Beschäftigungsverbote in Zahnarztpraxen: Dauerbrenner und aktuelle Entwicklungen in der Praxis
Das Thema Beschäftigungsverbot ist für Zahnarztpraxen von großer Relevanz, insbesondere wenn es um die Beschäftigung von schwangeren und stillenden Mitarbeiterinnen geht.
Christian Erbacher, LL.M. & Felix Roth, M.Sc.
Die Regelungen dienen dem Schutz der Gesundheit von Mutter und Kind, bringen aber gleichzeitig zahlreiche rechtliche und administrative Herausforderungen mit sich. Für Praxisinhaber und -leiter ist es essenziell, die Grundlagen dieser Vorschriften zu verstehen, um sowohl die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen als auch eine reibungslose Lohnabrechnung sicherzustellen.
/// Grundlagen des Beschäftigungsverbots
Ein Beschäftigungsverbot wird ausgesprochen, um die Gesundheit einer schwangeren oder stillenden Mitarbeiterin zu schützen, wenn die Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit eine Gefährdung darstellen könnte. Dabei wird unterschieden zwischen dem ärztlichen und dem betrieblichen Beschäftigungsverbot:
- Ärztliches Beschäftigungsverbot (§16 MuSchG):
Ein Arzt spricht dieses Verbot aus, wenn er zu dem Schluss kommt, dass die Ausübung der beruflichen Tätigkeit das Leben oder die Gesundheit der Mutter, des ungeborenen oder des gestillten Kindes gefährden könnte. Das ärztliche Beschäftigungsverbot kann sich auf die gesamte Tätigkeit oder auf bestimmte Aufgabenbereiche beziehen. Sobald ein ärztliches Attest vorliegt, darf die betroffene Mitarbeiterin nicht weiter in den genannten Bereichen oder unter den beschriebenen Bedingungen beschäftigt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Gefährdung am Arbeitsplatz festgestellt wird oder nicht.
- Betriebliches Beschäftigungsverbot (§13 MuSchG):
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, sobald er von der Schwangerschaft erfährt. Im Rahmen dieser Beurteilung wird ermittelt, ob die Fortsetzung der Arbeit unter den gegebenen Bedingungen für die schwangere Mitarbeiterin möglich ist oder ob Anpassungen vorgenommen werden können, damit keine Gefährdung für die Schwangere besteht. Ist dies nicht der Fall, muss ein betriebliches Beschäftigungsverbot ausgesprochen werden.
Die Vorgehensweise hierbei zeigt die folgende Grafik:
Quelle: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Gefährdungsbeurteilung, Regel des Ausschusses für Mutterschutz, Nr. MuSchR 10.1.01, 2023
/// Zeitpunkt des Beschäftigungsverbots in der Zahnarztpraxis
Ein Beschäftigungsverbot kann bei Vorliegen der Voraussetzungen sowohl vor als auch nach dem Mutterschutz erforderlich sein. Für die Zeit vor dem Mutterschutz (bis 6 Wochen vor der Geburt) wird das Beschäftigungsverbot nur bis zum Beginn des Mutterschutzes ausgesprochen. Nach dem Mutterschutz (8 Wochen nach der Geburt), während der Stillzeit, ist ein neues Beschäftigungsverbot erforderlich Für dieses häufig als Still-Beschäftigungsverbot bezeichnete Beschäftigungsverbot ist besonders §12 MuSchG relevant, der spezifische Schutzmaßnahmen für stillende Mütter definiert. Aufgrund der
Wichtigkeit für den Erstattungsprozess ist nochmals herauszustellen, dass somit für beide Zeiträume jeweils ein separates Beschäftigungsverbot erforderlich ist.
/// Dokumentation und Compliance
Eine ordnungsgemäße Dokumentation ist unerlässlich, um sowohl rechtlichen Anforderungen gerecht zu werden als auch eventuelle Rückfragen von Krankenkassen zu beantworten. Dazu gehören
- Meldung an die Aufsichtsbehörde:
Gemäß §27 MuSchG muss der Arbeitgeber die zuständige Aufsichtsbehörde unverzüglich benachrichtigen, wenn eine Mitarbeiterin ihm mitgeteilt hat, dass sie schwanger ist oder dass sie stillt, es sei denn, er hat die Aufsichtsbehörde bereits über die Schwangerschaft dieser Frau benachrichtigt. Die Meldung kann je nach Bundesland auch online erfolgen.
- Gefährdungsbeurteilungen:
Diese sollten sorgfältig und umfassend dokumentiert werden, insbesondere wenn ein betriebliches Beschäftigungsverbot ausgesprochen wird. Es ist auch möglich, einen Betriebsarzt in die Beurteilung einzubeziehen.
- Dokumentation Beschäftigungsverbot
Das vorgelegte ärztliche Beschäftigungsverbot ist in der Personalakte zu dokumentieren und betriebliche Beschäftigungsverbote sollten stets schriftlich mitgeteilt werden.
Die lohnabrechnende Stelle (meist die Steuerkanzlei) sollte unmittelbar über die Schwangerschaft und ein Beschäftigungsverbot informiert werden, damit eine entsprechende Berücksichtigung erfolgen und Erstattungsanträge gestellt werde können. Im Falle eines Still-Beschäftigungverbots ist von der Mitarbeiterin monatlich ein Nachweis (z.B. Bestätigung von der betreuenden Hebamme) vorzulegen, dass weiterhin gestillt wird. Diese Bestätigung ist ebenfalls unmittelbar an die Abrechnungsstelle weiterzuleiten.
