Die Fortschritte in der Zahnmedizin sind zu einem ganz großen Teil durch die rasche Entwicklung auf dem Gebiet dentaler Werkstoffe bedingt. Die erste „Revolution“ fand – fast unbemerkt – durch Einführung der adhäsiv am Zahn verankerten Werkstoffe, die „Kompositmaterialien“ statt. Dadurch wurde es möglich, minimal invasive Methoden in die Zahnbehandlung einzuführen: durch die Möglichkeit, Füllungen oder Zahnersatz adhäsiv an der Zahnsubstanz dauerhaft zu befestigen, kann viel mehr natürlicher Zahn erhalten werden. Denken wir beispielsweise an die Teilkronenkonstruktionen. Mussten wir mit nicht klebendem Material stets eine Überkuppelung der Zahnhöcker vornehmen, so können wir darauf heute bei richtiger Indikationsstellung verzichten. Bestand bei einer Füllung mit Amalgam stets die Gefahr, dass durch den Cold Flow, also die plastische Deformation des Füllungsmaterials, die Seitenwände eines gefüllten Zahns brachen und so die Füllung vorzeitig verlorenging (dem begegnete man prophylaktisch durch die Wegpräparation gefährdeter Bezirke), so kann man heute mittels Adhäsivtechnik viel substanzschonender, also „minimal invasiv“, vorgehen. Dies gilt sowohl für die plastischen Füllungen als auch für prothetische Rekonstruktionen, wie Inlays.
Eine weitere Revolution haben wir bei den Keramiken gesehen. War Jahrzehnte lang die „Jacketkrone“ die ultimative kosmetische Variante, mit all den Nachteilen einer hohen Bruchgefahr, konnte durch die VMK-Technik – im Prinzip ist das der Einsatz von Emaille – eine Zuverlässigkeit vorher nie auch nur gehofften Ausmaßes erreicht werden. Und ganz neu sind dann die Vollkeramiken dazugekommen, die eine metallfreie Versorgung ohne die hohe Anfälligkeit der frühen „Porzellane“ erlauben.
Derzeit werden wohl etwa 50 Prozent oder mehr der prothetischen Restaurationen aus vollkeramischen Werkstoffen gefertigt – dabei sollte aber bedacht werden, dass es noch nie einen „Ersatz“ für irgendetwas gegeben hat, es war stets so, dass etwas neues zum Bestehenden hinzukam. Denn, „Ersatzwerkstoffe“ (nehmen wir einmal den falschen Begriff als Arbeitshypthese) haben ja gezwungenermaßen stets andere Eigenschaften als die, die „ersetzt“ werden sollen, und es ist extrem unwahrscheinlich, dass sie neben den anderen, positiven, alle anderen der „alten“ Materialien – außer den „negativen“ – nicht hätten. So ist es überall zu beobachten: „Kunststoffe“ haben nie die Metalle oder andere (z.B. Holz) wirklich verdrängt, sie haben sie nur ergänzt. Laminat ist kein Echtholzparkett, kann es und will es auch nie sein, und ein Vollkunststoffauto ist eben auch eine Utopie, da wird nach wie vor Metall eingesetzt. Sogar die Formel 1 Wagen, deren Karosserie aus dem sündhaft teuren Karbon-Laminat-Kunststoff besteht, müssen auf Metall zurückgreifen; ohne Metall gäb´s keinen Motor, auch wenn man da zunehmend Keramik einsetzt.
Es wäre also fatal, würde man „alte“ Techniken und Materialien vergessen und nur auf „moderne“ Entwicklungen setzen. Für den Zahnarzt in der Praxis ist es nicht leicht, sich im Dschungel der Angebote zurecht zu finden, eine Unzahl an Materialien mit jeweils besonderen Eigenschaften wird am Markt angeboten, dazu wird der Zahnarzt mit Werbung geradezu überflutet, und selbstverständlich hat Jeder der Anbieter erst mal „das ultimative“ Materialkonzept, sie es die Industrie, seien es die Dentallabore. Und in der Begeisterung wird das „Kleingedruckte“ übersehen – nämlich die Indikationseinschränkungen, die unbestätigte Lebenserwartungsprognose (es gibt die Materialien häufig gar nicht lange genug um wirklich etwas zur Dauerhaftigkeit aussagen zu können) und eben auch die „Nebenwirkungen“, also die nicht so positiven Eigenschaften.
