Umsatzsteuerliche Entlastung für (Zahn-)Ärzte

Umsatzsteuerliche Entlastung für (Zahn-)Ärzte: BFH stärkt Kostengemeinschaften den Rücken

 

Kostengemeinschaften sind in der ärztlichen Praxis gängige Modelle, um gemeinsam Ressourcen wie Personal oder Räumlichkeiten effizient zu nutzen.

Sebastian Steffens

 

Doch steuerlich waren solche Zusammenschlüsse bislang mit Unsicherheit behaftet, insbesondere bei der Umsatzsteuer. Ein aktueller Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) sorgt nun für Klarheit: Leistungen von (zahn-)ärztlichen Praxisgemeinschaften an ihre Mitglieder können unter bestimmten Bedingungen von der Umsatzsteuer befreit sein. Der Beschluss hat grundlegende Bedeutung für die Gestaltung und Besteuerung von Kooperationsmodellen im Gesundheitswesen.

 

 

In vielen (zahn-)ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaften ist die gemeinsame Nutzung von Räumlichkeiten, Personal und Infrastruktur selbstverständlich.

 

Nicht selten schließen sich mehrere Ärzte zu einer so genannten „Kostengemeinschaft“ zusammen, um Praxisräume, Sprechstundenhilfen oder Verwaltungsaufgaben gemeinsam zu finanzieren. Dabei wird nicht gemeinsam behandelt oder abgerechnet, sondern lediglich wirtschaftlich kooperiert – jeder (Zahn-)Arzt bleibt für seine Patienten verantwortlich und handelt auf eigene Rechnung.

 

Dieses Modell hat sich im medizinischen Alltag vielfach bewährt, doch es stellt auch steuerliche Herausforderungen, insbesondere mit Blick auf die Umsatzsteuerpflicht solcher internen Leistungsverrechnungen.

 

Lange war umstritten, ob eine Kostengemeinschaft, die beispielsweise Personalkosten oder Reinigungskosten anteilig an ihre Mitglieder weiterberechnet, als Unternehmerin im Sinne des Umsatzsteuerrechts gilt – mit der Folge, dass sie auf ihre Leistungen Umsatzsteuer erheben müsste. Die Finanzverwaltung hatte sich in der Vergangenheit zum Teil streng positioniert.

 

Aus ihrer Sicht waren allgemeine Verwaltungskosten, die nur mittelbar mit der heilberuflichen Tätigkeit der beteiligten Ärzte zusammenhängen, nicht von der Umsatzsteuer befreit. Die Argumentation stützte sich auf eine enge Auslegung des Merkmals „unmittelbar“ in der bis Ende 2019 geltenden Vorschrift des §4 Nr. 14 Buchstabe d) UStG sowie der nun gültigen Nachfolgeregelung in §4 Nr. 29 UStG.

 

/// Bloße Übernahme von Dienstleistungen stellt keine umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit dar

Diese Sichtweise hat der Bundesfinanzhof nun in einem praxisnahen Beschluss grundlegend korrigiert. In dem entschiedenen Fall hatten zwei Ärzte eine Praxisgemeinschaft gegründet, deren Zweck allein darin bestand, die laufenden Kosten für Personal und Räume gemeinsam zu tragen.

 

Die Gesellschaft selbst verfolgte keine Gewinnerzielungsabsicht, sondern agierte strikt als Kostenteilungsgemeinschaft. Unter anderem hatte sie eine Reinigungskraft angestellt und diverse Dienstleistungen für die Innenorganisation übernommen. In den Augen des Finanzamts lag hier eine steuerpflichtige Leistung vor, da die Kostengemeinschaft gegenüber den Ärzten abrechnete und Verwaltungstätigkeiten übernahm, die nur mittelbar mit der medizinischen Behandlung zusammenhingen.

