Prophylaxebehandlung oder Unterstützende Parodontaltherapie?

Unterschiede und Gemeinsamkeiten, neue Herausforderungen

 

Wie nennen wir eigentlich unsere Termine in der Dentalhygieneabteilung? Ist alles PZR? Oder eine Prophylaxebehandlung?

Was machen wir in der UPT anders? Aber der Reihe nach …

Nicole Böhm, Sylvia Fresmann

 

/// Prophylaxe ist nicht gleich parodontale Nachsorge

„Zahnreinigungen“ werden in den Zahnarztpraxen häufig sehr unterschiedlich durchgeführt und organisiert. Die Preise differieren sehr stark, von kostenlos bis über 200 € reicht hier die Spanne. Entsprechend unterschiedlich ist auch die Erwartungshaltung der Patienten, wobei sehr häufig auch Verunsicherungen beim Praxisteam festzustellen sind, wenn es um die Frage der „Angemessenheit“ und Realisierung der Kosten geht.

 

Schaut man genauer hin, stellt man sehr schnell fest, dass Behandlungsdauer, einzelne Behandlungsschritte, verwendete Materialien und die Qualifikation der Behandlerinnen von Praxis zu Praxis stark differieren. Aber was braucht unser Patient überhaupt – Prophylaxe, PZR oder UPT? Schaut man in manchen Terminkalender so sieht man häufig den ganzen Tag nur mit „PZR-Patienten“ oder „Prophylaxe-Patienten“ belegt – aber stimmt das auch? Keine parodontale Nachsorge in Form von einer UPT? Nein, es kann bei der Verteilung der Parodontitis in der Bevölkerung nicht sein, dass einzelne Praxen nur „Prophylaxepatienten“ haben, bei denen eine PZR gemacht wird …Vielmehr wird alles, was mit Zahnreinigung zu tun hat, als „Prophylaxebehandlung“, „Mundhygienesitzung“ oder „PZR“ bezeichnet…der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

 

Eine wichtige und sinnvolle Unterscheidung sollte dochdie Frage sein – ist der Patient Mundgesund oder ist er krank? Hat er möglicherweise eine behandelte Parodontitis?

Dabei ist festzuhalten, dass eine „PZR“ Bestandteil einer jeden Sitzung ist …

 

Sucht man nach Abgrenzungskriterien,ist die einzig sinnvolle Orientierung, die vorhandene Erkrankung bzw. das Erkrankungsrisiko des Patienten. Auf der Grundlage der erhobenen Befunde, Indices und Anamnese einschließlich aller Risikofaktoren kann der konkrete Behandlungsbedarf geplant werden.

 

 

  1. Für gesunde bzw. Gingivitis/Karies- Patienten: Hier führen wireine Prophylaxebehandlung oder Mundhygienebehandlung incl. PZR (gerne auch andere Namen)in risikoorientierter Recallfrequenz durch.Mit den parodontalen Befunden/Indices und der Anamnese beginnt jede Sitzung, gereinigt werden alle supragingivalen/gingivalen Oberflächen mit anschließender Politur. Hinweise und Empfehlungen zur häuslichen Mundhygien runden die Sitzung ab.

 

 

Ablauf einer Prophylaxebehandlung (Dauer ca. 60 Minuten incl. PZR)

  • Einführungsgespräch/Erwartungshaltung und Anamnese des Patienten
  • CHX-Spülung (0,2%)
  • Kakaobutter (mehrfach auf die Lippen in der Sitzung auftragen)
  • Inspektion der Mundhöhle

Befunde /Indices (gesunder oder Gingivitis Patient, Neupatient) – erw. PSI (erw. PSI incl. API und BOP), ggf. Erosionen dokumentieren.

