Qualitätsmanagement setzt Gewinnpotentiale frei

Nutzen für die Praxis! An Qualitätsmanagement (QM) führt in Praxen und medizinischen Einrichtungen Dank umfassender gesetzlicher Vorgaben kein Weg mehr vorbei. Doch muss QM ein bürokratischer und oftmals theoretischer Aufwand ohne Praxisnutzen sein? Qualitätsmanagement muss genutzt werden, um Ressourcen effizient einzusetzen und verdeckte Effizienz- und Gewinnpotentiale freizusetzen.

Mag. (FH) Simone Uecker

 

Nach Vorgabe des § 135a Abs. 2 Nr. 2 ff SGB V und den Anforderungen aus dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über eine Qualitätsmanagement Richtlinie (QM-RL) vom 15. September 2016 sind Vertrags(zahn)ärzte, Vertragspsychotherapeuten, medizinische Versorgungszentren und zugelassene Krankenhäuser zum einrichtungsinternen Qualitätsmanagement verpflichtet. Die QM-RL definiert das Ziel des Qualitätsmanagements in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der Patientenversorgung. Zwar greift die gesetzliche Regelung den Begriff der Prozessoptimierung als QM Element auf, jedoch mit dem Fokus auf Patientenorientierung – die allgemeine betriebswirtschaftliche Bedeutung der Prozessoptimierung wird weitgehend außer Acht gelassen. Mit diesem Fokus wird QM jedoch vielfach zur bürokratischen Last für Praxen und Personal – Standard-Prozesse werden mit hohem finanziellem und personellem Aufwand kopiert und mit dem Praxis-Logo versehen, Papierberge werden produziert, um den gesetzlichen Vorgaben Rechnung zu tragen, gemäß dem Motto „QM – haben wir!“ bis die nächste Gesetzesänderung zum Handeln zwingt.

/// Mit Mut zu „echtem“ QM Kapazitäten freisetzen

Wenn Praxen den Mut haben von der eindimensionalen Sichtweise des Gesetzgebers abzuweichen, bietet das Qualitätsmanagement wesentliche wirtschaftliche Potentiale für die Praxis. Qualitätsmanagement durch Prozessstandardisierung und -optimierung erlaubt es, die Effizienz und die Effektivität bestehender Geschäftsprozesse sowie den Einsatz der hierfür benötigten Ressourcen kontinuierlich zu verbessern1. Es entstehen freie Kapazitäten, indem neue Mitarbeiter schneller in Praxisabläufe eingearbeitet werden, die Aufgaben und Erwartungen an bestehende Mitarbeiter klar definiert werden, die interne und externe Koordination (z.B. Praxis und Labor) vereinfacht wird und Schwachstellen in der Praxis-Organisation (z.B. fehlendes Material durch falsches Bestellwesen) eliminiert werden. Die bestehende Personalkapazität in der Praxis bestmöglich zu nutzen muss insbesondere unter Betracht des aktuell knappen Angebots an medizinischen Fachkräften ein klares Ziel jedes Praxis-Inhabers sein. Eine effizient organisierte Praxis stellt in der Konsequenz auch die optimale Patientenversorgung in allen Qualitätsaspekten sicher, denn das ist ohnehin das übergeordnete Ziel jeder medizinischen Einrichtung und jeder Praxis.

/// Schnelle Erfolge durch Fokus auf individuelle Potentiale

Doch welcher Umfang des QM ist erforderlich, um die wirtschaftlichen Potentiale zu erschließen? Grundsätzlich bleibt die gesetzliche Vorgabe der Mindestumfang. Ein „Standardprogramm“ für den richtigen QM Umfang gibt es jedoch nicht, der Ansatz muss individuell für die Praxis festgelegt werden. Eine sinnvolle Erweiterung sind all jene Prozesse und Bereiche, die von der Praxis-Führung als problembehaftet eingestuft werden („Kopfweh-Prozesse“). In weitere Folge sollten auch Prozesse, bei denen häufig Unklarheiten innerhalb des Praxis-Teams aufkommen oder Bereiche mit häufigen Rückfragen durch die Patienten untersucht werden, um verdeckte Effizienzpotentiale zu nutzen. So werden bereits mit wenigen ersten Optimierungsschritten kurzfristige Erfolge erzielt.