Hier ist es Zeit, einmal ernsthaft darüber nachzudenken, ob man nicht permanent eine Anpassung an die jeweiligen neuesten Erkenntnisse vornehmen muss: dort, wo es angezeigt ist, andere als die gewohnten Materialien einsetzen, und dort, wo es eben zu riskant wäre, auf Altbewährtes zurückgreifen.
Metallrestaurationen gibt es seit Tausenden von Jahren, schon die Altägypter stellten Zahnersatz mit Hilfe von Gold her. Im Laufe der Geschichte wurden neben Gold bzw. Edelmetall-Legierungen auch andere Metalle (Nicht-Edelmetalle), wie Chrom-Kobalt-Legierungen oder auch Titan-Legierungen, für dentale Zwecke entwickelt und zur Praxisreife gebracht.
Die moderne Wissenschaft konnte dazu wesentliche Weiterentwicklungen liefern: aus Porzellan wurde die Hochleistungskeramik, aus Emaille die VMK-Technik.
Daneben wurden in der Geschichte ganz exotische Materialien, wie Knochen, Elfenbein, Kautschuk etc. eingesetzt. Ebenfalls geschichtlich ist der Einsatz von Porzellan und Emaille dokumentiert.
Materialgruppen pro und contra
/// Metalle
Ursprünglich kamen ausschließlich Edelmetalle zur Anwendung. Der Grund ist historisch bedingt – Edelmetall, insbesondere Gold sowie seine zahlreichen Legierungen, wurde schon früh für Schmuck eingesetzt, und so hatte man die Fertigkeiten, die zur Herstellung von Prothetik benötigt wurden, verfügbar. Ein Großteil der auch heute noch üblichen Goldlegierungen basiert deshalb auf alten Rezepturen der Schmuckherstellung.
Wegen des hohen Preises für Gold wurden dann Alternativen entwickelt, wie z.B. die Palliag-Legierungen (Palladium-Silber) im von den Weltmärkten abgeschnittenen im Krieg befindlichen Deutschland. Ebenfalls gepuscht durch solche Engpässe wurde die Entwicklung von ganz Edelmetall-freien Legierungen, deren Rezepturen ursprünglich von Stahl abgeleitet wurden.
Titan stellt ein Material mit besonders interessanten Eigenschaften dar, wesentlicher Nachteil ist jedoch die schwierige Verarbeitung sowie die für eine Emaillierung (keramische Verblendung) störende rasche Oxidation sowie der andere WAK-Wert.
Ausgehend von der Schmuckherstellung wurden und werden Legierungen meistens durch Gießverfahren in dentale Restaurationen überführt. Daneben hat sich mittlerweile die Herstellung in CAD/CAM etabliert.
Hochgoldhaltige Legierungen – diese Legierungen haben zurzeit den höchsten Marktanteil bei Metallen für dentale Anwendungen. Zusammensetzung: 70 – 80% Gold, bis 10 % Platin, bis 10 % Silber, Rest: Palladium, Kupfer,…
Achtung: Legierungen aus Edelmetall (hier Gold) verhalten sich dann wie Gold, wenn an der Oberfläche mindestens 50 Prozent Goldatome vorliegen. Wegen der sehr unterschiedlichen Dichte bzw. „spezifischen Gewichts“ der Metalle muss man daran denken, dass eine Goldlegierung erst dann echte „Gold“eigenschaften hat, wenn Gold bzw. Platin oder andere Metalle der Platingruppe einen Gewichts-Prozent-Anteil von mindestens 75 Prozent haben (also nur Hochgold-Legierungen verhalten sich wirklich wie Gold). Ab einem Platin Anteil von über 10 % wird die Legierung zunehmend entfärbt, bei Palladium wirkt sich das noch stärker aus, wir erhalten dann „Weißgold“.