  • Risikobestimmung des Patienten
  • Intraorale Kamera
  • Reinigen / Ultraschall, Handinstrumente
  • Pulver-Wasserstrahl-Behandlung
  • Politur mit weichem Politurkelch (selektiv mit unterschiedlicher Paste oder selbstreduzierender Paste)
  • Zwischenraumreinigung (Streifen, Zahnseide, Interdentalbürste)
  • Zungenreinigung
  • Ausmessen der Zwischenräume und Eintragung in den ParoStatus
  • MH-Beratung, Demonstration und praktische Übung der empfohlenen Hilfsmittel
  • Fluoridierung
  • Abschlussfoto
  • Serviceleistung Heißes Tuch
  • Beratung und Recallplanung (3, 4 oder 6 Monate Recallfrequenz) mit ParoStatus.de
  • Patientenausdruck erklären oder Aktualisierung der Prophylaxe-App des Patienten auf Smartphone
  • Terminvereinbarung

Hin und wieder werden auchzwei aufeinanderfolgende Sitzungen im Abstand von 2 -3 Wochen durchgeführt, um zu beurteilen, ob Entzündungsanzeichen rückläufig sind und der Patient die veränderten Mundhygieneempfehlungen umsetzt und etabliert hat. Im positiven Fall wird er dann in ein risikoorientiertes Recallintervall aufgenommen. Sollten die Entzündungsanzeichen und weitere Befunde immer noch vorhanden sein, wird eine systematische PAR-Therapie begonnen.

 

 

  1. Für Patienten mit unbehandelter Parodontitis: Hier führen wir eine „parodontale Vorbehandlung“ oder „Initiale Therapie“ durch. Auch bei dieser Patientengruppe sindparodontale Befunde, Indices zu erheben und einschließlich einer korrekten Anamnese zu dokumentieren. Die Reinigung der Zähne (supragingival/gingival) mit anschließenderPolitur gehört zu den Standardmaßnahmen. Ziel ist die Wiederherstellung der Mundhygienefähigkeit. Hinweise und Empfehlungen zur veränderten häuslichen Mundhygiene prägen diese Sitzungen.

 

 

 

Ablauf Initialtherapie 1 (ca. 60 Minuten incl. PZR)

 

  • Einführungsgespräch und Anamnese des Patienten
  • CHX-Spülung (0,2%)
  • Kakaobutter (mehrfach auf die Lippen in der Sitzung auftragen)
  • Inspektion der Mundhöhle

Befunde/Indices – erw. PSI, BOP, API

  • Intraorale Kamera
  • Reinigen / Ultraschall, Handinstrumente
  • Pulver-Wasserstrahl-Behandlung
  • Politur mit weichem Politurkelch (selektiv mit unterschiedlicher Paste oder selbstreduzierender Paste)
  • Zwischenraumreinigung (Streifen, Zahnseide, Interdentalbürste)
  • Zungenreinigung
  • Ausmessen der Zwischenräume und Eintragung in den ParoStatus
  • MH-Beratung, Demonstration und Übung
  • Fluoridierung
  • Abschlussfoto
  • Serviceleistung Heißes Tuch
  • Beratung, ggf. Patientenausdruck oder Aktualisierung der Prophylaxe-App des Patienten

 

 

Ablauf Initialtherapie 2 (ca. 60 Minuten incl. PZR)

 

  • Einführungsgespräch über Veränderungen, neue Gewohnheiten etabliert?
  • CHX-Spülung (0,2%)
  • Kakaobutter (mehrfach auf die Lippen in der Sitzung auftragen)
  • Inspektion der Mundhöhle

Röntgenaufnahmen und Vitalitätsprüfung nach Anweisung des Zahnarztes (wenn nicht schon aus der O1-Sitzung vorhanden)

Befunde und Indices: 6 Messpunkte TT/GV, Attachmentverlust, BOP, API, Furkationsbeteiligung, Lockerung der Zähne, sowie Raucheranamnese, spezielle und allgemeine Anamnese, Knochen-Abbau/Alter

Dokumentation in den ParoStatus und Übertragung in die Verwaltungssoftware zur möglichen Beantragung bei der Krankenkasse.

