Die Ergebnisse der letzten Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) wurden im letzten Sommer präsentiert: Die Prävalenz für Karies und Parodontitis ist in fast allen Bevölkerungsgruppen rückläufig – Prävention funktioniert also! Dennoch haben immer noch rund 11 Millionen Deutsche eine Parodontitis, die also immer noch als eine ernstzunehmende Volkskrankheit bezeichnet werden muss! Mit ihr sind zahlreiche weitere Erkrankungen assoziiert – wie z. B. Diabetes, koronare Herzkrankheiten, Rheuma, Schwangerschaftskomplikationen, Atherosklerose oder auch Morbus Alzheimer. Ein guter Grund, unsere Bemühungen in der Praxis zu verstärken. Früherkennung, regelmäßige zahnärztliche Untersuchungen, eine risikoorientierte unterstützende Parodontaltherapie (UPT) und eine gute Motivation zur täglichen häuslichen Mundhygiene, können die Erkrankung jedoch stoppen bzw. unter Kontrolle bringen.
Heike Wilken
In der praktischen Umsetzung bedeutet dies, dass der angestrebte Langzeiterfolg nur auf der Grundlage eines individuellen und risikoorientierten Behandlungskonzeptes erzielt werden kann.
Nur auf dieser Basis kann der parodontal erkrankte Patient langfristig seine Zähne erhalten und einen Beitrag zum Schutz seiner Allgemeingesundheit leisten.
/// Fallbericht
Eine heute 48 Jahre alte Patientin wird seit dem 14.08.2014 bei uns in der Fachpraxis für Parodontologie betreut. Die Patientin wurde von ihrem langjährigen Hauszahnarzt (HZA) mit der Bitte um Weiterbehandlung überwiesen. In der HZA-Praxis wurden in Abständen von 4 Monaten regelmäßig professionelle Zahnreinigungen durchgeführt. Zum Überweisungszeitpunkt hatte die Patientin das Gefühl, ihre Situation verschlechtere sich.
/// Allgemeine Anamnese
In der Anamnese vom 14.08.2014 gab die Patientin an, dass sie keine Medikamente regelmäßig einnimmt. Allerdings raucht die Patientin 10 – 15 Zigaretten pro Tag.
/// Klinischer Ausgangsbefund
Am 14.08.2014 stellte sich die damals 45-jährige Patientin erstmals in unserer Praxis vor. Es wurde ein 01-Befund und ein Parodontalstatus mit folgenden Parametern erhoben:
- Sondierungstiefen (6 Stellen Pro Zahn)
- Gingivaverlauf (6 Stellen Pro Zahn)
- Beweglichkeit
- Furkation
- BOP/ Suppuration.
- Plaqueindex
14.08.2014 | Befundaufnahme |
10.09.2014 | 1. Motivationssitzung |
20.09.2014 | 2. Motivationssitzung |
22.09 + 23.09 2014 | Aktive Parodontitistherapie |
28.01.2015 | Reevaluation |
20.05.2015 | UPT: BOP+Plaque |
30.09.2015 | UPT: BOP +Plaque |
12.01.2016 | UPT: ST+BOP +Plaque |
09.05.2016 | UPT: BOP+Plaque |
17.09.2016 | UPT: BOP+Plaque |
16.01.2017 | UPT: BOP+ Plaque |
27.04.2017 | UPT : ST+BOP+Plaque |
07.09.2017 | UPT : BOP+Plaque |
Tabelle 1
/// Befund vom 14.08.2014 ( Abb. 1)
Konservierend versorgtes Kauorgan bei dysnather Verzahnung. Sagittale Frontzahnstufe von ca. 5 mm. Alle Achter fehlen. Die Zähne 32 und 42 fehlen mit Lückenschluss.
Sondierungstiefe im OK und UK 1-8 mm. Beim Sondieren entleert sich Pus aus den Taschen mit deutlich erhöhten Werten.
/// Diagnose: Agressive Parodontitis
Ausgehend von diesem Ausgangsbefund wurden zuerst zwei Motivationssitzungen durchgeführt. Die erste Sitzung dauerte 1,5 Stunden, die zweite, im Abstand von 10 Tagen, 60 Minuten. Zur Dokumentation und Unterstützung setzen wir das Computerprogramm „ParoStatus.de“ ein. Ein praxisorientiertes professionelles Hilfsmittel, mit dem wir in der Prophylaxesitzung standardisierte Abläufe gewährleisten. Alle erhobenen Befunde, anamnestische und klinische Parameter werden systematisch und übersichtlich erfasst und im Anschluss verglichen.
- Erste Motivationssitzung am 10.09.2014
Ablauf der Motivationssitzung: - Arbeitsplatzvorbereitung
- Mundspülung mit CHX 0,2 % vor der Behandlung.