Goldreduzierte Legierungen („Spargold“) – in ihren Eigenschaften kommen diese Legierungen den hochgoldhaltigen nahe, sind jedoch deutlich billiger. Zusammensetzung: 50 – 60 % Gold, bis 30 % Palladium (hoher Anteil in Aufbrennlegierungen), bis 30 % Silber. Der Rest kann aus Kupfer, Platin,… oder Nichtedelmetallen bestehen.
Palladiumbasislegierungen – diese weißen Legierungen wurden wegen ihres Preisvorteils eingeführt. Sie sind korrosionsanfälliger als die Goldlegierungen. Zusammensetzung: 60 – 80 % Palladium, 20 – 30 % Silber, 5 – 10 % Zinn. Rest: Platin- und Nichtedelmetalle
Aufbrennlegierungen müssen besondere Anforderungen erfüllen:
Die Solidustemperatur der Legierung muss um mindestens 100°C über der Aufbrenntemperatur der Keramik liegen. Die hohe Schmelztemperatur wird durch das Hinzugeben von Platin(begleit)metallen erreicht, z.B. Palladium. Aufbrennlegierungen müssen hochfest sein (0,2 % – Dehngrenze meist > 500 N/mm2 ), viel weniger kalt verformbar, da bei einer Verformung die Keramik abplatzen würde.
Die Wärmeausdehnungskoeffizienten (WAKs) von Legierung und Keramik müssen übereinstimmen.
Die aufgebrannte Keramik muss gut auf dem Metallgerüst haften. Haftoxidbildner wie Indium In, Zinn Sn, Zink Zn, Eisen Fe,… werden deshalb hinzugefügt. Diese Nichtedelmetalle bilden beim Oxidbrand eine Haftvermittlerschicht zwischen Keramik und Legierung.
Alle Nichtedelmetalllegierungen (Modellguss, Titan) sind aufbrennfähig. Spezielle Haftoxidbildner sind nicht erforderlich, für Titan benötigt man jedoch eine spezielle Keramik (niedriger WAK).
– Vorteile
Metalle sind extrem hoch belastbar; sie haben eine geringe Elastizität, bei Belastung unterliegen sie einem Cold Flow, was man sich beim Anfinieren von Rändern zunutze macht. Insbesondere Gold kann sehr leicht kalt geschmiedet werden. Dadurch können Fehler bzw. Ungenauigkeiten in der Herstellung nachträglich durch Bearbeitung des fertigen Gussstücks auch im Mund noch korrigiert werden.
Die Belastbarkeit der Metalle zeigt sich insbesondere in einer extrem hohen Bruchzähigkeit und der Widerstandsfähigkeit gegen häufige Biegebelastung. Trotzdem kommt es bei zu großer Belastung zu Ermüdungsbrüchen, wobei dies im Gegensatz zu anderen alternativ zur Verfügung stehenden Materialien deutlich seltener geschieht. Mit Metallen lassen sich hauchdünne Ränder gestalten, insbesondere Gold kann extrem dünn auslaufend gestaltet werden.
Der Randschluss, ein für die Prothetik essentielles Kriterium, ist bei Goldrestaurationen nach wie vor besser als mit allen Alternativen erreichbar (beispielhaft sei hier auf Federlin et al verwiesen) (1).
Metalle, insbesondere hochgoldhaltige Legierungen, passen sich gut in die Okklusion ein, Abrasion und Cold Flow bewirken, dass sich eine Restauration „einbeißt“. Die Gestaltung der Okklusion gelingt im Gussverfahren mit der ausgereiften Technik fast ideal, es sind perfekte Restaurationen herstellbar. Auch der Approximalkontakt, ein ganz wichtiges Kriterium, lässt sich perfekt gestalten. Metalle, insbesondere Gold, lassen sich sehr gut polieren. Und, nicht zuletzt, Goldlegierungen (auch Amalgam!) enthalten Legierungsbestandteile, die das Bakterienwachstum hemmen (Silber, Kupfer, Zinn, Zink z.B. wirken antibakteriell), was der Ausbildung von Sekundärkaries entgegenwirkt. Die sehr hohen Festigkeitswerte der Metalle erlauben die Konstruktion sehr dünner Elemente, was man sich mit einer zurückhaltenden Präparation (minimal invasiv) zunutze machen kann.
