst ein bakterienhemmendes Medikament in das gereinigte Wurzelkanalsystem eingebracht werden. Nach Reinigung, Desinfizierung und erneuter Ausformung aller Haupt- und Seitenkanäle wird der Hohlraum wieder mit Guttapercha versiegelt, der Zugang gefüllt und die Zahnkrone wiederaufgebaut.

 

/// Letzte Chance: Chirurgie

Wird der zweifach endodontisch behandelte Zahn jedoch abermals auffällig, ist ein chirurgischer Eingriff die letzte Chance auf Zahnerhalt. Warum die Wurzelkanal- und Revisionsbehandlung nicht erfolgreich waren, kann mehrere Gründe haben. Die Anatomie des Kanalsystems kann derart kompliziert sein, dass eine vollständige Reinigung und Desinfizierung aller Kanäle nicht möglich ist. Ursache können aber auch sehr widerstandsfähige Bakterien sein, die in Verästelungen oder auf Wurzeloberflächen hartnäckig anhaften. Aber auch beschädigte Wurzeloberflächen sind bisweilen Auslöser für Beschwerden.

Welche Erfolgsaussichten eine Revisionsbehandlung hat, lässt sich präziser mit Hilfe von dreidimensionaler Bildgebung beurteilen. DVT-Aufnahmen erlauben eine genauere Analyse der Erkrankung und können auch Besonderheiten oder Fehler der Erstbehandlung aufzeigen. Periapikale Entzündungen sind schneller und leichter erkennbar; außerdem offenbart das dreidimensionale Bild auch unbehandelte Wurzelkanäle, Perforationen, komplizierte Kanalstrukturen und die Qualität der primären Aufbereitung und Wurzelfüllung. Auf der Informationsbasis kann qualifizierter zusammen mit dem Patienten entschieden werden, ob eine Revision sinnvoll ist.

Der endo-chirurgische Eingriff erlaubt eine erweiterte Diagnosestellung – das ist insbesondere dann wichtig, wenn der Patient Symptome hat, deren Ursache noch unklar ist. Durch die Ablösung der Gingiva im Bereich der Wurzelspitze wird der darunterliegende Kieferknochen freigelegt, sodass das entzündete oder infizierte Gewebe sowie auch die Wurzelspitze entfernt werden können. Durch die Wurzelspitzenresorption kann das Innere der Wurzel von der Spitze aus gereinigt werden. Von der Spitze aus wird auch die spezielle Füllung eingebracht, um eine langfristige Versiegelung zu gewährleisten. Die umliegende Knochensubstanz heilt meist binnen weniger Monate aus.

02: Nur, was man sieht, kann man behandeln. OP-Mikroskope und Lupenbrillen vergrößern die Erfolgschancen des endodontischen Eingriffs (Foto: Rafael Juarez).

/// Vielgestaltige Anforderungen

So einfach, wie sich die Behandlungswege auf den ersten Blick darstellen, sind sie in der Praxis freilich oft nicht. Wie komplex die Herausforderungen sein können, erlebt jeder endodontisch behandelnde Zahnmediziner fast täglich – wohl auch deshalb steigt die Zahl der Spezialisten. Der Verband Deutscher Zertifizierter Endodontologen (VDZE) verzeichnet über die vergangenen Jahrzehnte einen enormen Zuwachs.

Da die Behandlungstechniken immer fortschrittlicher und das technische Equipment immer präziser geworden sind, ist in der Konsequenz die Erfolgsquote nach oben geschnellt. Statt vorschnell zu extrahieren zu lassen, wird vom Patienten fast immer die Chance auf Zahnerhaltung gewünscht. Die gestiegene Nachfrage kombiniert mit der sehr kostenintensiven technischen Ausstattung mündet ganz logisch in der zunehmenden Gründung von endo-spezialisierten Praxen. Anders als in allgemein praktizierenden Praxen kann hier u.a. das Investitionsbudget gezielt in Spezialgeräte und Instrumente fließen.

 

/// Lange Historie, große Fortschritte

Die Herausforderungen der Endodontie, vor denen Spezialisten ebenso wie allgemeinpraktizierende Zahnmediziner stehen, sind bisweilen so alt wie die Wurzelkanalbehandlung selbst. Und das ist eine beträchtliche Zeitspanne. Denn es gibt Hinweise, dass die ersten Behandlungen von Pulpaerkrankungen schon vor tausenden von Jahren stattfanden.

