Das Gesetz zur Bekämpfung der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen ist in den Vorschriften der §§ 299 a und b sowie § 300 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt und seit Juni 2016 in Kraft. Personen, die diese Straftatbestände durch wettbewerbswidrige Verordnungs- oder Zuweisungshandlungen erfüllen, werden mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe bestraft. In besonders schweren Fällen liegt der Strafrahmen zwischen 3 Monaten und 5 Jahren.
Jennifer Jessie
In der letzten Ausgabe des dental:spiegel wurden die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Antikorruptionsgesetzes bereits beleuchtet. Zahnärzte sowie auch andere Angehörige von Heilberufen machen sich strafbar, wenn sie im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Berufs in unlauterer Weise als Gegenleistung für Verordnungs- und Zuweisungshandlungen einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung fordern, versprechen lassen oder annehmen. Umgekehrt machen sich auch diejenigen strafbar, die in unlauterer Weise die Gegenleistung anbieten, versprechen oder gewähren.
/// Was vorher erlaubt war, ist heute auch noch erlaubt
Auch vor Inkrafttreten des Gesetzes waren aus sozialrechtlichen, berufsrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Gründen die nunmehr unter Strafe gestellten Handlungen unzulässig. Die nunmehr verbreitete Unsicherheit ist daher nicht wirklich begründet. Herr Oberstaatsanwalt Alexander Badle (Leiter der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Korruption im Gesundheitswesen in Hessen sowie Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main) erklärte insofern beispielsweise im Rahmen einer Veranstaltung der Initiative gesundheitswirtschaft rhein-main e.V., dass durch das Antikorruptionsgesetz nichts Neues dazu gekommen ist. Das was vorher erlaubt war, ist auch heute noch erlaubt. Alles andere war auch vorher bereits unzulässig. Entsprechend sei daher auch die nunmehr an einigen Stellen geäußerte Kritik nicht angebracht. Die Gesundheitsbranche habe die Ursache für das Gesetz selbst gesetzt und zudem ca. 10 Jahre Zeit gehabt, sich auf das Gesetz vorzubereiten. Es geht vor allem um den Schutz eines fairen Wettbewerbs sowie um den Schutz der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidung. Dies dürfte letztlich im Interesse aller Beteiligten sein.[1]
Die nunmehr verbreitete Unsicherheit rührt gleichwohl daher, dass es sich bei wettbewerbswidrigen Verordnungs- oder Zuweisungshandlungen gleichzeitig auch um die Verwirklichung eines Straftatbestandes handelt, der sich neben die allgemein bekannten Straftatbestände wie z.B. Diebstahl, Betrug und Untreue einreiht. Rechtsbeziehungen zwischen Personen (natürliche oder juristische Personen), die im Streitfall vor allem vor den Zivil- oder Sozialgerichten unter den Parteien ausgetragen werden, sind in diesem Fall im Visier von Strafverfolgungsbehörden. Diesen stehen alle Ermittlungswege und Mittel zur Verfügung, die ihnen insbesondere durch die Strafprozessordnung zur Verfügung gestellt werden (z.B. Durchsuchung und Beschlagnahme, Zeugenvernehmung etc.).
/// Das Ermittlungsverfahren
Die Strafnormen der Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen sind als sog. Offizialdelikte ausgestaltet. Das bedeutet, dass die Strafverfolgungsbehörden von Amts wegen ermitteln müssen, wenn ein sog. Anfangsverdacht für eine strafbare Handlung besteht. Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, die Strafverfolgung davon abhängig zu machen, dass ein Strafantrag gestellt wird (sog. Antragsdelikte). Hier gehe es immerhin nicht nur um den Schutz eines fairen Wettbewerbs, sondern gerade auch um den Patientenschutz. Korruptes Verhalten im Gesundheitswesen berühre daher auch und gerade die Interessen der Allgemeinheit, weshalb es wichtig sei, dass die Strafverfolgungsbehörden im Interesse des Rechtsgüterschutzes von vorneherein von Amts wegen tätig werden können. [2]
Ein Anfangsverdacht liegt dann vor, wenn „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ für eine strafbare Handlung vorliegen (§ 152 Abs. 2 Strafprozessordnung). Da die Anforderungen an dieses Kriterium nicht sehr hoch sind, ist es zumindest denkbar, dass schon ein kleiner Hinweis auf eine fragliche Kooperation und Handlung ausreicht, damit die Staatsanwaltschaft Ermittlungen anstellt. Hier sind sehr vielfältige Konstellationen denkbar, die einen Anfangsverdacht begründen könnten. Herr Oberstaatsanwalt Badle nannte in seinem Vortrag das bildhafte Beispiel des „eingekauften Arztes neben dem angestellten Arzt, der nichts zu tun hätte“.[3] Hier müsste durchaus hinterfragt werden, welchen Sinn und Zweck eine solche Kooperation habe und ob es sich hierbei nicht um eine unlautere und nunmehr auch strafbare Handlung handele.
/// Die Crux des Anfangsverdachts
Und genau in diesem Anfangsverdacht liegt die eigentliche Crux. Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, den Sachverhalt zu erforschen, also ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, sobald sie von einer Straftat im Zuge einer Anzeige oder auf sonstige Weise Kenntnis erlangt (§ 160 Abs. 1 Strafprozessordnung). Die Ermittlungen sind dabei nicht auf einen Straftatbestand beschränkt. Vielmehr wird der Sachverhalt auf alle in Betracht kommenden Straftatbestände erforscht. Dies bedeutet, dass neben dem Antikorruptionsgesetz auch andere Tatbestände wie z.B. Geldwäsche (§ 261 Strafgesetzbuch) in Betracht kommen können.