Ebenfalls der hohen Festigkeit verdanken wir die uneingeschränkte Indikation auch für extrem große Brückenspannen. Und nicht zu vergessen ist die Möglichkeit, sehr grazile Verbinder zwischen Krone und Pontic zu gestalten, die die Parodontien schont.
– Nachteile
Metalle sind nicht „Weiß“ und schon gar nicht Zahnfarben, so dass die Ästhetik (nach den Begriffen der westlichen Kulturen) mangelhaft ist. In anderen Kulturen kann dies durchaus anders ein. Weiterhin kann die hohe Wärmeleitfähigkeit, insbesondere der Goldlegierungen, als deutlicher Nachteil gesehen werden. Auch der WAK-Wert ist ein ganz anderer als beim natürlichen Zahn, wodurch es zu Spannungen bei Temperaturwechsel kommt. Ganz selten beobachtet man Unverträglichkeiten, weshalb man nicht von einer generell guten Bioverträglichkeit ausgehen darf. Es gibt insbesondere gegen einige Bestandteile der NEM-Legierungen allergische Reaktionen (z.B. gegen Nickel oder Kobalt). Allerdings sind esoterisch/alternativ „ganzheitliche“ Aspekte mit dubiosen Testungen nicht ernst zu nehmen. Den Heilpraktikermethoden ohne irgendeine wissenschaftliche Basis ist mit großem Misstrauen zu begegnen. Der Zahnarzt als wissenschaftlich gebildeter Akademiker darf sich nicht auf solche okkulten Dinge einlassen, das verbietet das Berufsethos. Allerdings ist zuzugestehen, dass die Entprofessionalisierung des Gesundheitswesens mit der Übernahme einer „Wissens“vermittlung durch die Medien und damit verbundenem Verlust an Glaubwürdigkeit für den wissenschaftlich arbeitenden Zahnarzt eine Hürde für eine objektive Beratung bzw. Therapieentscheidung bedeutet.
Ebenfalls nachteilig ist, dass man für die Emaille-Technik (VMK) Metalle zulegieren muss, die Haftoxide ausbilden. Solche Bestandteile führen dann dazu, dass es an den Rändern der Restauration zu Verfärbungen der Weichgewebe kommen kann. Bisher ist kein Nachweis darüber geführt worden, dass dies gesundheitlich bedenklich sei, im ästhetisch geforderten anterioren Bereich wird dies jedoch als gravierender Nachteil empfunden.
Metalle können nur zementiert werden, spezielle Kleber sind zwar verfügbar, jedoch nicht wirklich brauchbar (Kleber Metall/Metall sind praxistauglich, Metall/Zahn jedoch problematisch).
Derzeit erleben wir einen Run auf Gold, was die Preise in astronomische Höhen getrieben hat. Deshalb ist der Preis ebenfalls als Nachteil zu werten, zumindest für hochgoldhaltige Edelmetalle.
Subsummiert lässt sich feststellen, dass eigentlich nur die ungünstige Ästhetik (beim Preis steht dem hohen Materialpreis der hohe Verarbeitungspreis alternativer Materialien in nichts nach) gegen Metall spricht.
– Resumee:
- Randschluss ++++
- Okklusion ++++
- Belastbarkeit ++++
- Dauerhaftigkeit ++++
- Passgenauigkeit ++++
- Indikationsbreite ++++
- Parodontienfreundlichkeit ++++
- Ästhetik —
- Bioverträglichkeit +/-
- Preis +/-
- Adhäsive Befestigung —-
- Öffentliche Anerkennung —-
///Nichtmetalle / Kunststoff
Es hat Versuche gegeben, Faser-verstärkte Kunststoffe ohne metallisches Gerüst zu dentalen Zwecken zu nutzen (als Inlaymaterial, auch für K&B). Trotz einiger begeisterter Anhänger dieser Technik hat sich das Verfahren nicht durchgesetzt. So bleibt Kunststoff aktuell als Material für temporäre Versorgungen sowie Verblendungen.