Es war ein langer Weg geprägt von theoretischen und praktischen Erkenntnissen, dem Abgleich mit und Einfluss von Disziplinen wie Pathologie, Anatomie, Pharmakologie etc., bis sich der heutige Standard entwickelte. Ein Prozess, der vom Einsatz des Brenneisens zum Einsatz von Ultraschall, und von der Verwendung von Arsen zur Devitalisierung der Pulpa zur Laser-gestützten Keimentfernung.

 

/// Neue Standards, alte Herausforderungen

Die dokumentierte Geschichte der Wurzelkanalbehandlung beginnt im 18. Jahrhundert. Fokusthemen sind dabei: die Aufbereitung der Wurzelkanäle, die Desinfektion sowie die Obturation (Verschluss des Hohlraums). Der Weg zu mehr Effizienz und weniger Schmerz in der heutigen State-of-the-Art-Behandlung führte über die stetige Weiterentwicklung der Diagnose- und Behandlungsmethoden, die gestützt werden von zum Teil hoch technologisierten Hilfsmitteln und Instrumenten. Die Schlüsselworte lauten u.a. Ultraschall, erweitertes Spitzensortiment, Obturationsmaterial, Lasereinsatz, Lupenbrillen und OP-Mikroskope.

Die maschinelle Wurzelkanalaufbereitung gilt mittlerweile als Standard; die Füllungsmaterialien sind weiterentwickelt worden, eine endometrische Längenbestimmung der Kanäle ist möglich und das Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten hat sich durch den Einsatz der Lasermedizin noch weiter vergrößert. Viele Herausforderungen sind geblieben. Die größte dabei ist heute wie ehedem das komplexe Wurzelkanalsystem, das mit seinen verästelten Kanälen und Foramina prädestiniert ist für die Ansiedlung unterschiedlichster Bakterien.

 

/// Resistente Problemkeime

Diese einfach hinauszuspülen ist leider trotz wirksamer Spüllösungen wie mit gewebeauflösendem und antibakteriellem Natriumhypochlorit oft nur eingeschränkt möglich. Sie erreichen zwar auch enge Kanäle, können aber keine vollständige Sterilisation gewährleisten, da manche Keime sich tief im angrenzenden Wurzeldentin befinden. Außerdem gibt es Keime, die gegen marktübliche Desinfektionslösungen resistent sind – die so genannten endodontischen Problemkeime. An dieser Stelle setzt die Laserbehandlung ein.

Sie verspricht ein nachhaltigeres Ergebnis, da bei der laseraktivierten Wurzelkanalspülung auch Bakterien, die sich in tieferen Schichten eingenistet haben, „erwischt“ werden können. Die Ursache liegt in dem thermischen Effekt, der durch die hohe Energiedichte des Lasersystems erzeugt wird. Das Laserlicht erreicht auch tiefergelegene, kontaminierte Dentinscheiben und macht dort gramnegative E. coli-Bakterien unschädlich.

 

/// Laser: Pro und Contra

Zu bedenken ist allerdings: Eine direkte Bestrahlung der Wurzelkanalwand ist in der Praxis nicht möglich. Deshalb ist es angezeigt, diese Methode unterstützend zur Anwendung einer konventionellen Spüllösung einzusetzen. Studien belegen, dass eine laseraktivierte Spülung signifikant stärker reinigt als eine ausschließlich passive oder ultraschallgestützte Spülung. Außerdem ist noch kein multifunktioneller Laser auf dem Markt, der sämtliche zahnmedizinische Disziplinen abdecken könnte, da je nach Indikation unterschiedliche Wellenlängen benötigt werden. Entscheidend ist es auch, Laserleistung und Anwendungsdauer exakt der klinischen Anforderung anzupassen, um Schäden im Hartgewebe zu vermeiden.

Wer für endodontische Behandlungen auf Laser-Unterstützung setzen möchte, hat die Wahl zwischen vier Lasern. Für invasive Eingriffe eignet sich ein Hartlaser, dessen Strahlen ins Wurzeldentin eindringen und die Membrane der Bakterien angreifen, sodass ein weiteres Zellwachstum verhindert wird. Am häufigsten genutzt werden für Wurzelkanalbehandlungen Nd:YAG-, ER:YAG- und Diodenlaser. Letzterer wandelt Strom in Laserlicht um, womit keimbefallene Oberflächen gereinigt werden können. Softlaser können ebenfalls für antibakterielle Therapien eingesetzt werden. Sie sollen außerdem biostimulierend, entzündungshemmend und wundheilungsfördernd wirken.