  • Einstufung in die neue Klassifikation (Diagnosestellung obliegt dem hinzugezogenen Zahnarzt)
  • Reinigen / Ultraschall, Handinstrumente
  • Pulver-Wasserstrahl-Behandlung
  • Politur mit weichem Politurkelch (selektiv mit unterschiedlicher Paste oder selbstreduzierender Paste)
  • Zwischenraumreinigung (Streifen, Zahnseide, Interdentalbürste)
  • Zungenreinigung
  • Ausmessen der Zwischenräume und Eintragung in den ParoStatus
  • MH-Beratung, Demonstration und Übung
  • Fluoridierung
  • Abschlussfoto
  • Serviceleistung Heißes Tuch
  • Bei Änderungen der Hilfsmittel neuer Patientenausdruck oder Aktualisierung der Prophylaxe-App
  • Terminvereinbarung PAR-Termine

 

Nach einer erfolgreichen Parodontitistherapie und einer Reevalution nach ca. 6 Wochen erfolgt die Unterstützende Parodontitistherapie.Ein langfristiger Erfolg ist nur möglich, wenn der Patient kontinuierlich nachbetreut wird.

 

  1. Für Patienten mit behandelter Parodontitis – Unter der Fragestellung „gesund oder erfolgreich behandelt“ führen wireine „parodontale Nachsorge“ oder eine „UPT“ Inhaltlich beginnt auch sie mit einer Anamnese, Erhebung parodontaler Befunde/Indices (6-Punkt-Messung CAL, BOP, Plaqueindex und weiterer relevanter PA-Befunde. Dies sollte mindestens 1 x pro Jahr erfolgen.– bei jeder Sitzung ist IMMER BOP und Plaqueindex zu erheben. Bei dieser Patientengruppe wird allerdings nicht nur supragingival gereinigt, sondern auch alle Taschen mit 4 mm ST und BOP positiv dies gilt für alle Taschen ab 5 mm grundsätzlich.

 

Ablauf einer UPT (ca. 60 Minuten incl. PZR):

 

  • Einführungsgespräch und Anamnese des Patienten
  • CHX-Spülung (0,2%)
  • Kakaobutter (mehrfach auf die Lippen in der Sitzung auftragen)
  • Inspektion der Mundhöhle

Befunde und Indices: 6 Messpunkte TT/GV, Attachmentverlust, BOP, API), sowie Raucheranamnese, Knochen-Abbau/Alter, ggf. Erosionen, ggf. Wurzelkaries   – einmal pro Jahr.

Befunde und Indices bei UPT im 3, 4 oder 6 Monatsrecall – BOP, API

  • Risikobestimmung und Einstufung in die neue Klassifikation mit ParoStatus
  • Intraorale Kamera
  • Reinigen / Ultraschall, Handinstrumente (ggf. wenn notwendig auch subgingival)
  • Pulver-Wasserstrahl-Behandlung (bei UPT ggf. subgingival mit geeignetem Gerät)
  • Politur mit weichem Politurkelch (selektiv mit unterschiedlicher Paste oder selbstreduzierender Paste)
  • Zwischenraumreinigung (Streifen, Zahnseide, Interdentalbürste)
  • Zungenreinigung
  • Ausmessen der Zwischenräume und Eintragung in den ParoStatus
  • MH-Beratung, ggf. Demonstration und Übung
  • Fluoridierung
  • Abschlussfoto
  • Serviceleistung Heißes Tuch
  • Beratung und Recallplanung mit ParoStatus.de
  • Terminvereinbarung je nach Risiko nach 3, 4 oder Monaten

 

Es bestehen also Unterschiede bei den Sitzungen …eine „PZR“ ist in allen Sitzungen enthalten. Bedarfsorientiert werden teilweise Stellen des Zahnes intensiver gereinigt, z.B. subgingival, wenn eine vertiefte Zahnfleischtasche mit erhöhter Blutungsneigung vorhanden ist.