Als Verblendmaterial hat Kunststoff (eingesetzt werden „Kompositmaterialien“, also Kunststoffe mit einer Harzmatrix und einem hohen Fülleranteil) einen festen Platz in der Protehtik.
Komposite benötigen keine Aufbrennlegierungen (sie werden direkt am Metall adhäsiv befestigt), mechanische Retentionen sind vorteilhaft. Kunststoff-Verblendungen können heute in gleich guter Ästhetik hergestellt werden wie keramische Verblendungen. Trotzdem ist der Anteil an Kunststoff-verblendeten K&B-Arbeiten gering, was mit dem speziellen Irrsinn deutscher Gebührenordnung zu tun haben könnte. Kunststoff ist Sachleistung in der GKV, Keramik eröffnet die Möglichkeit für eine Abrechnung nach GOZ.
Kunststoffrestaurationen bieten Bakterien einen guten Nährboden, was zu erhöhter Plaqueakkumulation führen kann. Eine sehr gute häusliche Prophylaxe ist also vorteilhaft. Sie sind leicht intraoral nachzuarbeiten und anzupassen, da sie problemlos auch intraoral poliert werden können. Eine Plaqueakkumulation führt zu Discolorationen, dies wird als Nachteil gesehen.
Es hat zahlreiche Versuche gegeben die Eigenschaften der Kunststoffe zu verbessern. Dazu gehört die Einarbeitung von Füllkörpern (im Prinzip sind alle Füllstoffe Glaspartikel), die Fluorid abgeben können. Allerdings ist die Fluoridmenge sehr gering (siehe auch Schiffner et al) (2). Wieweit Fluoride aus Kunststoffmaterialien überhaupt eine kariesprophylaktische Wirkung entfalten ist fraglich – bisher wurde stets nur postuliert, dass diese Wirkung zu erwarten sei. Vergleichende Studien, wie wir sie für Zahncremes kennen, finden sich in der Literatur nicht.
– Resumee
Verblendungen +++
Ästhetik +++/-
Metallfreie Restaurationen —
/// Keramik
Keramische Werkstoffe haben heute einen sehr großen Marktanteil in der zahnärztlichen Prothetik. Zurückzuführen ist dies unter anderem vermutlich auf die massiven Werbemaßnahmen der Industrie sowie die hohen Investitionskosten in den Dentallabors – nur bei hohen Umsätzen amortisieren sich die getätigten Investitionsmaßnahmen für den Zahntechniker, weshalb dann auch diese Technik besonders empfohlen wird. Die nach MPG vorgeschriebenen Medizinprodukteberater, die vom Labor bezahlt werden, können nur schwer neutral beraten, da wäre nicht zu erwarten.
Die Medien werden vorwiegend von der werbenden Industrie finanziert, weshalb eine Neutralität nirgends zu sehen ist, auch nicht bei den in staatlicher Trägerschaft stehenden Rundfunkanstalten. Erschwerend ist zu werten, dass ein Großteil wenn der heute bin der Verantwortung stehenden Journalisten keine naturwissenschaftliche Ausbildung aufzuweisen hat. So werden gerne „alternative“ Themen behandelt und einer unwissenden Öffentlichkeit als letzte Weisheiten vorgestellt. Insgesamt ist jedoch der Bildungsstand der Bevölkerung als relativ gering einzuschätzen – acht Millionen Menschen in diesem Land können nicht richtig lesen und schreiben (OECD), die Anforderungen in den Schulen sind insgesamt als unbefriedigend anzusehen (PISA) (es ist immer noch möglich Abitur ohne Naturwissenschaft zu machen), und so nimmt die Zahl derer, die sich ausschließlich aus den Rundfunkmedien (TV) informieren, zu. Parallel dazu werden Informationen heute kaum mehr in Bibliotheken, sondern weitgehend aus dem Internet gewonnen. Das Internet ist generell unkontrolliert, so dass auch reichlich dubiose Inhalte ihre Abnehmer finden.
Insgesamt hat dies dazu geführt, dass diffuse Ängste weit verbreitet sind (denken wir nur an die Amalgamhysterie), unsachlich bzw. unwissenschaftlich diskutiert wird und dass Esoterik derzeit eine echte Widergeburt erlebt (das Mittelalter lässt grüßen).
