Praxismietverträge werden in ihrer Bedeutung oft unterschätzt

Der Standort der Praxis ist für die Bindung der Patienten von immenser Bedeutung. Daher stellen die angemieteten Praxisräumlichkeiten einen wichtigen Faktor bei der Bestimmung des ideellen Wertes der Praxis dar. Die Konditionen des Mietvertrages sind deshalb für jeden Praxisinhaber sowohl während der eigenen Praxistätigkeit als auch im Falle eines Praxisverkaufs entscheidend. Dennoch zeigt die Erfahrung, dass Mietverträge häufig nahezu ungelesen unterschrieben werden.

Anna Stenger

 

Oft wägen Praxisinhaber vor dem Kauf eines medizinisch-technischen Gerätes für einen niedrigen vierstelligen Betrag lange den Nutzen des Gerätes ab, holen Vergleichsangebote ein, u. ä.. Doch bei der Bindung an einen Mietvertrag von 10 Jahren und mehr geht es schnell um höhere sechsstellige Beträge, so dass Praxisinhaber hier mindestens die gleiche Sorgfalt an den Tag legen sollten, bevor sie sich langfristig binden.

 

Nachteilige Klauseln in Mietverträgen können für den Praxisinhaber eine erhebliche Risikoquelle darstellen, zumal im gewerblichen Mietrecht nicht die gleichen Schutzrechte zugunsten von Mietern greifen wie bei der Miete von Wohnraum. Viele der aus der Wohnraummiete bekannten Rechte gelten bei gewerblichen Mietverträgen von vornherein nicht oder können vertraglich ausgeschlossen werden. Daher sind bei Praxismietverträgen viele Klauseln Verhandlungssache. Aus diesem Grund sollten Praxisinhaber wissen, worauf es für Sie beim Abschluss von Mietverträgen ankommt.

 

Muss der Praxisinhaber nach Ablauf der Festlaufzeit des Mietvertrages aktiv werden, um weiter in den Räumlichkeiten zu bleiben? Kann ein neuer Praxispartner in den Mietvertrag mit aufgenommen werden? Was ist für den Fall vorgesehen, dass der Praxisinhaber verstirbt oder berufsunfähig wird? Sind im Mietvertrag automatische Mieterhöhungen vorgesehen? Kann im Falle der Nachfolge ein Käufer den Mietvertrag ohne weiteres übernehmen? Muss der Praxisinhaber Kosten für Reparaturen an der Mietsache tragen? Hat der Praxisinhaber eine Handhabe dagegen, dass der Vermieter im gleichen Haus Räumlichkeiten an einen Konkurrenten vermietet? Finden die berufsrechtlichen Besonderheiten im Mietvertrag Berücksichtigung?

 

Dies sind nur ein Bruchteil der Fragen, die sich Praxisinhaber vor dem Abschluss eines Mietvertrages stellen sollten. Dabei sollten sie nicht vergessen, dass Vermieter von Gewerbeimmobilien in aller Regel anwaltlich beraten sind. Daher ist es nur natürlich, dass der Mietvertrag Regelungen enthält, die vor allem für die Vermieterseite günstig sind. Deswegen sollten vom Vermieter vorgelegte Mietverträge grundsätzlich vor der Unterzeichnung geprüft werden. Solche Verträge ungeprüft oder gar ungelesen zu unterschreiben stellt ein großes Risiko dar. Aus diesem Grund sollten sich Praxisinhaber für die Prüfung Zeit nehmen und sich nicht von der Vermieterseite zu einer vorschnellen Unterzeichnung drängen lassen. Ist der Mietvertrag erst einmal unterschrieben, sind Änderungen nicht mehr durchsetzbar. Da hilft in aller Regel auch kein noch so gutes Verhältnis zum Vermieter.

 

Dabei sollten Praxisinhaber bedenken, dass Sie, sobald die Praxis an einem Standort etabliert ist, faktisch darauf angewiesen sind, die Praxis an diesem Standort fortzuführen. Eine Verlegung des Praxissitzes ist neben dem bürokratischen Aufwand einer Sitzverlegung auch immer eine finanzielle Belastung. Dies betrifft zum einen den Rückbau der alten und den Ausbau der neuen Räumlichkeiten sowie den Umsatzausfall für die Zeit des Umzugs. Zum anderen geht ein Praxisumzug in aller Regel auch mit einem Verlust von Patienten einher.

 

Letztlich hängen auch vom Mietvertrag der Wert und die Attraktivität der Praxis für einen Nachfolger ab. Wer eine Praxis übernimmt, legt zu Recht großen Wert darauf, die Praxis in den bestehenden Räumlichkeiten fortführen zu können. Ist dies nicht oder nicht zu gleichen Konditionen möglich, verringert das den ideellen Wert der Praxis, wenn nicht sogar viele potentielle Nachfolger von einem Kauf der Praxis absehen werden.

 

/// FAZIT

Praxisinhaber sollten daher sicherstellen, dass im Mietvertrag vom Einzug bis zur Nachfolge ihre Interessen angemessen Berücksichtigung finden. Gerade bei Umbaumaßnehmen vor dem Bezug der Räumlichkeiten sind Praxisinhaber häufig auf die Genehmigung und Mitwirkung des Vermieters angewiesen. Stellt sich der Vermieter quer und fehlen eindeutige Regelungen im Mietvertrag, leidet das Verhältnis schon vor dem Einzug. Sind beispielsweise automatische Mieterhöhungen vorgesehen oder lauern an anderer Stelle Kosten, kann dies gegenüber der ursprünglich kalkulierten Miete eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung zur Folge haben. Spätestens ein Nachfolger wird sich die mietvertraglichen Regelungen genau ansehen. Deswegen empfiehlt es sich Mietverträge vor der Unterzeichnung von einem Fachanwalt für Medizinrecht überprüfen zu lassen.

 


– AUTOR

Anna Stenger, LL.M.

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht