Die Digitalisierung bringt zahlreiche Vorteile mit sich, stellt Praxisinhaber jedoch auch vor neue rechtliche Herausforderungen.
Stefan Rattay
Ein besonders sensibles Thema ist die digitale Bereitstellung von Entgeltabrechnungen. Während sie für Praxisinhaber effizient und ressourcenschonend ist, kann sie für Arbeitnehmer mit Zugangshürden und rechtlichen Unklarheiten verbunden sein.
Die Digitalisierung betrieblicher Abläufe führt zu weit reichenden Veränderungen in der Kommunikation zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Eine dieser Entwicklungen betrifft die Bereitstellung von Entgeltabrechnungen, die zunehmend in digitaler Form über spezielle Mitarbeiterportale erfolgt. Dabei stellt sich die Frage, ob eine solche Praxis den gesetzlichen Anforderungen genügt und inwieweit Arbeitnehmer das Recht haben, weiterhin Abrechnungen in Papierform zu verlangen.
Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts beleuchtet diese Thematik und gibt wichtige Hinweise darauf, wie Unternehmen mit der Einführung digitaler Entgeltabrechnungen rechtssicher umgehen sollten.
Nach §108 Abs. 1 Satz 1 der Gewerbeordnung ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine Entgeltabrechnung in Textform zu erteilen. Diese Verpflichtung kann grundsätzlich auch durch eine digitale Bereitstellung erfüllt werden, beispielsweise durch ein passwortgeschütztes Mitarbeiterpostfach.
Im konkreten Fall war eine Verkäuferin im Einzelhandel betroffen, deren Arbeitgeber mit Verweis auf eine Konzernbetriebsvereinbarung die Entgeltabrechnungen nur noch digital bereitstellte. Die Arbeitnehmerin widersprach dieser Praxis und forderte weiterhin eine Übersendung in Papierform.
/// Anspruch auf eine Entgeltabrechnung als Holschuld ausgestaltet
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urteil vom 16.01.2024 – 9 Sa 575/23) hatte der Klägerin zunächst recht gegeben und argumentiert, dass es sich bei Entgeltabrechnungen um zugangsbedürftige Erklärungen handele.
Ein digitales Mitarbeiterpostfach könne nur dann als Empfangsvorrichtung angesehen werden, wenn der Empfänger es für den geschäftlichen Empfang bestimmt habe. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben gewesen, weshalb die Bereitstellung der Abrechnung nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt habe.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 28.01.2025 – 9 AZR 48/24) sah dies jedoch anders und hob die Entscheidung der Vorinstanz auf.
Es stellte fest, dass die digitale Bereitstellung von Entgeltabrechnungen grundsätzlich die gesetzlichen Anforderungen an die Textform erfülle. Der Anspruch auf eine Entgeltabrechnung sei als Holschuld ausgestaltet, sodass der Arbeitgeber nicht für den tatsächlichen Zugang der Abrechnung beim Arbeitnehmer verantwortlich sei.
Es reiche aus, wenn der Arbeitgeber die Abrechnung an einer digitalen Ausgabestelle zur Verfügung stelle. Voraussetzung sei allerdings, dass berechtigte Interessen der Arbeitnehmer gewahrt bleiben, insbesondere in Fällen, in denen Beschäftigte keinen privaten Online-Zugang haben.
/// Praxisinhaber sollten frühzeitig Dialog suchen
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts macht deutlich, dass Praxisinhaber bei der Einführung digitaler Entgeltabrechnungen sorgfältig vorgehen müssen.
Zwar bestätigt das Urteil, dass eine digitale Bereitstellung grundsätzlich zulässig ist, doch darf dies nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung einzelner Arbeitnehmer führen. Es gilt daher, eine klare betriebliche Regelung zu schaffen, die sicherstellt, dass alle Beschäftigten die Möglichkeit haben, ihre Abrechnungen problemlos abzurufen. Dies kann etwa durch die Bereitstellung von Einsichtmöglichkeiten in der Praxis oder durch alternative Zugriffsoptionen geschehen.
Praxisinhaber sollten zudem frühzeitig den Dialog suchen, um eine rechtssichere und praktikable Lösung zu entwickeln. Darüber hinaus sollte darauf geachtet werden, dass technische Hürden für Arbeitnehmer so gering wie möglich gehalten werden. Ein einfach zugängliches und nutzerfreundliches System trägt dazu bei, mögliche Streitigkeiten zu vermeiden und die Akzeptanz digitaler Abrechnungsprozesse zu erhöhen.
/// Arbeitgeber sollten umfassend über Einführung digitaler Entgeltabrechnungen informieren
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die klare Kommunikation mit den Mitarbeitern. Arbeitgeber sollten ihre Belegschaft umfassend über die Einführung digitaler Entgeltabrechnungen informieren und ihnen die Vorteile sowie die Nutzungsmöglichkeiten transparent darlegen. Dies kann durch Schulungen, Informationsveranstaltungen oder leicht verständliche Anleitungen geschehen. Eine transparente Kommunikation trägt dazu bei, Vorbehalte abzubauen und das Vertrauen in die digitale Abwicklung von Entgeltabrechnungen zu stärken.
Schließlich empfiehlt es sich, die rechtlichen Entwicklungen im Blick zu behalten und bei Bedarf Anpassungen vorzunehmen. Die Rechtsprechung in diesem Bereich entwickelt sich stetig weiter und Praxisinhaber sollten sicherstellen, dass ihre digitalen Prozesse den aktuellen gesetzlichen Anforderungen entsprechen.
Regelmäßige Überprüfungen und gegebenenfalls notwendige Anpassungen an der technischen Infrastruktur oder den internen Richtlinien können dazu beitragen, mögliche rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden und die Effizienz der digitalen Entgeltabrechnung langfristig zu sichern.
– AUTOR
Stefan Rattay
Steuerberater, Fachberater für internationales Steuerrecht
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