Das Bundessozialgericht (BSG) hat ganz aktuell am 20.01.2021 in zwei Fällen (AZ: B 1 KR 7/20 R und B 1 KR 15/20) entschieden, dass Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur dann GKV-Leistungen im Wege des Sachleistungsprinzips in Anspruch nehmen können, wenn sie ihre Berechtigung zur Inanspruchnahme auch mit der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) nachweisen.
Jennifer Jessie
/// Die Fälle
In dem einen Fall (B 1 KR 7/20) widersprach eine Versicherte der Einführung der eGK und der Telematik Infrastruktur (TI). Sie wollte kein Foto für die eGK zur Verfügung stellen. Sie beantragte die Ausstellung eines Berechtigungsnachweises in papiergebundender Form. Die beklagte Krankenkasse lehnte diesen Antrag auf Ausstellung einer Ersatzbescheinigung ab, woraufhin die Versicherte klagte. Die Versichertebemängelte die unzureichende Datensicherheit und vertrat somit insbesondere die Auffassung, dass die gesetzlichen Regelungen zur eGK und TI einen Verstoß gegen das grundgesetzlich geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie europäisches Recht darstellen.
In dem anderen Fall (B 1 KR 15/20) ging es um einen Versicherten, der zuvor darauf geklagt hatte, seine bisherige Krankenversichertenkarte unbefristet weiternutzen zu dürfen. Diese Klage war erfolglos. Daraufhin beantragte er bei seiner Krankenkasse für einen Zahnarztbesuch ebenfalls die Ausstellung eines Versicherungsnachweises in papiergebundener Form mit der Begründung, dass er die Ausstellung der eGK nicht wünsche. Zur Einsendung eines Fotos sei er zudem nicht verpflichtet. Die hier beklagte Krankenkasse wies den Antrag ebenfalls ab. Im Klagewege versuchte der Versicherte weiterhin seinen Anspruch durchzusetzen. Auch er machte datenschutz- und datensicherheitsrechtliche Einwände geltend und sah sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.
Nachdem bereits die Vorinstanzen die jeweiligen Klagen als unbegründet zurückgewiesen hatten, erteilte nun auch das Bundesozialgericht dem Begehren auf eine Ersatzbescheinigung eine Absage.
/// Die Entscheidung
Laut des bisher (Stand 01.02.2021) veröffentlichten Terminsbericht vom 20.01.2021 des BSG stehen die gesetzlichen Regelungen zur eGK mit den Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Einklang und verfolgen einen legitimen Zweck. Weder werden dieVersicherten in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung noch in ihren Grundrechten nach der Europäischen Grundrechtecharta verletzt. Vielmehr ist es so, dass der Grundrechtseingriff, der in der Obliegenheit zur Nutzung der eGK liege, sowohl nach den Maßstäben des Grundgesetzes sowie der Europäischen Grundrechtecharta gerechtfertigt ist. Der Senat erklärt:
„Der Gesetzgeber will mit der eGK, soweit es um die Pflichtangaben geht, den Missbrauch von Sozialleistungen bei der Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen verhindern und die Abrechnung mit den Leistungserbringern erleichtern. Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Versicherten ist dabei auf das für die Erreichung dieser legitimen Zwecke zwingend erforderliche Maß beschränkt. Mit den durch das Patientendaten-Schutz-Gesetz neu gefassten Regelungen des SGB V zur eGK und zur Telematikinfrastruktur hat der Gesetzgeber ausreichende Vorkehrungen zur Gewährleistung einer angemessenen Datensicherheit getroffen. Dabei ist er auch seiner Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht nachgekommen, indem er unter anderem auf die in der Praxis zu Tage getretenen datenschutzrechtlichen Defizite und Sicherheitsmängel reagiert und entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen hat. Die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben im Zusammenhang mit der eGK und der Telematikinfrastruktur ist durch die zuständigen Aufsichtsbehörden zu überwachen. Die Versicherten können im Rahmen der speziellen datenschutzrechtlichen Rechtsbehelfe eine Verletzung ihrer Rechte gerichtlich überprüfen lassen. Die gesetzliche Obliegenheit zur Nutzung der eGK und deren Verfassungsmäßigkeit werden hierdurch nicht tangiert. Dafür, dass die Beklagte selbst die gesetzlichen Grundlagen verlassen hat, bestehen keine Anhaltspunkte.“
(aus Terminsbericht vom 20.01.2021, abrufbar unter: https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Verhandlungen/DE/2021/2021_01_20_B_01_KR_07_20_R.html)
/// Fazit
Mit der Entscheidung des BSG ist nunmehr klar, dass Patienten bei Inanspruchnahme von GKV-Leistungen im Wege des Sachleistungsprinzips auch eine aktuelle elektronische Gesundheitskarte vorlegen müssen. Irgendwelche Ersatzbescheinigungen in papiergebundener Form reichen nicht und werden von den Krankenkassen auch nicht ausgestellt. Allenfalls denkbar wäre für Patienten ansonsten der Weg über die Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V. Hierfür müssten die Patienten ihre Krankenkasse aber vorab informieren, zudem sind sie für die Dauer von mindestens 3 Monaten daran gebunden. Zahnärzte müssen ihre Patienten dann vor der Behandlung auch über die Kostenerstattung aufklären und sollten sich die Aufklärung auch vom Patienten in jedem Fall vorab unterzeichnen lassen.
– AUTORIN
Jennifer Jessie
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht
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