Die zunehmenden Engpässe an Fachkräften in vielen Branchen, Berufen und Regionen setzen viele Unternehmen unter Druck. Dies macht sich auch bei den Zahnarztpraxen bemerkbar. Denn: Während die Zahnärzteschaft immer älter wird, sinkt die Zahl an potenziellen Kandidaten für eine Praxisnachfolge. Um in diesem Käufermarkt den richtigen Nachfolger zu finden, bedarf es frühzeitiger Vorbereitung.
Elena Fritsch, Christian Erbacher, LL.M.
/// Der frühe Vogel…
Wer den Verkauf bzw. die Übergabe seiner Praxis (steuer)rechtlich bestmöglich gestalten will, sollte sich bereits frühzeitig damit auseinandersetzen und vorbereitende Maßnahmen einleiten. Erfahrungsgemäß sollten Praxisinhaber insgesamt ca. 10 Jahre für die Abwicklung und Nachfolgesuche einplanen. Insbesondere bei Praxisimmobilien im Betriebsvermögen sollten die steuerlichen Gesichtspunkte des Verkaufs durchdacht werden.
/// Die Praxisimmobilie als Steuerfalle
Befindet sich die Praxisimmobilie im Betriebsvermögen, führt der Verkauf der Praxis ohne die Immobilie zu einem steuerverstricktem Vorgang. Die Entnahme der Immobilie aus dem Betriebs- in das eigene Privatvermögen muss dann in Höhe der Wertsteigerung versteuert werden – obwohl durch die Überführung der Immobilie in das Privatvermögen kein tatsächlicher Geldfluss stattfindet. Als steuerliche Gestaltungsmöglichkeit kommt hier beispielsweise die Auslagerung der Immobilie in eine eigene Gesellschaft in Betracht.
/// Schritt 1: Den Käuferkreis ermitteln + Patientendaten erfassen
Für einen erfolgreichen Verkauf sollte sich zunächst ein Überblick über den möglichen Käuferkreis geschaffen werden. Das klassische Konstrukt ist hier der Verkauf an einen Praxisnachfolger. Alternativ sind allerdings auch ein Teilverkauf, die frühzeitige Aufnahme eines Junior-Partners oder der Verkauf an ein MVZ denkbar. Auch Nachfolgeregelungen innerhalb der Familie können steuerrechtlich unterschiedlich gestaltet werden.
Darüber hinaus sollten Rahmendaten über den Umfang des Verkaufs gesammelt werden. Insbesondere Patientendaten spielen für die Käuferseite eine wichtige Rolle. Zur Vorbereitung sollten Sie sich unter anderem folgende Fragen stellen:
Wie viele Patienten habe ich? Wie ist der Altersdurchschnitt meiner Patienten? Wie hoch ist der Durchschnittsumsatz pro Patient? Ist dieser Umsatz auch in Zukunft realistisch?
/// Schritt 2: Arbeitsverträge überprüfen
Sorgfältig ausgearbeitete Arbeitsverträge steigern den Wert der Praxis – optimierungsbedürftige Verträge senken ihn. Und das ist der Grund:
Durch den Verkauf bzw. die Übergabe der Praxis an einen neuen Inhaber liegt zivilrechtlich ein Betriebsübergang vor. Alle Arbeitsverträge gehen zum Zeitpunkt des Übergangs 1:1 auf den Praxiskäufer über. Gesetzlich tritt dieser in die Rechte und Pflichten der bestehenden Arbeitsverhältnisse seines Vorgängers ein. Eine Kündigung von Praxispersonal wegen der Praxisübergabe ist damit sowohl auf Seiten des Praxiskäufers als auch auf Seiten des -Verkäufers rechtlich ausgeschlossen.
Da die Überprüfung und Überarbeitung von Arbeitsverträgen viel Zeit in Anspruch nehmen kann, lässt sich auch hier zu frühzeitigen Maßnahmen raten. Spätestens zum Zeitpunkt von ersten Übernahmegesprächen mit dem potenziellen Käufer sollten alle bestehenden Arbeitsverträge rechts- und zukunftssicher gestaltet sein.
/// Schritt 3: Investitionen im Blick halten
Obwohl Investitionen und Praxisabgabe auf den ersten Blick nicht zusammenpassen, stehen Sie doch im Wettbewerb um die Praxisnachfolger in engem Kontext. Deshalb ist es wichtig, den Zustand der Praxis auch in den letzten Jahren vor dem Ruhestand weiterhin zu pflegen und optimieren. Umfangreiche, aber erforderliche Investitionen, die der potenziellen Käufer zu erwarten hat, könnten diesen von einem Kauf abhalten.
/// Schritt 4: Mietvertrag prüfen
Auch bei gemieteten Praxisräumlichkeiten gilt es Besonderheiten zu beachten. Denn der Mietvertrag muss auf Seiten des Vermieters nicht automatisch an den Käufer weitergegeben werden. In manchen Fällen findet sich zur Praxisübergabe eine gesonderte Klausel im Mietvertrag, die die Übertragung auf den Praxiskäufer möglich macht. Auch die Laufzeit des Mietvertrags sollte beachtet werden.
Darüber hinaus sollten spezielle Vereinbarungen, wie z.B. eine Rückbauverpflichtung im Hinblick auf die Beendigung des eigenen Mietverhältnisses berücksichtigt werden.
Der Mietvertrag sollte im Hinblick auf die Praxisabgabe frühestmöglich geprüft werden, damit die Praxisabgabeverhandlungen zum Schluss nicht unnötig in die Länge gezogen werden.
/// (H)ELP TIPP: Steuern sparen mit Veräußerungsfreibetrag und halbem Steuersatz
Steuerrechtlich steht dem Praxisinhaber beim Verkauf seiner Praxis ein Veräußerungsfreibetrag zu. Anspruch auf den Freibetrag haben Praxisinhaber, die zum Zeitpunkt des Verkaufs das 55. Lebensjahr bereits vollendet haben, die Praxis als Gesamtheit verkaufen und Ihre freiberufliche ärztliche Tätigkeit im Zusammenhang mit der Praxis einstellen. Der Freibetrag steht jedem Steuerpflichtigen einmal im Leben zu und beträgt max. 45.000 EUR. Übersteigt der Veräußerungsgewinn eine Grenze von 136.000 EUR, wird der Freibetrag um den übersteigenden Anteil gekürzt. Diese Grenzen sind bei den Verkaufsverhandlungen dringend zu beachten.
Veräußerungsgewinne zählen außerdem steuerrechtlich zu den außerordentlichen Einkünften, die mit einem ermäßigten Steuersatz zu versteuern sind. Es handelt sich dabei um eine Tarifvergünstigung, sodass die „zusammengeballte“ Realisierung stiller Reserven nicht durch den progressiven Steuersatz versteuert werden müssen.
– AUTOR
Christian Erbacher, LL.M.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
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– AUTORIN
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