Mehrere aktuelle Gerichtsurteile zum Thema Urlaub ändern die Rechte und Pflichten von Arbeitgebern und -nehmern. Personalverantwortliche sollten sich jetzt mit der neuen Rechtssituation vertraut machen und ihr Urlaubsmanagemententsprechend anpassen.
Rebekka De Conno
Der Jahresurlaub gehört zu den wichtigsten Faktoren für die Work-Life-Balance. Denn Freizeit ist nicht nur für das individuelle Wohlbefinden unverzichtbar, sondern auch für die Gesundheit. Dem trägt der Gesetzgeber Rechnung und räumt der Urlaubsgewährung einen hohen Stellenwert ein. Jedoch ist das Arbeitsrecht mit neuen Gesetzen und Gerichtsurteilen kontinuierlich im Fluss. Unternehmen haben es nicht leicht, immer auf dem neuesten Stand der Dinge zu sein und den strengen Anforderungen gerecht zu werden. Jetzt ist einmal mehr Aufmerksamkeit gefragt. Die Rechtsprechung bringt für das Urlaubsmanagement wesentliche Änderungen mit sich. Firmen sollten die daraus resultierenden Vor- und Nachteile im Blick haben und im Zweifelsfall rechtlichen Rat einholen.
/// Resturlaub
Für Konflikte sorgt immer wieder das Thema Resturlaub. Zwischen Arbeitgebern und Mitarbeitern ist oft strittig, unter welchen Bedingungen Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr verfallen können. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellt nun klar, dass Unternehmen ihre Arbeitnehmer klar und transparent darüber informieren müssen, wieviel Jahresurlaub noch besteht und wann der Anspruch darauf hinfällig ist (Az. 9 AZR 541/15). Da Arbeitgeber die Beweislast tragen, sollte die Information immer schriftlich erfolgen. Firmen sollten sich von ihren Arbeitnehmern quittieren lassen, dass sie den Hinweis zur Kenntnis genommen und verstanden haben. Es empfiehlt sich, die Empfangsbestätigung zur Personalakte zu nehmen. Arbeitgeber sind nicht dazu verpflichtet, Mitarbeiter zwangsweise zu beurlauben. Jedoch müssen sie ihnen ermöglichen, ihren restlichen Urlaub zu nehmen. Ein Freibrief für Arbeitnehmer ist all dies jedoch keineswegs. Nehmen sie trotz Hinweis vom Arbeitgeber den Resturlaub nicht in Anspruch, verfällt er grundsätzlich am Jahresende oder am Ende des Übertragungszeitraums.
/// Sonderurlaub
Je nach Lebenssituation können Mitarbeiter auf unbezahlten Sonderurlaub angewiesen sein. Aufgrund eines neuen BAG-Urteils dürften Arbeitgeber nun eher geneigt sein, eine Auszeit über einen längeren Zeitraum zu genehmigen (Az. 9 AZR 315/17). Die Richter gehen davon aus, dass Unternehmen bei der Berechnung der Urlaubsdauer Sonderurlaube berücksichtigen können. Die Begründung: Die Vertragsparteien haben während dieser Zeit ihre Hauptleistungspflichten vorübergehend ausgesetzt. Somit entsteht während des Sonderurlaubs kein regulärer Anspruch auf Urlaub. Arbeitgeber sollten Mitarbeiter vor der Genehmigung von Sonderurlaub schriftlich über diesen Sachverhalt informieren und sich die Kenntnisnahme beweissicher bestätigen lassen. Nur so können sie Missverständnisse bei der Urlaubsberechnung von vorneherein vermeiden.
/// Kurzarbeit
Kurzarbeit bringt für Arbeitnehmer Vor- und Nachteile mit sich. Einerseits ist die Arbeitsbelastung geringer, als im Normalbetrieb. Andererseits haben sie am Monatsende weniger Gehalt auf dem Konto und unter Umständen sinkt der Beitrag in die gesetzliche Rentenversicherung. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs verschafft betroffenen Arbeitnehmern eine gewisse Entlastung (C-385/17). Demnach haben sie während ihres unionsrechtlich garantieren Mindestjahresurlaubs von vier Wochen Anspruch auf ihr normales Arbeitsentgelt, und zwar ungeachtet früherer Kurzarbeitszeiten. Jedoch gilt: Die Dauer des Mindestjahresurlaubs hängt von der tatsächlichen Arbeitsleistung ab, die im betreffenden Zeitraum erbracht wurde. Somit können Kurzarbeitszeiten dazu führen, dass der Mindesturlaub weniger als vier Wochen beträgt. Um Konflikte mangels Nachweis zu vermeiden, sollten Arbeitgeber die tatsächlichen Arbeitszeiten genau dokumentieren. Firmen sollten in jeden Fall prüfen, ob ein Tarifvertrag einen nicht minderbaren Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub gewährt. Dieser gilt in solchen Fällen unabhängig davon, ob die Arbeitszeit der Mitarbeiter wegen Kurzarbeit reduziert war.
/// Elternzeit
Arbeitstätige in Elternzeit sind für Unternehmen eine Herausforderung. Das Arbeitsverhältnis bleibt bestehen und Firmen müssen übergangsweise für einen adäquaten Ersatz sorgen. Ein aktuelles BAG-Urteil dürfte unter Arbeitgebern für Erleichterung sorgen (Az. 9 AZR 362/18). Zwar befindet das Gericht, dass Mitarbeiter auch während der Elternzeit einen Urlaubsanspruch erwerben. Im Gegensatz zum Mutterschutz oder Krankheitsfall können Firmen dann jedoch den Jahresurlaub kürzen, und zwar um ein Zwölftel je vollem Kalendermonat der Elternzeit. Vom Recht zur Kürzung ist nicht nur der gesetzliche Mindesturlaub von vier Wochen, sondern auch der vertragliche Mehrurlaub erfasst. Es sei denn, die Vertragspartner haben dafür eine abweichende Regelung vereinbart. Um Konflikten vorzubeugen, sollten Arbeitgeber die Urlaubskürzung vor Beginn der Elternzeit aussprechen, und zwar schriftlich. Befinden sich Arbeitnehmer bereits in Elternzeit, sollten Firmen die Kürzung umgehend nachholen. Ansonsten könnte bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer die Kürzung unter Umständen nicht mehr während der Kündigungsfrist möglich sein. Das Unternehmen müsste dann den Urlaubsanspruch beim Ausscheiden des Mitarbeiters auszahlen.
/// Urlaubsansprüche Verstorbener
Bisher war strittig, wie Urlaubsansprüche Verstorbener zu handhaben sind. Das BAG hat nun entschieden, dass entsprechende Ansprüche eines Arbeitnehmers nicht mit seinem Tod verfallen (Az. 9 AZR 45/16). Die Erben haben damit ein Anrecht auf Auszahlung des nicht genommenen Jahresurlaubs. Doch damit nicht genug: Ihnen steht gegenüber dem Arbeitgeber ein direkter Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch zu. Firmen sollten Urlaubsvergütungen nur an die Erben gemäß Erbschein auszahlen. Unternehmen sollten immer darauf bestehen, dass ihnen die Erbberechtigten das Dokument im Original vorlegen.
– AUTORIN
Rebekka de Conno, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht
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