/// 100% Erstattung für den Arbeitgeber – stimmt das wirklich?
Auf der einen Seite erhalten die Arbeitgeber im Rahmen der sog. U2-Erstattung eine 100%ige Erstattung des Bruttogehalts und die darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge. Auf der anderen Seite gibt es da noch den Erholungsurlaub, der in der Zeit des Beschäftigungsverbotes erworben wird und in der Betrachtung häufig untergeht. Für die Berechnung des Anspruchs auf bezahlten Erholungsurlaub gelten nach §2 MuSchG die Ausfallzeiten wegen eines Beschäftigungsverbots als Beschäftigungszeiten. D.h. dieser Urlaub kann (im Unterschied zum Urlaubsanspruch während der Elternzeit) vom Arbeitgeber nicht gekürzt werden.
Beispiel: Eine Mitarbeiterin hat 30 Tage Urlaub im Jahr und befindet sich ein komplettes Jahr im Beschäftigungsverbot, dann hat Sie nach der Rückkehr aus dem Beschäftigungsverbot einen Anspruch auf die 30 Tage Urlaub mit Entgeltfortzahlung und diese 30 Tage werden von der Krankenkasse auch nicht erstattet.
/// Ist das Beschäftigungsverbot alternativlos?
Der Schutz der Mitarbeiter und insbesondere einer (werdenden) Mutter und Ihres Kindes sollte für alle Arbeitgeber oberste Priorität haben. Dennoch ist das Beschäftigungsverbot nicht in allen Fällen erforderlich. Die Gefährdungsbeurteilungen kann im Einzelfall auch ergeben, dass eine Weiterbeschäftigung vollständig oder teilweise möglich ist. Wenn zudem kein ärztliches Beschäftigungsverbot vorliegt, ist es in einem solchen Fall dann konsequenterweise auch kein betriebliches Beschäftigungsverbot auszusprechen.
/// Aktuelle Beobachtungen in der täglichen Praxis
Kanzleien, die sich auf die Beratung von Ärzten und Zahnärzten spezialisiert haben, setzen sich tagtäglich mit dem Beschäftigungsverbot und seiner Handhabung u.a. in der Lohnabrechnung auseinander. Hierbei ist zu beobachten, dass die Tendenz in den Kommentaren und der Rechtsprechung erwarten lassen, dass die Auslegung des Beschäftigungsverbots in Zukunft etwas enger gefasst werden könnte bzw. die Erfüllung der Voraussetzung stärker hinterfragt und geprüft werden. Dies zeigt sich bereits darin, dass in der jüngeren Vergangenheit deutlich mehr Rückfragen und Unterlagenanforderungen von den Krankenkassen zu verzeichnen sind. Während in der Vergangenheit die Beschäftigungsverbote ohne große Nachfragen der Krankenkassen bei den Praxen oder den Lohn-Abrechnungsstellen hingenommen wurden, nehmen insbesondere die Rückfragen zum sog. Stillbeschäftigungsverbot nach dem Mutterschutz spürbar zu. Aus Krankenkassen-Sicht ist die 100% Erstattungsleistung während des Beschäftigungsverbotes eine teure Angelegenheit, dass folglich ein wachsendes Interesse mit sich bringt, zukünftig die Erstattungsleistungen zu reduzieren.
/// Worst-Case-Szenario – Rückforderung!
Die U2-Erstattung bezieht sich auf die Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen für Mutterschaft, die speziell kleine und mittlere Unternehmen unterstützen soll, wenn sie Lohnfortzahlungen aufgrund von Beschäftigungsverboten während der Schwangerschaft leisten.
Doch wer prüft die Voraussetzungen für die Erstattungsleistungen des Beschäftigungsverbotes? Die Krankenkassen selbst spielen eine zentrale Rolle bei der Überprüfung der korrekten Anwendung von Beschäftigungsverboten. Sie prüfen die Anspruchsberechtigung und die Richtigkeit der abgerechneten Beträge im Rahmen von U2-Erstattungen. Dies schließt die Überprüfung ein, ob die Beschäftigungsverbote medizinisch begründet und ordnungsgemäß dokumentiert sind.
Falls bei einer Prüfung festgestellt wird, dass Beschäftigungsverbote nicht korrekt gehandhabt wurden oder dass irrtümlich oder unrechtmäßig Erstattungen bezogen wurden, kann es zu einer Rückforderung der geleisteten Erstattungen durch die Krankenkassen kommen. Wichtig ist hierbei zu wissen, dass sich das Risiko auf die letzten 4 Jahre bezieht, da dies in der Regel die Verjährungsfrist für die Rückforderung von zu Unrecht gezahlten Erstattungen in Deutschland ist.
/// Zusammenfassung
Das Beschäftigungsverbot ist ein zentrales Thema in der Praxisführung, das sowohl rechtliche als auch finanzielle Aspekte umfasst. Für Praxisinhaber ist es entscheidend, die gesetzlichen Vorgaben genau zu kennen und umzusetzen. Durch eine sorgfältige Planung und Dokumentation können Zahnarztpraxen sicherstellen, dass sie ihren Verpflichtungen nachkommen und gleichzeitig die Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen schützen. Eine fundierte und branchenspezifische steuerliche und rechtliche Begleitung hilft bei der Durchführung und lässt Sie aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung und praktischen Handhabung nicht verpassen.
– AUTOR
Christian Erbacher, LL.M.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
– KONTAKT
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– AUTOR
Felix Roth
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