 

Der BFH hat diese Sichtweise nicht nur zurückgewiesen, sondern zugleich grundlegende Maßstäbe zur Auslegung des Begriffs „unmittelbar“ gesetzt. Entscheidend sei, dass die Leistungen der Kostengemeinschaft ausschließlich den Zwecken der steuerfreien Heilbehandlung ihrer Mitglieder dienen und dass keine Gewinnerzielung vorliege. Die bloße Übernahme von Dienstleistungen, die zur Praxisorganisation gehören – wie Reinigung oder Abrechnungsvorbereitung – stellt nach Ansicht des Gerichts keine umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit dar, wenn sie innerhalb der Gemeinschaft erbracht und nach dem Prinzip der reinen Kostenerstattung verrechnet werden.

 

Der BFH stellte zudem klar, dass es keine Wettbewerbsverzerrung darstellt, wenn Ärzte solche Leistungen über eine eigene Gesellschaft organisieren, anstatt sie extern einzukaufen.

 

/// Praxisnahe Kooperationsmodelle können steuerlich sachgerecht umgesetzt werden

Damit stärkt der Bundesfinanzhof nicht nur die Rechtssicherheit bestehender Praxisgemeinschaften, sondern räumt auch mit einer langjährigen Unsicherheit auf. Denn die Entscheidung entfaltet über den Einzelfall hinaus Signalwirkung – auch für die geltende Rechtslage unter §4 Nr. 29 UStG, der weiterhin auf den Begriff der „unmittelbaren“ Verwendung Bezug nimmt.

 

Die Richter orientieren sich zudem eng an der europarechtlichen Vorgabe in Art. 132 Abs. 1 Buchstabe f der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, wonach Zusammenschlüsse von Leistungserbringern im Bereich der steuerbefreiten Tätigkeiten – wie ärztliche Behandlungen – von der Umsatzsteuer befreit sind, wenn sie lediglich die genauen Kosten erstatten und keine Wettbewerbsverzerrung eintritt.

 

Für den (zahn-)ärztlichen Berufsstand ist der Beschluss des BFH daher von hoher Relevanz. Es bestätigt, dass praxisnahe Kooperationsmodelle auch steuerlich sachgerecht umgesetzt werden können – vorausgesetzt, sie sind transparent, auf reinen Kostenausgleich ausgelegt und verfolgen keine Gewinnerzielungsabsicht. Gerade in Zeiten steigender administrativer Anforderungen und zunehmenden Kostendrucks gewinnen solche Modelle an Bedeutung, weil sie Effizienz ermöglichen, ohne das Risiko steuerlicher Mehrbelastungen. Arztpraxen, die sich zu solchen Zweckgemeinschaften zusammenschließen wollen, erhalten damit nicht nur Rückendeckung durch die Rechtsprechung, sondern auch konkrete Orientierung für die steuerlich saubere Umsetzung.

 

/// Auf klare Trennung von gemeinschaftlicher Kostenverrechnung und individuellen ärztlichen Leistungen achten

Zugleich stellt der Beschluss die Verwaltungspraxis des Bundesfinanzministeriums in Frage, die bislang auf eine eng ausgelegte Interpretation des Unmittelbarkeitskriteriums setzte.

 

Es ist damit zu rechnen, dass die bisherige Verwaltungspraxis überarbeitet werden muss, um dem BFH-Beschluss Rechnung zu tragen. Bis dahin empfiehlt es sich, bei der Gründung oder Prüfung bestehender Kostengemeinschaften auf eine klare Trennung von gemeinschaftlicher Kostenverrechnung und individuellen ärztlichen Leistungen zu achten.

 

Auch sollte vertraglich festgehalten werden, dass keine Überschüsse erzielt werden dürfen und jede Leistung der Gemeinschaft auf das Notwendige beschränkt ist.

 

Letztlich zeigt die Entscheidung: Die Rechtsprechung erkennt damit an, dass eine moderne und leistungsfähige Gesundheitsversorgung auch wirtschaftliche Kooperationen erfordert – und dass diese nicht durch steuerliche Hürden untergraben werden dürfen.

 

– AUTOR
Sebastian Steffens
Steuerberater

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