Versteckte Potentiale finden sich in vielfältigen Bereichen einer Praxis. Wenn zum Beispiel das Materialmanagement und Bestellwesen krankt, kommt es zu Fehlbeständen in wesentlichen Behandlungsmaterialien oder zu ineffizienten Bestell-Zyklen von Kleinstmengen zu ungünstigen Preis- und Versand-Konditionen. Mangelnde Disziplin im Recall lässt der Praxis Umsatz entgehen und zusätzliche finanzielle Ressourcen müssen in Marketing investiert werden, um die Lücken im Terminkalender zu schließen. Solides Kapazitätsmanagement im Eigenlabor sorgt dafür, dass geplante Arbeiten zeitgerecht fertiggestellt werden und so den Patienten optimaler Service und bestmögliche Qualität geboten werden. Eine ungenaue Patientenaufklärung verursacht häufig Rückfragen, die in der Regel persönlich oder telefonisch von Verwaltungsmitarbeitern geklärt werden müssen – ein Zeit- und Kommunikationsaufwand, der durch optimierte Aufklärung leicht vermieden werden kann. Mit wenig Aufwand wird damit die Patientenzufriedenheit erhöht und zugleich werden schwer zu findende Verwaltungsressourcen freigesetzt. Die „Kopfweh-Prozesse“ der eigenen Praxis liefern sicherlich noch viele weitere Beispiele und Optimierungspotentiale.

/// Professionelle Prozessoptimierung spart Nerven, schafft Klarheit und Effizienz

Ein solches, um Prozessoptimierung erweitertes, QM dient dem Unternehmen Praxis und ist daher Aufgabe der Unternehmensführung. Die Umsetzung sollte in die Hände von Experten gegeben werden und erfordert eine solide Balance aus Wissen um die gesetzlichen Anforderungen an die Praxisabläufe (Hygiene, Patientenaufklärung, Datenschutz etc.), Verständnis für die praktische Umsetzbarkeit und kreativem Aus-der-Box-Denken in Kombination mit Erfahrung in der Prozessoptimierung. Diese Expertise sollte kritisch hinterfragt werden, im Vergleich zur klassischen Einführung des gesetzlich-geforderten Qualitätsmanagement. Bestehende Abläufe neu zu denken fällt dem Praxis-Team oft schwer, da es mit den Abläufen und Aufgaben täglich konfrontiert ist und im bestehenden Prozess oft „gefangen“ ist. Hier kann ein Außenstehender wirkungsvolle Lösungsvorschläge erarbeiten, Best Practices aus anderen Praxen einbringen und praktikable Prozesse mit dem Praxis-Team definieren.

Die Umsetzung kann und soll gemäß dem Prinzip „Ein Schritt nach dem anderen“ erfolgen. Idee der Prozessoptimierung ist nicht, alle bestehenden Abläufe über den Haufen zu werfen und so Ineffizienz und Unsicherheit im Praxis-Team zu verbreiten. Prozesse optimieren heißt Klarheit schaffen, nicht Chaos anrichten. Sind die wesentlichen Prozesse strukturiert und optimiert, bilden diese Basis für kontinuierliche Aktualisierung. Hierbei werden neue Technologien oder Behandlungsformen genauso betrachtet wie externe Angebote, um Prozesse auszulagern, die Praxis als Innovationsführer zu positionieren oder Zielsetzungen der Praxis einzuarbeiten.

/// Fazit

In Zeiten des Mangels an medizinischen Fachkräften und stetigem Kostendruck auf Praxen kann es sich die moderne Praxisführung nicht leisten, Effizienz- und Gewinnpotentiale ungenutzt zu lassen. Durch standardisierte und optimierte Prozesse lassen sich verdeckte Effizienzpotentiale identifizieren und bestehende Personalkapazitäten wirkungsvoller nutzen, ohne die Patientenorientierung des gesetzlichen QMs zu vernachlässigen.

In der modernen Betriebsführung hat sich die Prozessoptimierung zu einer eigenständigen Disziplin entwickelt, um durch Effizienz, Effektivität und optimalem Einsatz von Ressourcen die Voraussetzungen zu schaffen im Wettbewerb zu bestehen und Gewinnpotentiale freizusetzen. Praxen und medizinische Einrichtungen müssen sich im Rahmen ihres Qualitätsmanagement dieser Instrumente bedienen, um endlich auch wirtschaftlichen Nutzen aus der gesetzlichen QM-Verpflichtung zu ziehen.

 

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Mag. (FH) Simone Uecker

 

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Mag. Simone Uecker – Master International Business, Praxismanagement

 

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1 – vgl. Hermann J. Schmelzer, Wolfgang Sesselmann: Geschäftsprozessmanagement in der Praxis: Kunden zufriedenstellen – Produktivität steigern – Wert erhöhen. 6. Auflage. Carl Hanser Verlag, München 2008