Beim gemeinsamen Testament an Änderungsmöglichkeiten denken.

 

Damals schien alles so einfach zu sein: „Wir setzen uns gegenseitig zum Alleinerben ein. Nach dem Tode des Letzten von uns soll unser einziger Sohn Fritz erben.“ hatte der Notar vor Jahrzehnten in das Testament von Franz und Lieschen Müller geschrieben. Gemeinsam waren sie alt geworden. Und es erstaunte sie manchmal selbst, was sich so alles angesammelt hatte…
Dr. Dieter Riemer

Das gemeinsam gebaute Haus im Wert von € 150.000,- war längst abbezahlt. Das Vierfamilienhaus, welches Franz von seiner Mutter geerbt hatte, war selbst unter Brüdern € 250.000,- wert. Bei Lieschen’s Eltern hatte es nur für eine Eigentumswohnung im gereicht, aber der Mieter war schon lange daran interessiert, sie für € 100.000,- zu kaufen. Und der Notgroschen? Nun, sie hatten ihn nie gebraucht, so dass sich jetzt auf gemeinsamen Konten € 150.000,- angesammelt hatten.

Als Franz starb, gab es keine Probleme – weder mit dem Sohn noch mit dem Finanzamt. Lieschen verstand sich mit ihrem Sohn und seiner Frau blendend, worum sie immer alle beneidet hatten. Deshalb war es nie ein Thema gewesen, dass Fritz von seiner Mutter seinen Pflichtteil fordern würde. Der Steuerberater rechnete ihr vor, dass sie ein halbes Haus (€ 75.000,-), das Miethaus (€ 250.000,-) und das halbe Konto (€ 75.000,-), insgesamt also € 400.000,- geerbt hatte. Der Freibetrag für Ehegatten lag nach seinen Worten bei € 500.000,-. Zusätzlich hätte sie einen Versorgungsfreibetrag bis maximal € 256.000,- als Reserve.

Weil es ein guter Steuerberater war, wies er sie darauf hin, dass ihr Sohn bei ihrem eigenen Tod ein Steuerproblem bekommen würde. Ihr Gesamtvermögen betrug jetzt schon € 650.000,-, während ihrem Sohn nur ein Freibetrag von € 400.000,- zustand. Auf € 250.000,- müsste er in jedem Fall Erbschaftssteuer zahlen. Und es würden mit Sicherheit mehr werden, denn Lieschen würde in den nächsten Jahren ihre eigene Altersrente, die staatliche Witwenrente und die der Betriebsrentenkasse nicht ausgeben, von den Mieten für die fünf Wohnungen ganz zu schweigen.

„Kein Problem!“ meinte Sohn Fritz, als er davon hörte: „Meine Frau und unsere drei Kinder setzt du als Miterben ein, die haben jeder einen eigenen Freibetrag. Das Geld für den Notar können wir uns sparen. Ich habe im Internet gelesen, dass ein handschriftliches Testament von dir voll gültig ist.“

Beim Tode von Lieschen gab es ein böses Erwachen. Fritz hatte nicht gewusst, dass nach dem Tode eines Ehepartners ein gemeinsames Testament nur abgeändert werden kann, wenn das dem Längerlebenden ausdrücklich vorbehalten ist. Das handschriftliche Testament seiner Mutter war ungültig und er musste hohe Erbschaftssteuern zahlen.

Ein Bedürfnis für eine nachträgliche Änderung kann nicht nur wie in diesem Beispiel durch ein Vermögen, welches den Steuerfreibetrag übersteigt, entstehen. Manchmal möchte der Längerlebende lieber seinen Enkel als sein Kind als Erbe wissen oder bei mehreren Kindern ausgleichen können, dass ein Kind sich viel und ein anderes Kind gar nicht im Alter um ihn kümmert. Solange beide Ehepartner leben, können sie ihr gemeinsames Testament noch ändern. Deshalb ist es ratsam, alte Berliner Testamente fachkundig prüfen zu lassen, ob sie im gewünschten Umfang Änderungen nach dem Tode des ersten Ehepartners ermöglichen.

Da Lieschen nach dem Tode ihres Mannes Franz kein wirksames Testament mehr machen konnte, wäre ihr zu raten gewesen, dass ihr Sohn Fritz seinen Pflichtteil nach dem Vater verlangt und zusätzlich von der Mutter soviel geschenkt bekommt, dass ihr offiziell nur € 400.000,- verbleiben. Der Pflichtteil nach dem Vater wäre steuerfrei und die Schenkung der Mutter zumindest vorerst auch. Wenn sie noch zehn Jahre leben würde, müsste Fritz keine oder nur sehr viel geringere Erbschaftssteuer zahlen.

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Dr. phil. Dieter Riemer
Rechtsanwalt und Notar

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