 

Durch die unterschiedliche Bezeichnung der Sitzungstypen kann dem Patienten die Wichtigkeit der medizinischen Maßnahmen, der parodontalen Vorbehandlung oder auch der parodontalen Nachsorge (UPT) nähergebracht werden.

Seien Sie kreativ –machen Sie auch durch die verschiedenen Bezeichnungen der Sitzung klar, dass es sich um eine notwendige Leistung handelt, die in medizinisch notwendiger Frequenz durchgeführt werden muss.

 

/// Risikomanagement – wie oft sollte die UPT oder Prophylaxebehandlung gemacht werden?

Je nach individuellem Risiko kann der Patient einer von drei Risikogruppen zugeordnet werden. Eine farbliche Darstellung der Gruppen (Ampelfunktion) kann der zusätzlichen optischen Orientierung dienen. Die Skalierung der Parameter erfolgt dabei in den Stufen „niedriges“ (grün) / „mittleres“ (gelb) und „hohes“ Risiko (rot). Hieraus lassen sich Empfehlungen für individuelle Recallfrequenzen und Therapiemaßnahmen ableiten.

 

  • niedriges Risiko UPT/Prophylaxe 1   x Jahr
  • mittleres Risiko UPT/Prophylaxe   2    x Jahr
  • hohes Risiko UPT/Prophylaxe  3-4  x Jahr

 

In einem jährlichen Intervall sollte eine erneute Risikoeinstufung (Evaluation) durchgeführt werden; so können Behandlungserfolg und Krankheitsverlauf stets neu beurteilt werden. Auf  Grundlage dieser regelmäßigen  – positiven oder negativen – Risikoeinstufung können weitere Behandlungsschritte, Maßnahmen zur Verbesserung der Patientencompliance sowie Recallabstände individuell angepasst werden. Damit entspricht dieses stetig angepasste und dynamische System den Erfordernissen und Anforderungen eines patientenorientierten Risikomanagementsin der unterstützenden Parodontitistherapie. In den meisten Patientenfällen und bei individuell abgestimmter und konsequenter Durchführung der UPT, können die parodontalen Verhältnisse langfristig stabilisiert und der Patientenmund entzündungsfrei gesund gehalten werden.

 

In diesem Zusammenhang kommen neue Herausforderungen auf das zahnärztliche Team zu, die sich teilweise aus der neuen Klassifikation parodontaler Erkrankungen und periimplantärer Zuständeergeben. Die jährliche Einstufung der Patienten in die neue Klassifikation, die sich daraus ergebenden detaillierteren Behandlungsempfehlungen auf der Grundlage verfeinerter Erhebungsroutinen, erfordern die Überprüfung organisatorischer Abläufe und Behandlungskonzepte.

Die Integration eines aktuellen und professionellen Konzepts in die Praxis, stellt einerseits zwar Anforderungen an das gesamte Team, bietet anderseits aber auch interessante wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten und Spezialisierungspotenziale.

 

Die Fortbildungsinstitute der Zahnärztekammernund auch private Institute bieten hier sehr gute theoretische und praktische Unterstützung in Form von Kursen oder weiterführenden Seminaren zu allen wichtigen Themen an. Viele Praxen haben jedoch Schwierigkeiten bei der Umsetzung im Praxisalltag.

 

/// Fazit

Ziel muss es im Sinne unserer Patienten sein, eine bestmögliche und qualitätsorientierte „Prophylaxebehandlung“ oder „UPT“ anzubieten und dadurch die Chance auf lebenslangen Erhalt der eigenen Zähne zu ermöglichen.

 

 

– AUTORINNEN

Nicole Böhm
Sylvia Fresmann

 

– KONTAKT

Deutsche Gesellschaft für Dentalhygienikerinnen e.V.
Fasanenweg 14
48249 Dülmen

E-Mail: fresmann@dgdh.de
Internet: www.dgdh.de