- Anfärben der Zähne.
- Dokumentation API.
- Motivation
- Entfernung aller erreichbaren sub- und supragingivale Beläge.
- Glattflächenpolitur
- Auswahl der Zahnzwischenraumbürsten und Instruktion.
- Reinigung der Interdentalräume.
- Zungenreinigung
- Fluoridierung
- Besprechung und Demonstration der ausgesuchten Hilfsmittel
- Terminierung Weiterbehandlung, Dokumentation und Hygiene.
Nachdem in der ersten Sitzung am 14.08.2014 die Anamnese, der 01 Befund, der Parodontalstatus und der Röntgenstatus aufgenommen wurde, erfolgte am 10.09.2014, im Rahmen der ersten Motivationssitzung, das Aufklärungs- und Motivationsgespräch.
Im Anschluss wurden die Zähne angefärbt, um die Beläge sichtbar zu machen. Der API betrug in der ersten Sitzung 58%.
Bei der Motivation kommt es darauf an, dass der Patient von Beginn an mit einbezogen wird und Eigenverantwortung für den Behandlungserfolg übernimmt. Nur ein gut aufgeklärter und überzeugter Patient, der die Befunde und Konsequenzen versteht und akzeptiert, wird dauerhaft mitarbeiten.
Wir arbeiten gerne mit visuellen Hilfsmitteln, da wir die Erfahrung gemacht haben, dass die Patienten die Situation viel schneller verstehen. Die Software „Parostatus.de” bietet die Möglichkeit, dem Patienten seine Befunde und kleine Videosequenzen zur Erläuterung auf dem iPad zu zeigen, was sich für das Verständnis als sehr von Vorteil erwiesen hat.
Zum Abschluss der Behandlung bekommt jeder Patient einen individuell angefertigten Patientenausdruck, mit seinen Befunden, Risiken und Handlungsempfehlungen. Dieser Ausdruck kann als Pflegeanleitung genutzt werden, alle relevanten Hilfsmittel sind darauf abgebildet. Mit einer bestimmten Falttechnik kann der Ausdruck so im Bad, im Sichtbereich, platziert werden, dass der Patient regemäßig an seine Mundhygiene und seine Verantwortung erinnert wird. Empfehlungen und Vorschläge werden so transparent und nachvollziehbar.
Zum Ende der Sitzung wird vom Programm anhand der aufgenommenen Parameter das individuelle Recall-Intervall berechnet und vorgeschlagen.
- Zweite Motivationssitzung am 20.09.2014
Bereits in der zweiten Sitzung am 20.09.14 konnte aufgrund der guten Mitarbeit der Patientin eine Absenkung des API unter 25 % dokumentiert werden.
- Aktive Therapie am 22. und 23.09.2014
Am 22. und 23.09.2014 wurde die Aktive Therapie inkl. Deep Scaling und Root Planing durchgeführt. Die Patientin bekam im Anschluss eine Antibiose. Es wurde der van Winkelhoff Cocktail eingesetzt. Eine Woche später fand eine Nachkontrolle statt. Die Patientin hatte das Antibiotikum eingenommen und gut vertragen
- Reevaluation am 28.01.2015
Im Rahmen der Reevaluation am 28.01.2015 wurden alle Parameter nochmal erhoben und neu bewertet. Die Sondierungstiefe hatte sich in allen Bereichen deutlich reduziert. Die wurde in ein engmaschiges Recall von 4 Monaten eingebunden. (Abb. 2 und Abb.3)
Die Patientin kommt seit dem sehr zuverlässig zur UPT (siehe Tabelle 6) und arbeitet sehr gut mit. Sie hat ihr Rauchverhalten im Juni 2015 auf 3 -4 Zigaretten pro Tag reduziert. Alle Zähne haben eine gute Prognose und können, bei einem regelmäßigen Recall, langfristig erhalten werden.
– FAZIT
Der bestmögliche und angestrebte Langzeiterfolg kann nur auf der Grundlage eines individuellen und umfassenden Behandlungskonzeptes erzielt werden. Eine gute UPT ist nur mit optimaler Zusammenarbeit von Praxis und Patient zu erzielen: Nur ein motivierter und informierter Patient, der seine Recall-Termine zuverlässig wahrnimmt, wird langfristig profitieren. (Abb. 4 und 5)
– AUTORIN
Heike Wilken
– KONTAKT
Sylvia Fresmann
Deutsche Gesellschaft für Dentalhygienikerinnen e.V.
Fasanenweg 14
48249 Dülmen
E-Mail: Fresmann@dgdh.de
Internet: www.dgdh.de