Können Arbeitgeber Arbeitnehmer verpflichten sich testen zu lassen? Diese Frage stellt sich aufgrund der aktuellen Situation, die sich voraussichtlich auch innerhalb naher Zukunft nicht ändern wird.
Stefan Schlöffel
/// Testpflicht
Im Rahmen des dem Arbeitgeber zustehenden Direktionsrechts kann unter bestimmten Voraussetzungen der Arbeitnehmer verpflichtet werden, sich testen zu lassen. Eine solche Weisung ist jedoch nur zulässig, wenn sie gemäß § 106 Gewerbeordnung billigem Ermessen entspricht. Dies bedeutet, dass das Interesse des Arbeitgebers am Schutz der Belegschaft und Dritten gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers hinsichtlich seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts überwiegen muss.
Sofern bei dem Arbeitnehmer kein Anlass für eine mögliche Infektion besteht, rechtfertigt das Direktionsrecht nicht die Anordnung, einen Test vorzunehmen.
Hat jedoch der Arbeitnehmer Kontakt zu einem infizierten Dritten gehabt, hat der Arbeitgeber im Rahmen seiner bestehenden Fürsorgepflicht gegenüber der übrigen Belegschaft die Verpflichtung, diese vor einer Infektion zu schützen. Dies rechtfertigt deshalb die Weisung an den möglicherweise infizierten Arbeitnehmer, sich testen zu lassen, sofern eine Tätigkeit im Home-Office ausgeschlossen ist und eine Gefährdung von Kollegen oder Kunden besteht.
Einer unter den vorgenannten Voraussetzungen wirksamen Weisung des Arbeitgebers kann sich ein Arbeitnehmer auch nicht durch den Hinweis entziehen, er sei bereits geimpft. Es gibt nämlich bisher keine gesicherte Erkenntnis, dass gegen Corona geimpfte Personen das Virus nicht mehr auf andere übertragen können.
Weigert sich ein Arbeitnehmer, einer wirksamen Testanordnung nachzukommen, muss der Arbeitgeber ihn nicht beschäftigen und dementsprechend auch kein Arbeitsentgelt zahlen. Dies gilt nicht, sofern es eine andere Einsatzmöglichkeit für den Arbeitnehmer gibt. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, den Arbeitnehmer aufgrund seiner unberechtigten Weigerung abzumahnen und bei nachhaltiger Weigerung nach wirksamer Abmahnung zu kündigen.
/// Impfpflicht
Der Gesetzgeber hat seit März 2020 das Masernschutzgesetz erlassen, was für bestimmte Personengruppen eine Impfpflicht vorschreibt. Eine solche Impfpflicht existiert im Zusammenhang mit dem Corona-Virus nicht. Grundsätzlich ermöglicht das Infektionsschutzgesetz auch eine Impfpflicht gegen das Corona-Virus; davon hat jedoch zurzeit das Bundesministerium für Gesundheit keinen Gebrauch gemacht und wird es auch wohl zukünftig nicht tun.
Jede Impfung ist ein schwerer Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Aus diesem Grund ist die Impfung grundsätzlich freiwillig.
Da nicht sicher ist, ob Geimpfte andere anstecken können, dienen Impfungen primär dem Selbstschutz. Insofern müsste jeder Arbeitnehmer selbst darüber entscheiden können, sich impfen zu lassen oder nicht.
Impfungen spielen jedoch im Rahmen des Arbeitsschutzes, des Datenschutzes und bei personenbezogenen Maßnahmen gegen „Verweigerer“ eine Rolle.
/// Arbeitsschutz
Die Beachtung arbeitsschutzrechtlicher Vorgaben steht nicht im Ermessen der Arbeitnehmer. Nach § 15 Arbeitsschutzgesetz ist daher jeder Arbeitnehmer verpflichtet, Maßnahmen zur eigenen Sicherheit zu akzeptieren und durchzuführen.
Auch wenn weitere gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zur Ansteckungsminderung bei geimpften Personen vorliegen sollten, wird unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsschutzes grundsätzlich eine Impfpflicht zu verneinen sein. Ohne eine grundsätzliche Impfpflicht gibt es jedoch eine immer am Arbeitsplatz vorzunehmende Gefährdungsbeurteilung. Da ein besonderes Infektionsrisiko vorliegen kann, gebieten es die arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften, in dem jeweiligen potentiell gefährdeten Bereich nur geimpfte Beschäftigte einzusetzen. Dies gilt insbesondere dann, wenn allgemeine Schutzkonzepte (Maske und Abstand) nur einen begrenzten Schutz bieten bzw. nicht möglich sind.
/// Fragerecht des Arbeitgebers zum Impfstatus
Ferner stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer die Frage des Arbeitgebers bezüglich seines Impfstatus beantworten muss. Hier spielt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eine Rolle. Daten über den Impfstatus sind besonders sensible Daten im Sinne des Art. 9 DSGVO.
Abgesehen vom Gesundheitswesen kann der Impfstatus auch abgefragt werden, wenn die Kenntnis des Arbeitgebers zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht erforderlich ist. In diesem Rahmen ist jedoch eine Abwägung der schutzwürdigen Interessen der Beschäftigten an einem Ausschluss der Datenverarbeitung mit dem Interesse des Arbeitgebers im Einzelfall erforderlich. Nur dort, wo eine Gefährdungsbeurteilung trotz Beachtung allgemeiner Schutz- und Hygienevorgaben ein nicht unerhebliches Risiko für Infektionen ergibt, wird deshalb eine Datenerfassung zulässig sein.
/// Arbeitsrechtliche Konsequenzen
Sofern trotz der Beachtung der geltenden arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben ein Infektionsrisiko besteht (beispielsweise in Pflege- und Versorgungseinrichtungen), muss die Möglichkeit einer Versetzung geprüft werden. Sofern die Voraussetzungen einer Versetzung nicht vorliegen, aber dennoch ein anderer geeigneter Arbeitsplatz besteht, ist an eine Änderungskündigung zu denken. Wenn kein anderer geeigneter Arbeitsplatz existiert, kann die fehlende Impfung einen Wegfall der Eignung des Beschäftigten darstellen und eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen.
– AUTOR
Stefan Schlöffel
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
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