So wird gerne Metall als „unbiologisch“ angesehen, das die „Mundströme“ störe (da geht man von der bisher nie bewiesenen Theorie der Akupunktur aus). Dentale Materialien werden ausgependelt oder sonst wie von unqualifizierten Protagonisten beurteilt, was eben zu einer abnehmenden Akzeptanz gegenüber Metallen sowie einer hohen Akzeptanz gegenüber keramischen Werkstoffen geführt hat. Der Zahnarzt als typischer Dienstleister steht hier in einem besonderen Spannungsfeld: er muss objektive Kriterien abwägen und dem Patienten plausibel machen, und er steht dabei häufig im Gegensatz zur öffentlichen Meinung. Da ist es naheliegend und verständlich wenn er dem Druck nachgibt und Material einsetzt, das möglichweise für die spezielle Indikation weniger gut geeignet ist.
Daneben gibt es selbstverständlich auch ganz objektive Gründe, Keramik einzusetzen.
– Vorteile
Keramik ist tatsächlich in hohem Maße biokompatibel – im Grunde ist Keramik mineralischen Ursprungs bzw. als Mineral aufzufassen, mit extrem geringer Löslichkeit (da können kaum Schadstoffe eluiert werden). Die Keramiken weisen eine extrem glatte Oberflächenstruktur auf, es etabliert sich signifikant weniger Plaque (als z.B. an Kunststoff oder Metall). Die Ästhetik ist unübertroffen gut – bei Vollkeramik kann man auch transluzente Strukturen analog dem natürlichen Zahn herstellen. Keramik bzw. deren Ausgangsstoffe steht in unbegrenztem Maße zur Verfügung, weshalb die Preise lediglich vom Wettbewerb bestimmt sind und nicht durch die Knappheit. Damit hat man kalkulierbar günstige Preise vorgegeben.
Die meisten Keramiken können oberflächlich aufgeraut werden (z.B. durch Ätzung – funktioniert jedoch z.B. bei Aluminiumoxid oder Zirkon nicht) und deshalb kann man sie gut mir der geätzten Zahnsubstanz verkleben. Dies erlaubt sehr substanzschonende Teil-Rekonstruktionen (z.B. Inlays). Keramikgerüste werden heute häufig per CAD/CAM hergestellt, damit kann ein hohe Präzision sichergestellt werden – vorausgesetzt, es gibt danach keine Sinterprozesse mehr (z.B. CAD/CAM Inlays ohne Individualisierung). Gerüste können auch dann eine exzellente Passung auf den Stumpf erhalten, wenn sie bei der Individualisierung durch Sinterkeramik nicht mehr verformt werden können (z.B. Zirkonkeramikgerüste mit Leucit-Sinterkeramik zur Individualisierung).
– Nachteile
Keramik ist als hochelastischer Stoff aufzufassen, d.h., bei Belastung kommt es keiner bleibenden Deformation (wie bei Metall), es gibt keine Kaltverformbarkeit. Das bedeutet, dass selbst geringste Abweichungen von der optimalen Okklusalbeziehung zu Problemen führen. Diese können in können in Form von Dysgnathien mit Gelenksschmerzen, Muskelschmerzen bzw. –verkrampfungen, bis hin zu Nackenverspannungen (TMJ-Syndrome) und im Extremfall Tinnitus, oder auch als Folge von Interferenzen als Abplatzungen der Keramik auftreten.
Keramik kann nicht fein auslaufend modelliert werden, die geringste Belastung (die unvermeidlich ist) führt sofort zu Abplatzungen, es kommt bei Dauerbelastung zum Ausbrechen scholliger Frakturstücke, wie auch insgesamt eine hohe Frakturanfälligkeit vorliegt.
Keramische Werkstücke sind auch nicht wirklich polierbar, eine glatte Oberfläche gewinnt man nur beim Brand. Damit sind die im Mund nicht nachbearbeitbar.