03: Eine moderne Ausstattung ist Teil der State-of-the-Art-Endodontie (Foto: StockSnap/Pixabay).

/// Zukunft ist Lasern

Zurzeit sieht das „Behandlungsprotokoll“ zunächst die konventionelle Aufbereitung, die Reinigung und Desinfektion vor, ehe zusätzlich der Laser für eine nachhaltige Dekontamination eingesetzt wird. Neben dieser Eigenschaft werden im Laser noch weitere zukunftsträchtige Funktionen vermutet, deren wissenschaftlicher Beleg allerdings noch zu erbringen ist.

Einige Forscher sind überzeugt, dass ablativ wirkende Laser eine Art Verglasung der Kanalinnenwände erzeugen, was eine Wurzelfüllung künftig unnötig machen könnte. Andere glauben, dass durch Laserstrahlen die Stammzellproduktion angeregt wird, was die Erfolgsaussichten der Wurzelkanalbehandlung noch weiter erhöhen könnte. Nach jetzigem Stand wird die Erfolgsprognose bei korrekter Einstellung aller Parameter auf ca. 80 Prozent geschätzt.

 

/// MTA neu gedacht

Die Forschungsfelder auf dem Gebiet der Endodontologie sind vielfältig. Die möglichen Anwendungen, die sich bei der Weiterentwicklung der Laser vielleicht noch auftun werden, sind dabei das eine. Das andere sind stetige Verbesserungen von Materialien, die einen zentralen Beitrag zum Erfolg einer Wurzelkanalbehandlung leisten. Eines dieser Materialien ist ohne Zweifel das Füllungsmaterial für den Wurzelkanal.

Über viele Jahre empfanden viele Behandler die Materialeigenschaften klassischer Füllwerkstoffe als zu eingeschränkt. Der Anspruch lautete: Bitte feuchtigkeitsverträglich, antibakteriell, gut verträglich und schrumpfungsresistent sein. Zu Beginn der 90er-Jahre wurde mit dem Mineral Trioxid Aggregat (MTA) ein Füllmaterial entwickelt, das der Erfüllung näherkam; letztlich aber aufgrund seiner nicht optimalen Verarbeitungseigenschaften nicht breit genug in der Anwendung war. Mittlerweile gibt es den modifizierten reinen Portlandzement (frei von Schwermetallen und Arsen) und bereinigt von Eisenoxid, sodass Verfärbungen, die die Ästhetik ungünstig beeinflussen konnten, passé sind.

04: In den Tiefen des Zahns warten bisweilen komplexe zahnmedizinische Herausforderungen (Foto: Balik/Pixabay).

/// Studien- und praxiserprobt

2007 kam das erste gebrauchsfertig gemischte MTA-Füllmaterial auf den Markt. Seit der Entwicklung vor knapp 30 Jahren ist MTA in über 2.300 Studien geprüft worden, in 70 weiteren wurden die vorgemischten und als biokeramisch geltenden Materialien getestet. Im Fokus dabei: die Bioaktivität, Biokompatibilität und Zytotoxizität, der pH-Wert, der antibakterielle Effekt, die Dichtigkeit und das Revisionsverhalten. In allen Studien wird dem heute verwendeten MTA hinsichtlich der eingangs geschilderten Materialwünsche ein deutlich verbessertes Profil attestiert. In nahezu allen Tests schnitt MTA gut ab; es gilt als feuchtigkeitstolerant, randdicht und biokompatibel.

Als medikamentöse Wurzelkanaleinlage, zur definitiven Versorgung des pulpanahen Dentins sowie für die indirekte und direkte Pulpenüberkappung ist gemäß der Leitlinien der deutschen, europäischen und amerikanischen Fachgesellschaften für Endodontologie Calciumhydroxid das Material der Wahl. Es setzt Wachstumsfaktoren wie zum Beispiel TGF-ß1 frei, wodurch eine Proliferation von Stammzellen ausgelöst wird. Die parallele Aktivierung von Odontoplasten führt zur Anreicherung von Kalzium und Phosphat – die Grundlage zur Gewebeneubildung.

