Voraussetzungen für betriebsbedingte Kündigungen

Der Beitrag soll dazu dienen, die durch das Gesetz und durch die Rechtsprechung entwickelten Vo- raussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung zu veranschaulichen. In den Betrieben, in denen das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, hat Unkenntnis böse Überraschungen im Arbeitsgerichtsverfahren zufolge. Nur wer die Spielregeln kennt, kann im Voraus abwägen, ob eine betriebs- bedingte Kündigung erfolgreich gerichtlich durchgesetzt werden kann.

Stefan Schlöffel

Der Beitrag dient nicht dazu, die allgemeinen Voraussetzungen einer Kündigung, wie Schriftformerfordernis, Bestimmtheit, Kündigungsfristen, Zugang der Kündigung, etc., darzulegen, sondern beschränkt sich auf die materiellen Voraussetzungen für sozial gerechtfertigte und damit wirksame betriebsbedingte Kündigungen.

 

 

/// Grundsatz

Nach § 1 Kündigungsschutzgesetz ist eine betriebsbedingte Kündigung nur dann sozial gerechtfertigt und damit wirksam, wenn

 

  • der Arbeitnehmer in dem Betrieb nicht weiter beschäftigt werden kann
  • keine anderweitige freie Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb besteht und
  • wenn bei Kündigung nicht aller vergleichbaren Arbeitnehmer zumindest eine ausreichende Sozialauswahl vorgenommen worden

 

/// Betriebliches Erfordernis

Das Wesen der betriebsbedingten Kündigung, dass ein betriebliches Erfordernis einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegensteht. Gründe im Verhalten oder in der Person des Arbeitnehmers spielen keine Rolle.

 

In Betracht kommen als betriebliches Erfordernis außerbetriebliche oder innerbetriebliche Ursachen. Außerbetriebliche Ursachen, wie beispielsweise Umsatz- und Absatzrückgang sind von den Arbeitsgerichten voll überprüfbar. Es ist deshalb schwierig und nicht zu empfehlen, eine Kündigung auf sog. außerbetriebliche Ursachen zu stützen. Beispielsweise muss der Arbeitgeber, der eine Kündigung mit einem Auftragsrückgang rechtfertigen will, darlegen, dass es sich um einen dauerhaften Auftragsrückgang und nicht nur um übliche, gegebenenfalls saisonbedingte Schwankungen handelt. In diesem Fall ist erforderlich, dass die fehlende Möglichkeit einer zukünftigen Weiterbeschäftigung auf der Basis von Referenzzeiträumen mehrerer Jahre der Vergangenheit dargelegt wird. Nur wenn durch diesen Vergleich erkennbar wird, dass eine abweichende, negative Entwicklung eingetreten ist, kann mit hin- reichender Wahrscheinlichkeit die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit angenommen werden.

 

Die betriebsbedingte Kündigung sollte sich daher immer auf eine Unternehmerentscheidung als sog. innerbetriebliche Ursache stützen!

 

Hinweis:

Sofern im nachfolgenden Beitrag von Arbeitnehmern die Rede ist, sind selbstverständlich damit auch Arbeitnehmerinnen gemeint. Es handelt sich nicht um eine Diskriminierung, sondern die Bezeichnung dient lediglich der Vereinfachung.

 

/// Unternehmerentscheidung

Eine Unternehmerentscheidung z. B. in Form eines Gesellschafterbeschlusses oder auch nur durch eine dementsprechende Willensäußerung der Geschäftsführung, setzt voraus, dass sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblichen Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Voraussetzung ist also eine nachvollziehbare und überprüfbare organisatorische Maßnahme, also ein unternehmerisches Konzept. Die Folge dieses Konzeptes ist der Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten/Arbeitsplätzen. Die Unternehmerentscheidung unterliegt keinem Formzwang. Bei einer juristischen Person genügt es, dass derjenige, der dazu die tatsächliche Macht hat, die Entscheidung endgültig und vorbehaltslos getroffen hat.

 

Die Unternehmerentscheidung muss zum Zeitpunkt der Kündigung eines Arbeitnehmers noch nicht umgesetzt worden sein. Es genügt, dass zumindest die Absicht und der Wille des Arbeitgebers, gewisse Maßnahmen vorzunehmen, zum Zeitpunkt der Kündigung schon vorhanden und abschließend gebildet worden ist. Spätestens mit Ablauf der jeweiligen Kündigungsfrist muss die Umsetzung jedoch dazu führen, dass keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr für den Arbeitnehmer besteht. Da die Absicht und der Wille des Arbeitgebers anhand von objektiven Kriterien schwer nachvollziehbar ist, empfiehlt es sich, dass diejenigen Tatsachen in irgendeiner Weise nach außen manifestiert werden.

 

Erforderlich ist ebenfalls, dass zum Zeitpunkt der Kündigung durch den Arbeitgeber dargelegt werden muss, welche Maßnahmen er ergriffen hat, damit die Unternehmerentscheidung zu dem von ihm vorgesehenen Zeitpunkt umgesetzt werden kann. Beispielsweise muss der Arbeitgeber darlegen, dass er schon Angebote von Drittanbietern vorliegen hat, wenn die Unternehmerentscheidung darauf beruht, eine gewisse Abteilung zu schließen/outzusourcen.

