Gelingt einem Zahnarzt der Nachweis, dass sein Weiterbildungsstand aufgrund einer Weiterbildung in einem EU-Mitgliedstaat gleichwertig ist, ist kein Raum für eine Eignungs- oder Fachzahnarztprüfung, so das Verwaltungsgericht (VG) Hannover (Urteil vom 25.02.2025, Az. 7 A 219/23).
/// Der Fall
Eine Zahnärztin aus Spanien absolvierte an einer Universität in Madrid ein postgraduales Studium im Bereich der Kieferorthopädie, Orthognathie sowie der Neuro-Okklusalen Rehabilitation. Die Studienzeit betrug 3 Jahre und umfasste 2.000 Stunden klinischer Praxis in der Zahnklinik der Universität sowie die Versorgung von mindestens 50 Patienten. Das Curriculum orientierte sich am Spezialisierungsprogramm der European Orthodontic Society sowie der World Federation of Orthodontics.
Zudem war sie über 10 Jahre als Zahnärztin in Deutschland in einer kieferorthopädischen Praxis tätig. Im Jahr 2021 beantragte sie bei der zuständigen Zahnärztekammer in Niedersachsen die Anerkennung einer ausländischen Berufsqualifikation, um den Titel „Fachzahnärztin für Kieferorthopädie“ führen zu dürfen.
Diesen Antrag lehnte die Kammer ab. Zur Begründung führte die Kammer u. a. aus, dass im Königreich Spanien keine Weiterbildung zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie vorgesehen sei sowie die Struktur der Ausbildung an der Universität in Madrid nicht mit der Weiterbildungsordnung (WBO) der Kammer übereinstimme. Im Rahmen des vorgerichtlichen Widerspruchsverfahrens sah die Kammer zwar von einer Ableistung erneuter Weiterbildungszeiten ab, forderte jedoch weiterhin die Ablegung der regulären Weiterbildungs-Abschlussprüfung. Hiergegen reichte die Zahnärztin mit Erfolg Klage vor dem Verwaltungsgericht ein.
/// Die Entscheidung
Das Gericht sah einen Anspruch der Zahnärztin auf Anerkennung der Gebietsbezeichnung auf dem Gebiet der Kieferorthopädie als gegeben an. Zwar kam eine automatische Anerkennung nach § 5 Abs. 1 WBO in Verbindung mit der einschlägigen europäischen Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG nicht in Betracht, da im Bereich der Kieferorthopädie ein Ausbildungsnachweis für das Königreich Spanien nicht genannt ist. Gleichwohl hatte die klagende Zahnärztin über § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO Erfolg. Demnach erhält ein Antragsteller mit einem Ausbildungsnachweis über eine Weiterbildung aus einem EU-Mitgliedstaat die entsprechende Anerkennung nach dem Heilberufe-Kammergesetz, wenn die Gleichwertigkeit des Weiterbildungsstandes gegeben ist. Der Weiterbildungsstand ist dann als gleichwertig anzusehen, wenn die Weiterbildung keine wesentlichen Unterschiede gegenüber der Weiterbildung aufweist, die in der Weiterbildungsordnung der jeweils zuständigen Zahnärztekammer geregelt ist.
Entgegen der Auffassung der Kammer stellte das Zeugnis der spanischen Universität einen „Ausbildungsnachweis über eine Weiterbildung aus einem Mitgliedstaat“ im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO dar. Das Gericht stellte klar, dass das Zeugnis über den abgelegten postgradualen Studiengang taugliche Grundlage sei und die inhaltlichen bzw. materiellen Anforderungen an eine Weiterbildung erfülle.
Die Rechtsauffassung der Kammer, die Weiterbildungen in Niedersachsen und Spanien müssten sich strukturell vollständig entsprechen, fände weder im Gesetz noch in der Weiterbildungsordnung eine Stütze. Sie verkenne, dass § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO keinen Gleichlauf der Weiterbildungsstruktur in Niedersachsen und anderen EU-Mitgliedstaaten verlange. § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO erfordere ausweislich des klaren Wortlautes die „Gleichwertigkeit des Weiterbildungsstandes“. Das Gericht stellte ausdrücklich klar, dass es hierbei auf den materiellen Kenntnisstand ankommt und nicht auf einen strukturellen Gleichlauf.
Unschädlich war es in diesem Zusammenhang auch, dass im Königreich Spanien keine Weiterbildung zum Kieferorthopäden geregelt ist. § 5 Abs. 2 WBO beträfe gerade diejenigen Fälle, in denen es nicht zu einer automatischen Anerkennung nach der Berufsanerkennungsrichtlinie komme und eine individuelle Gleichwertigkeitsprüfung durchzuführen sei.
Die erforderliche Gleichwertigkeit des Weiterbildungsstandes wurde schlussendlich vom Gericht bejaht. Damit fehlte es auch an einer Rechtsgrundlage, die klagende Zahnärztin zur Ablegung einer Weiterbildungs-Abschlussprüfung vor der hiesigen Kammer zu verpflichten.
/// Fazit
Die Anerkennung ausländischer Abschlüsse und Weiterbildungen beschäftigt immer wieder die Gerichte. Bei diesbezüglichen Fragestellungen entscheiden die Kammern oftmals sehr restriktiv, um die Qualität der Aus- und Weiterbildung zu gewährleisten und damit den Schutz der Gesundheit sowie des Lebens der Patienten sicherzustellen. Trotz dieser nachvollziehbaren Bestrebungen lohnt sich eine gerichtliche Überprüfung der Kammerentscheidungen, wie der vorliegende Fall wieder einmal gezeigt hat.
Ein Beitrag der WWS-Gruppe
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