/// Bessere Materialien, bessere Techniken

Die zunehmende Erfolgsaussicht bei Wurzelkanalbehandlungen ist das Resultat eines Zusammenspiels von verbesserten Materialien, dem Einsatz neuer Geräte und des Einsatzes neuerer Behandlungsmethoden. Zu letzteren darf auch die regenerative endodontische Behandlung gezählt werden. Sie ist insbesondere für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen interessant, die durch Karies, ein erlittenes Zahntrauma oder Entwicklungsstörungen unter einer Pulpanekrose leiden. Vor allem, wenn komplexe Traumata wie Avulsions- und Intrusionsverletzungen vorliegen, ist langfristig ein Verlust der Vitalität wahrscheinlich.

Die Revitalisierung kann dazu beitragen, dass periapikale Läsionen abheilen und darüber hinaus das Wurzelwachstum abgeschlossen werden kann. Indiziert sind regenerative Eingriffe bei bleibenden Zähnen mit nekrotischem Pulpagewebe und noch offenem Apex – häufig eine Spätfolge nach Avulsions- oder Intrusionsverletzungen. Ob die Methode Anwendung finden sollte, muss im Einzelfall sorgfältig abgewogen werden. Die regenative Endodontologie ist eine der weniger in der Praxis erprobten Methoden, was sowohl der vergleichsweise kleinen, für diese Therapie in Frage kommende Zielgruppe an Patienten geschuldet ist als auch den fehlenden Leitlinien und Behandlungsprotokollen.

 

/// Mut zur Regeneration

In jüngerer Zeit findet diese Methode jedoch zunehmend Anwendung im Praxisalltag. Verschiedene publizierte Fallbeschreibungen, die Behandlungsschritte und -erfolge detailliert dokumentieren, wirken offenbar ermutigend. Zudem sprechen die Vorzüge im Erfolgsfall für sich: Ein Abschließen des Wurzelwachstums, die Pulpa-Ausheilung, die Vitalitäts-Wiederherstellung bis hin zur vollständigen Geweberegeneration – was gleichbedeutend ist mit einem gesunden Zahn als Resultat –, wird durch diese Therapieform ermöglicht.

Wichtig ist bei dieser möglichst schonend auszuführenden Behandlung ist eine ausreichende Desinfektion des Wurzelkanalsystems bei Gewährleistung ausreichender Gewebeverträglichkeit. Es ist also der chemischen Desinfektion mit Natriumhypochlorit, EDTA und antibiotischer Trimix-Paste anstelle der mechanischen Kanalaufbereitung der Vorzug zu geben.

 

/// Eine Sitzung? Zwei Sitzungen?

In puncto Behandlungsmethoden ist auch die Frage, wie viele Sitzungen notwendig sind, ein häufig diskutierter Dauerbrenner. Ob mehr für oder gegen die Single-Visit-Behandlung spricht, hängt natürlich vom individuellen Fall ab. Geht es zum Beispiel um akute Fälle wie etwa bei einer irreversiblen Pulpitis, ist es wenig wahrscheinlich, dass das Wurzelkanalsystem von Bakterien durchdrungen ist. Wurde das beschädigte Gewebe entfernt, sollte die Ursache der Beschwerden behoben sein und zeitnah Besserung eintreten.

Andere Fälle legen hingegen die Vermutung nahe, dass die klinische Situation zu einer hohen Bakterienansammlung im Kanalsystem geführt hat – zum Beispiel im Falle einer apikalen Osteolyse. Hier kann nur durch eine Wurzelkanalbehandlung mit Zwischenschritten inklusive temporärer medikamentöser EInlage die Bakterienzahl signifikant reduziert werden. Um das Risiko erneuter Beschwerden so gering wie möglich zu halten, empfiehlt sich deshalb eine mehrzeitige Behandlung.

 

/// Besser sehen – besser behandeln

Neben den initialen DVT-Aufnahmen gibt es einen zweiten Erfolgsfaktor für Wurzelkanalbehandlungen – das gilt für Primärbehandlungen, ganz besonders aber für Revisionsbehandlungen: der Einsatz eines OP-Mikrokops. Schon seit 1907 auf dem Markt, hat es sich erst in den vergangenen drei Jahrzehnten zum unabdingbaren Behandlungsbegleiter gemacht. Seit 2009 gibt es die Deutsche Gesellschaft für mikroinvasive Zahnmedizin (DGmikro), die die Vorteile des Mikroskop-gestützten Eingriffs in den Fokus stellen. Je stärker die Vergrößerung im Quadrat, desto höher der Informationsgewinn.

