ACHTUNG: Gewerbesteuer in der Gemeinschaftspraxis

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Der Bundesfinanzhof (BFH) beschäftigt sich derzeit mit der Frage der Gewerbesteuerpflicht in einer Zahnarztpraxis, (Az. VIII R 4/22). Konkret geht es darum zu entscheiden, dass eine Gemeinschaftspraxis von Zahnärzten insgesamt als Gewerbebetrieb einzustufen ist, wenn einer der Zahnärzte für die Organisation, Verwaltung und Leitung der Praxis zuständig ist und nur noch in geringem Umfang eigene zahnärztliche Beratungs- und Behandlungsleistungen am Patienten erbringt.

Simone Erbacher, Christian Erbacher, LL.M

Die Folge ist eine hohe Gewerbesteuerlast, die die Zahnärzte zu tragen haben. Für die rechtliche und steuerliche Beratungspraxis hat dies auf Grund dieses Gewerbesteuerrisikos immense Auswirkung, die wir Ihnen mit diesem Artikel näher darstellen möchten:

/// Hintergrund

Die alleinige Wahrnehmung bloß kaufmännischer Leitungs- oder sonstiger Managementaufgaben führt zur Gewerblichkeit und damit zur Gewerbesteuerpflicht. Dadurch werden alle Einkünfte der gesamten Gemeinschaftspraxis als gewerblich infiziert mit der Folge, dass alle Einkünfte der Praxis gewerbesteuerpflichtig sind. Denn, wenn Gesellschafter einer Personengesellschaft teilweise freiberuflich und teilweise gewerblich tätig sind, so ist ihre Tätigkeit insgesamt als gewerblich zu qualifizieren. Die Tätigkeit des gewerblich tätigen Zahnarztes „infiziert“ daher die Tätigkeit der freiberuflichen Zahnärzte.

Die Folge ist, wie ausgeführt, eine hohe Gewerbesteuerlast, die die Zahnärzte zu tragen haben.

/// Grundsatz: Freier Beruf

Eine Gemeinschaftspraxis oder MVZ in Form einer Personengesellschaft entfaltet nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs im Sinne von §18 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen.

Die Hauptmerkmale des freien Berufs muss demnach jeder Gesellschafter in eigener Person positiv erfüllen. Er muss über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und eine freiberufliche Tätigkeit, zu deren Ausübung er persönlich qualifiziert ist, tatsächlich auch ausüben. Dabei muss die Tätigkeit durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt sein – so weit so gut.

/// CAVE: Angestellte Zahnärzte

Ein Zahnarzt ist zwar auch dann noch freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient, die die Arbeit des Zahnarztes jedenfalls in Teilbereichen ersetzen. Er muss allerdings „leitend“ und „eigenverantwortlich“ die fachliche Verantwortung auch für die von seinen Mitarbeitern erbrachten Leistungen übernehmen. Ist dies nicht gewährleistet, droht auch hier eine Gewerbesteuerpflicht.

Verständlicherweise wird eine Überwachung umso komplexer, je mehr angestellte Zahnärzte vorhanden sind. Um das Gewerbesteuerrisiko zu umgehen, kann die Gründung einer MVZ GmbH sinnvoll sein.

/// CAVE: Arbeitsteilung

Es ist nicht erforderlich, dass jeder Gesellschafter in allen Unternehmensbereichen leitend tätig ist und an jedem einzelnen Auftrag mitarbeitet. Vielmehr können die Gesellschafter die Leitung und die Arbeit an den einzelnen Aufträgen teilen. Aber: jeder der Gesellschafter muss in eigener Person die Hauptmerkmale des freien Berufes erfüllen, das heißt nicht nur über die persönliche Berufsqualifikation verfügen, sondern die freiberufliche Tätigkeit tatsächlich auch entfalten, also auch im Heilbereich tätig werden.

Die steuerliche Rechtsprechung stellt für die Frage, ob eine freiberufliche zahnärztliche Tätigkeit vorliegt, allein auf die Patientenbehandlung am Stuhl ab. Danach falle nicht jegliche der Heilung von Zahnkrankheiten dienende Tätigkeit unter die Ausübung der Zahnheilkunde, sondern nur eine Tätigkeit, die am Körper von Patienten oder in sonstiger Weise gegenüber von Patienten mit der Absicht der Diagnose oder Behandlung vorgenommen wird, wie die Eingliederung von Zahnersatz und die damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen. Entscheidend sei, dass ein Patient von der zahnheilkundigen Person die Beseitigung von krankhaften Zuständen der Zähne, des Mundes und des Kiefers erwarte. 

/// Praxistipp

Der Gewerbesteuerpflicht sollte mehr Beachtung geschenkt werden. Insbesondere das Thema der Arbeitsteilung oder die Überwachung von mehreren angestellten Zahnärzten sind problematisch.

Gemeinschaftspraxen sollten bei der Aufgabenverteilung zwischen den Gesellschaftern daher sicherstellen, dass jeder Gesellschafter regelmäßig an der Behandlung von Patienten beteiligt ist, selbst wenn der Schwerpunkt auf kaufmännischen oder Managementaufgaben liegt.

Eine Lösung kann die Gründung einer MVZ GmbH darstellen. In diesem Fall stellt sich das Problem einer gewerblichen Infizierung der Einnahmen nicht, da das MVZ als GmbH ohnehin gewerbesteuerpflichtig ist. Wer auf der sicheren Seite sein will, sollte sich bei diesen Fragen rechtlich und steuerlich beraten lassen.

– AUTORIN
Simone Erbacher
Diplom-Wirtschaftsjuristin, Steuerberaterin

–KONTAKT
Erbacher, Lyck + Pätzold Steuerberatungsgesellschaft mbH
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–AUTOR
Christian Erbacher, LL.M
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Lyck+Pätzold. healthcare.recht 
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