Ergibt sich im Laufe des Ermittlungsverfahrens ein hinreichender Tatverdacht für eine Straftat, so erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage bei dem zuständigen Strafgericht (§ 170 Abs. 1 Strafprozessordnung). Kommt das Gericht im Laufe des Gerichtsverfahrens zu dem Ergebnis, dass ein Verstoß gegen das Antikorruptionsgesetz vorliegt, droht den Beschuldigten im Falle einer Verurteilung die eingangs erwähnte Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren, in schweren Fällen bis zu 5 Jahren. Daneben ist daran zu denken, dass das sanktionierte Fehlverhalten wie auch vor Inkrafttreten des Antikorruptionsgesetzes einen empfindlichen Bußgeldtatbestand nach dem Heilmittelwerbegesetz erfüllen kann. Darüber hinaus drohen ein Berufsverbot, welches sogar das Strafgericht selbst anordnen kann (§ 70 Strafgesetzbuch). Weitaus einschneidender dürfte jedoch für jede Zahnärztin und jeden Zahnarzt die berufsrechtliche Sanktion durch Widerruf der Approbation sowie die Entziehung der vertragszahnärztlichen Zulassung sein.
Bestätigt sich der Anfangsverdacht im Zuge der Ermittlungen jedoch nicht und wird am Ende mangels hinreichendem Tatverdacht das Verfahren eingestellt und keine Anklage erhoben (§ 170 Abs. 2 Strafprozessordnung), der Makel eines durchgeführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens wird gleichwohl haften bleiben. Schlechte Nachrichten verbreiten sich bekanntlich besonders gerne und schnell. Kein Praxisinhaber oder Klinikbetreiber möchte jedoch seine Visitenkarte und seinen Ruf durch eine Schlagzeile ersetzt wissen, dass die eigenen Praxis- und Klinikräumlichkeiten im Zuge der Ermittlungen z.B. durchsucht, Unterlagen beschlagnahmt oder die eigene Person oder Mitarbeiter als Zeugen oder gar Beschuldigte vernommen wurden. Patienten reagieren auf solche Nachrichten nachvollziehbarer Weise sehr sensibel.
Wichtig zu wissen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Ermittlungen sich immer gegen eine oder mehrere bestimmte Personen richten, die die fraglichen Vereinbarungen getroffen haben. Nicht die dahinter stehende Praxis oder Klinik als Unternehmen werden strafrechtlich verfolgt, sondern der einzelne Zahnarzt auf der Einen oder der jeweilige Geschäftspartner auf der anderen Seite. Gleichwohl trifft es am Ende die Praxis insgesamt, die um ihren guten Ruf zu fürchten hat.
/// „Bewusstsein schafft Realität“
Zahnärzten sowie ihren Geschäfts- und Kooperationspartnern aus der Dentalbranche sollten daher immer und nun mehr denn je bewusst sein, welche Spielregeln in der Gesundheitsbranche gelten. Selbstverständlich sind Zahnärzte auch Unternehmer und müssen entsprechende unternehmerische Entscheidungen im Hinblick auf den Bezug von Medizinprodukten und sonstigen Mitteln sowie in Bezug auf Kooperation z.B. mit Dentallaboren und Abrechnungsunternehmen treffen. An erster Stelle steht jedoch immer das Gesundheitsinteresse ihrer Patienten und somit der Allgemeinbevölkerung, in deren Dienst sich Zahnärzte wie auch alle Angehörigen von Heilberufen bei Aufnahme ihrer Tätigkeit stellen.
Zwar gilt das Antikorruptionsgesetz erst seit dem 04. Juni 2016. Abgeschlossene Sachverhalte aus der Zeit vor in Kraft treten des Gesetzes werden daher grundsätzlich nicht verfolgt. Werden aber zweifelhafte Kooperationen, die bereits vor dem 04. Juni 2016 zustande gekommen sind, weiterhin Aufrecht erhalten und „gelebt“, ist ein Ermittlungsverfahren unter Berücksichtigung der neuen Straftatbestände mit allen Konsequenzen möglich und durchaus denkbar.
/// Fazit
Sofern noch nicht geschehen, sollten daher alle Zahnärztinnen und Zahnärzte alle bisherigen Kooperationen und Leistungsverhältnisse aus der Zeit vor in Kraft treten des Antikorruptionsgesetzes auf den Prüfstand stellen. Für alle zukünftigen Kooperationen sollte dass eine Selbstverständlichkeit sein. Graubereiche auszuloten empfiehlt sich hier in keinem Fall. Ganz im Gegenteil: Gerade jetzt gilt es, peinlich genau darauf zu achten, dass alle Kooperationen transparent gestaltet und in rechtlich zulässiger Weise vergütet werden. Bisher existiert zu den neuen Straftatbeständen noch keine verfestigte Rechtsprechung. Dafür ist das Gesetz noch zu jung. Die Strafverfolgungsbehörden haben ihre Arbeit sozusagen gerade erst aufgenommen. Die Ermittlungsverfahren können je nach Komplexität aber auch mehrere Jahre andauern bis letztlich darüber entschieden wird, ob Anklage erhoben wird oder nicht. Bis die Gerichte hier ein Urteil fällen, wird es daher auch noch einige Zeit dauern.
– AUTORIN
Jennifer Jessie, Rechtsanwältin
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[1] Oberstaatsanwalt Alexander Badle im Rahmen der Veranstaltung „Antikorruptionsrecht und Compliance im Gesundheitswesen“ der Initiative gesundheitswirtschaft rhein-main e.V. im Februar 2017 in Frankfurt am Main – Im Einzelnen hierzu auf www.medizinrecht-blog.de
[2] Vgl. im Einzelnen: Gesetzesbegründung, BT-Drucksache 18/8106, S. 17 ff.
[3] Oberstaatsanwalt Badle, aaO