 

Mit der Verwirklichung der Entscheidung muss zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht begonnen worden sein. Ausreichend ist, dass der Arbeitgeber berechtigterweise annehmen durfte, die laufende Kündigungsfrist biete ihm hierfür ausreichend Zeit.

 

Das Arbeitsgericht hat auch nicht die Befugnis, die Unternehmerentscheidung auf ihre Sinnhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen. Es hat nur die Möglichkeit zu prüfen, ob die Unternehmerentscheidung offenbar unvernünftig oder willkürlich ist. Voll nachzuprüfen ist aber durch das Gericht, ob eine unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne oder mehrere Arbeitnehmer entfällt.

 

Beschränkt sich die Unternehmerentscheidung auf den Kündigungsentschluss, führt das Bundesarbeitsgericht (BAG) in ständiger Rechtsprechung aus, dass die Vermutung, die Unternehmerentschei- dung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht von vornherein besteht. Die Unternehmerentscheidung muss zu einer Änderung des Beschäftigungsbedarfs führen d. h. die Änderung des Beschäftigungsbedarfs ist Folge der Unternehmerentscheidung.

 

Die Entscheidung, Arbeitnehmer durch Leiharbeiter zu ersetzen, rechtfertigt keine betriebsbedingte Kündigung. Leiharbeitnehmer verrichten genauso weisungsgebundene Arbeit wie eigene Arbeitnehmer, so dass ein Bedarf an Arbeitsleistung nicht entfallen ist. Es handelt sich um eine bloße Auswechslung der Vertragsart (Leiharbeitnehmer statt eigener Arbeitnehmer) und damit um eine unzulässige Austauschkündigung.

 

Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn der Arbeitgeber sich entschließt, Arbeiten die bislang von Arbeitnehmern ausgeführt worden sind durch Selbständige/freie Mitarbeiter zukünftig ausführen zu lassen. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich tatsächlich um Selbständige handelt und nicht um Scheinselbständige.

 

Die Darlegung der Verteilung der verbleibenden Arbeit auf die verbleibenden Arbeitskräfte bereitet im Rechtsstreit häufig Schwierigkeiten. Sie wird vom Arbeitgeber oft nur aufgrund von kaum objektivierbaren Erfahrungswerten anhand einiger äußerer Anhaltspunkte „geschätzt“. Diese Einschätzung ist dem Gericht so plausibel zu machen, dass es den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs feststellen kann. Hierzu bedarf es nicht stets einer detaillierten Darlegung der Arbeitsverteilung „bis zum letzten Handgriff“, aber ein genauer Vortrag, wie die verbleibenden Mitarbeiter die Arbeit ohne Mehrarbeit erledigen können, ist erforderlich.

 

 

/// Ultima ratio

Eine betriebsbedingte Kündigung darf immer nur das letztmögliche Mittel sein, um den sich aus der Unternehmerentscheidung folgenden angepassten Personalbedarf zu erreichen. Gibt es andere mil- dere Mittel, ist die betriebsbedingte Kündigung eben nicht durch dringende Erfordernisse bedingt. Solche anderen milderen Mittel können z. B. der Abbau von Überstunden oder der Abbau etwaiger dauerhafter Leiharbeit im Betrieb sein.

 

Ein milderes Mittel ist auch die Änderungskündigung statt der betriebsbedingten Beendigungskündigung. Sofern also im Unternehmen ein anderer freier Arbeitsplatz vorhanden ist, auf den der Arbeit- nehmer kraft Direktionsrecht oder durch Änderungskündigung hätte weiterbeschäftigt werden können, ist eine betriebsbedingte Kündigung ausgeschlossen. Selbst wenn der Arbeitnehmer einen anderen angebotenen freien Arbeitsplatz ausschlägt, muss der Arbeitgeber eine Änderungskündigung vornehmen. Das BAG steht auf dem Standpunkt, dass der Arbeiternehmer unter dem Druck einer Ände- rungskündigung vielleicht anders entschieden hätte.

 

Eine betriebsbedingte Kündigung ist selbst dann unwirksam, wenn nur eine befristete Weiterbeschäf- tigung des Arbeitnehmers besteht.

 

Es besteht jedoch keine Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Beendigungskündigung zu besseren Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.

 

Kein freier Arbeitsplatz ist derjenige eines erkrankten Arbeitnehmers, selbst wenn dessen Rückkehr ausgeschlossen ist, solange der Arbeitgeber die Stellte tatsächlich nicht neu besetzen will. Als freie Arbeitsplätze kommen nur solche in Betracht, bei denen im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits feststeht, dass sie bei Ablauf der Kündigungsfrist oder in absehbarer Zeit danach frei sein werden, sofern dem Arbeitgeber die Überbrückung dieses Zeitraums zumutbar ist. Zumutbar ist ein Zeitraum, den ein anderer Stelleninhaber zur Einarbeitung benötigen würde. Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, eine anderweitige Weiterbeschäftigung zu berücksichtigen, sobald er vom Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers Kenntnis erlangt und eine Kündigung in Erwägung zieht. Er darf dann nicht mehr durch Neueinstellung vollendete Tatsachen schaffen und so eine gegebene Weiterbeschäftigungsmöglichkeit vereiteln.