Die erhöhte Bruchgefährdung bzw. geringe Biegebelastbarkeit zwingt zu einer relativ üppigen Dimensionierung, das kostet Zahnsubstanz, die bei dünnen Metallrestaurationen geschont werden könnte. Ermüdungsbrüche treten je nach Art der Keramik jedenfalls deutlich häufiger auf als bei Metall – typisch für Keramik sind Bruchspalte, die über Monate oder Jahre wachsen und dann (Patientenaussage: „Ich habe nur was Weiches gegessen, und dann ist…“) plötzlich zum Defekt führen.
Wegen der deutlich geringeren mechanischen Festigkeit müssen bei Brückenarbeiten großzügig dimensionierte Verbinder konstruiert werden, sie selten genügend Platz für den notwendigen Abstand zur Gingiva lassen – mit der Folge einer Gingivakompression, bei fehlender Reinigungsmöglichkeit Gingivitis und Parodontitis.
Problematisch ist auch die durch das Herstellungsverfahren bedingte Unschärfe der Okklusalbeziehung. Bei allen Fortschritten – gute Ästhetik erfordert nach wie vor eine Individualisierung mittels konventioneller Aufbrennkeramik (meist sind das Leuzitkeramiken), die einem nicht unerheblichen Brennschrumpf unterliegen. So sind ideale antagonistische Zahn-Zahn-Beziehungen kaum erreichbar.
Keramik (z.B. Leuzitkeramik) ist praktisch stets härter als natürlicher Zahn. So werden Ungenauigkeiten – sofern möglich – am gegenzahn korrigiert, d.h., der natürliche Zahn abradiert. Sind beide Kiefer mit keramischen Restaurationen versorgt, so ist die Abrasion gehemmt, es kommt in der Folge zu einer ungleichmäßigen Abrasion im Gebiss: die natürlichen Zähne abradieren, wie es der Natur entspricht, die keramische Paarung abradiert nicht. Dadurch treten okklusale Störungen deutlich zeitverzögert auf und werden häufig übersehen.
Bei Konstruktionen, die im Dentallabor mittels individueller Brenntechnik hergestellt bzw. individualisiert werden, ist alleine aufgrund der angewandten Sintertechnik kein dünn auslaufender Rand möglich. Die Präparation muss deshalb besonders sorgfältig mit Rundkehle erfolgen, wobei es wegen normaler Abweichungen an der Stufe zu einem schlechteren Randschluss kommt als dies bei einem dünn auslaufenden Federrand bei Metallrestaurationen der Fall ist.
Wichtigster Nachteil ist, dass die hochfesten modernen Keramiken (insbesondere Zirkon) kaum in Langzeitstudien untersucht worden sind, dafür sind sie zu neu. Vergleicht man die Zahlen für Gold bzw. VMK (ca 18 Jahre Lebenserwartung für K&B-Arbeiten) mit den Keramiken, so fällt auf, dass es da kaum Arbeiten mit einer Beobachtungsdauer von mehr als fünf Jahren gibt. Deshalb sind die offiziellen Richtlinien der DGZPW (3,4) auch sehr zurückhaltend: bei Einzelkronen und Frontzahnbrücken kleiner Spanne im Oberkiefer hat das wissenschaftliche Gremium keine Bedenken, bei größeren Spannen und in der Mandibel sieht man noch erheblichen Studienbedarf.
– Resumee
- Haltbarkeit ?
- Ästhetik ++++
- Plaqueakkumulation +gering
- Preis +unabhängig
- Klebbar +++
- CAD/Cam bearbeitbar ++++
- Passgenauigkeit ?
- Okklusalgestaltung —?
- Randschluss —?
- Bruchgefahr —?
- Nur kleine Spannen —
- Härte —
- Erfordert scharfe Präparation —
- Im Mund schwer bearbeitbar —
- Unnatürliche Abrasionsfestigkeit —
- Langzeiterfahrungen ???
Literatur
1.Federlin M, Wagner J, Männer T, Hiller KA, Schmalz G. Three-year clinical performance of cast gold vs ceramic partial crowns. Clin Oral Investig 2007; 11(4):345-352.
- B. Knop, V. Leisentritt, U. Schiffner: Zur Fluoridabgabe von
Kompositen nach wiederholter Applikation eines Fluoridgelees, Oralprophylaxe 25 (2003)