Auch mit Lupenbrillen kann schon ein enormer Unterschied gemacht und ein besserer Durchblick geschaffen werden. Entscheidend für ihre erfolgreiche Verwendung sind der Arbeitsabstand, der Neigungswinkel der Okulare und die koaxiale Ausrichtung. Eine aktuelle Studie der kanadischen University of British Columbia zeigt, dass ebendiese Justierungen häufig nicht exakt genug vorgenommen werden, sodass viele Nutzer mit falsch ausgerichteten Lupen arbeiten.

 

/// Studie: Daumen hoch

Die Endodontie ist ein komplexes Feld mit beständigen Herausforderungen, auf die es noch viele Antworten zu finden gilt. Immer wieder diskutiert wird zum Beispiel, warum die Leitlinie zur Wurzelspitzenresektion (WSR) seit sechs Jahren ungültig und nach wie vor von der DGZMK nicht aktualisiert ist. Der Vorwurf vieler Experten lautet, dass bereits bekannte und bessere Techniken stärker gefördert werden müssen, mit deren Hilfe deutlich mehr Zähne gerettet und Implantate vermieden werden könnten. Pro Jahr werden zwischen 600.000 und 700.000 Wurzelspitzenresektionen in deutschen Praxen vorgenommen.

Neben diesen Herausforderungen, Anforderungen und – um es positiv zu formulieren – Potenzialen, die das Feld der Endodontologie zu bieten hat, mag es vielleicht motivierend wirken, die endodontisch behandelten Patienten doch weitgehend zufrieden zu wissen. Denn anders als bisher oft angenommen, empfinden diese die oft als besonders schmerzhaft verschriene Wurzelkanalbehandlung als gar nicht so unangenehm, wie australische Forscher der University of Adelaide herausfanden. Das Gros der Befragten attestierte der Behandlung sogar, einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität geleistet zu haben.

N/S

 

 

 

Marktübersicht

Das Angebot an Endodontie-Materialien, neuen Geräten und besseren Mikroskopen wächst. Welche Besonderheiten und Neuheiten eine nähere Prüfung lohnen, stellen wir Ihnen im Folgenden vor.

Mit der Entscheidung zwischen reziproken und rotierenden Systemen für die maschinelle Wurzelkanalaufbereitung geht immer ein Abwägen der jeweiligen Vor- und Nachteile einher. Überflüssig möchte Komet dieses Abwägen machen: Mit den neuen Modi ReFlex smartund ReFlex dynamicim Endo-Pilot können reziprokierende und rotierende Bewegungen kombiniert werden.

Das Dentalmikroskop iScope vonJADENTorientiert sich explizit an der Arbeitsweise von Zahnärzten und den Arbeitsabläufen in Praxen und hat deshalb einen ausgewiesenen Fokus auf Ergonomie. Die Qualität von Optik und Beleuchtung ermöglichen Diagnosen und Therapien in exzellenter Präzision. Aber das iScope ist in doppeltem Sinne etwas „fürs Auge“: Das Design des Mikroskops wurde mit dem international renommierten „German Design Award“ ausgezeichnet.

 

 

Bildunterschriften

01: Auf Süß folgt Autsch: Caries Profunda kann ein Wurzelkanalbehandlung nach sich ziehen. Die Erfolgsaussichten bei Primärbehandlungen liegen mittlerweile bei rund 90 Prozent (Foto: Aleksanra85/Pixabay).

02: Nur, was man sieht, kann man behandeln. OP-Mikroskope und Lupenbrillen vergrößern die Erfolgschancen des endodontischen Eingriffs (Foto: Rafael Juarez).  

03: Eine moderne Ausstattung ist Teil der State-of-the-Art-Endodontie (Foto: StockSnap/Pixabay).

04: In den Tiefen des Zahns warten bisweilen komplexe zahnmedizinische Herausforderungen  (Foto: Balik/Pixabay).

05: Die Verästelungen im Wurzelkanalsystem können baumähnlich extrem komplex, die Kanalanatomie eine zusätzliche Herausforderung sein (Foto: PDPhotos/Pixabay).