 

Als freie Arbeitsplätze in Betracht kommen jedoch nur geeignete Arbeitsplätze, die vom Arbeit- nehmer ausgefüllt werden können. Entscheidend sind also das Anforderungsprofil des Arbeitsplatzes und die Eignung des Arbeitnehmers. Bei einem Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen kommt jede Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in diesem Betrieb in Betracht, auch soweit sie einem anderen Arbeitgeber zugeordnet ist.

 

Eine Weiterbeschäftigungspflicht im Konzern besteht grundsätzlich nicht. Ausnahmen hiervon sind jedoch denkbar, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt hat oder sich eine Übernahmeverpflichtung unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag oder anderen vertraglichen Absprachen ergibt; hinzutreten muss ein tatsächlich oder rechtlich gesicherter – bestimmender Einfluss des Beschäftigungsbetriebs bzw. des vertragsschließenden Unternehmens auf die „Versetzung“.

 

/// Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen

Der Grundsatz „Vorrang der ‚Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung“ gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer nur nach einer angemessen Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahme den neuen Arbeitsplatz ausfüllen kann. Fortbildung ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die Weiterbildung in dem bisher ausgeübten Beruf, führt also zu einer graduellen Qualifizierung des Leistungsprofils des Arbeitnehmers im Rahmen des vorgegebenen Berufsbildes. Dagegen ist die Umschulung die Herausbildung eines Leistungsprofils in einem anderen Berufsbild.

 

Was dem Arbeitgeber zumutbar ist, hängt von einer sorgfältigen Abwägung aller Umstände ab. Neben Erfolgsaussichten, Kosten und Dauer der Maßnahme (unter Umständen bis zu sechs Monaten), der wirtschaftlichen Belastbarkeit des Arbeitgebers, insbesondere auch von der Beschäftigungsdauer des Arbeitsnehmers, aber auch – negativ – von seinem Alter. Von Bedeutung ist auch die arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit; eine Ausbildung zu höherwertiger Tätigkeit ist grundsätzlich nicht geboten.

 

Fällt etwa ein Aufgabenbereich nur teilweise fort und will der Arbeitgeber die verbliebenen Aufgaben im Rahmen einer Halbtagstätigkeit ausführen lassen, so ist eine Beendigungskündigung unwirksam, wenn der Arbeitgeber dem gekündigten Arbeitnehmer nicht zuvor erfolglos die Teilzeittätigkeit ange boten hat.

 

Welchem von mehreren zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmern etwa ein anderweitiger freier Arbeitsplatz anzubieten ist, richtet sich grundsätzlich nach den Kriterien der Sozialauswahl. Es findet aber keine Sozialauswahl zwischen solchen Arbeitnehmern statt, die nur im Wege der Änderungskün- digung auf den freien Arbeitsplatz gelangen können und solchen, die dorthin nur versetzt zu werden brauchen. Letztere haben Vorrang. Sofern der Arbeitnehmer ordentlich unkündbar ist, kommt nur eine Kündigung aus wichtigem Grund in Betracht. Hier schuldet der Arbeitgeber gesteigerte Bemühungen für eine anderweitige Weiterbeschäftigung. In Betracht kommen deutlich längere Überbrückungs-, Einarbeitungs- und Umschulungszeiten und weitere organisatorische Umstrukturierungen zur Schaffung eines geeigneten, nicht aber eines zusätzlichen Arbeitsplatzes. Ausgeschlossen sind wohl auch Beförderungen und Freikündigungen.

 

/// Sozialauswahl

Sofern dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, ist eine betriebsbedingte Kündigung dennoch sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Voraussetzung einer Auswahl ist, dass die Anzahl der auf den jeweiligen Kündigungsentschluss beruhenden Kündigungen geringer ist als die Anzahl der in Betracht kommenden Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber hat jedoch einen gewissen Wertungsspielraum, der dazu führt, dass sich nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer mit Erfolg auf einen Auswahlfehler berufen können.

 

Die Sozialauswahl erfolgt grundsätzlich in drei Schritten:

 

  1. Bildung der Auswahlgruppe
  2. ausreichende Berücksichtigung der sozialen Gesichtspunkte innerhalb der Auswahlgruppe
  3. Nichteinbeziehen von sog. Leistungsträgern.

 

Eine fehlerhafte Sozialauswahl kann grundsätzlich nur die Sozialwidrigkeit solcher Kündigungen nicht bewirken, die auch ohne den Fehler bei jedem Zuschnitt einer ausreichenden Sozialauswahl ange- standen hätten. Für sie war nämlich der Fehler nicht kausal.

 

 

 

– AUTOR

Stefan Schlöffel
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

 

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