Arbeitsunfähigkeit: Wann sind Maßnahmen und Zweifel berechtigt?

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Wenn Arbeitnehmer regelmäßig und kurz erkranken, entstehen bei Kollegen und dem Arbeitgeber oft Zweifel über die Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeit.

Volker Görzel

Oft kommt es im Arbeitsalltag zu Situationen, bei denen der Arbeitgeber oder die Kollegen an der Richtigkeit einer Krankmeldung von einem Arbeitgeber zweifeln. Das ist zum Beispiel häufig der Fall, wenn der Arbeitnehmer sich um das Wochenende herum krankmeldet.

Ob der der Arbeitnehmer nun krank ist oder lediglich das Wochenende durch eine Krankmeldung verlängern will ist in den meisten Fällen schwer zu beurteilen.

Ein ärztliches Attest ist grundsätzlich erst ab dem vierten Tag der Krankheit des Arbeitnehmers nötig, der Arbeitgeber kann das Attest aber auch schon ab dem ersten Tag des Fehlens fordern. Auch vor Gericht hat die Krankschreibung einen hohen Stellenwert, sie hat einen hohen Beweiswert dafür, dass der Arbeitnehmer tatsächlich krank war.

 

/// Was kann getan werden, wenn Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers besteht?

Nur in wenigen Fällen ist sicher festzustellen, dass die Krankheit des Arbeitnehmers nur vorgetäuscht war. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit auf einer Party, beim Hausbau oder auch im Fitnessstudio gesehen wird.

In anderen Fällen, zum Beispiel, wenn die Arbeitsunfähigkeit oft vor oder nach dem Wochenende vorliegt, ist es meistens ein generelles Misstrauen des Arbeitgebers und der Kollegen, dass die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht ist. In solchen Fällen ist es schwierig, eine gegebenenfalls nur vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen. Die Arbeitsunfähigkeit ist ein sehr sensibles Thema, nicht jede Vermutung über eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit ist auch wirklich begründet.

 

/// Der Arbeitgeber hat die Beweislast, eine möglicherweise vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit zu beweisen.  

Es empfiehlt sich, dass wenn der Arbeitgeber vermutet, dass der Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht hat, direkt das Gespräch zu suchen. Durch ein offenes Gespräch zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber kann Misstrauen über die Arbeitsunfähigkeit widerlegt werden.

Der Arbeitgeber muss beweisen, dass eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit vorliegt und seine Zweifel berechtigt sind. Eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit ist in den meisten Fällen nur schwer zu beweisen, weil dem Arbeitgeber keine Diagnosen oder sonstige Umstände um eine Krankheit bekannt sind. Auch wenn der Arbeitnehmer nicht dazu verpflichtet ist Informationen über die Krankheit an den Arbeitgeber weiterzuleiten, kann wenn bestehende Zweifel angesprochen werden, Umstände um die Krankheit in vielen Fällen auch schon durch die Reaktion des Arbeitnehmers erforscht werden.

 

/// Der Arbeitgeber kann die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch schon ab dem ersten Tag fordern

Bestehen nach dem Gespräch weiterhin Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, kann der Arbeitgeber auch die frühzeitigere Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangen. Arbeitnehmer sind nach dem EntgFG dazu verpflichtet, dem Arbeitgeber Informationen über die Voraussichtliche Dauer der Krankheit mitzuteilen. Eine verpflichtete Vorlage der Krankschreibung ist erst vorgesehen, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Tage anhält. Wie bereits erwähnt, darf der Arbeitnehmer die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch bereits am ersten Tag verlangen. Eine Verweigerung der Entgeltfortzahlung kann nur erfolgen, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht rechtzeitig vorlegt oder der Arbeitgeber Zweifel an der Richtigkeit der Bescheinigung hat.

Um den Beweiswert der der Arbeitsunfähigkeit zu senken, müssen eindeutige Beweise vorgetragen werden, die für einen erstzunehmenden Zweifel der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers sprechen. Ein ernsthafter Zweifel kann vorliegen, wenn die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt wird, der durch die Häufigkeit der Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auffällig geworden ist. Ein berechtigter Zweifel kann auch vorliegen, wenn sich der Arbeitnehmer wiederholt, oft vor oder nach einem Wochenende krankmeldet und die Arbeitsunfähigkeit dabei nur für einen kurzen Zeitraum vorliegt.

 

/// Bei der Krankenkasse kann eine Zusammenhangsanfrage gestellt werden  

Liegt ein berechtigter Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers vor, kann bei der Krankenkasse eine so genannte Zusammenhangsanfrage gestellt werden. Dabei kann erfragt werden, ob die wiederholte Arbeitsunfähigkeit aufgrund derselben Krankheit entstanden ist. Ist das der Fall deutet das auf eine Krankheit hin, die anhaltend ist und demnach auch einen regelmäßigen Behandlungsbedarf hat. So kann zum Beispiel auch das regelmäßige Fehlen vor oder nach dem Wochenende rechtfertigen. Akute Erkrankungen, wie Bauchschmerzen oder Schwindel gelten dabei nicht als dieselbe Krankheit.

 

/// Senkung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch eine Stellungnahme des Medizinischen Dienst möglich

Außerdem kann der Arbeitgeber verlangen bei der Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme beim Medizinischen Dienst einzuholen. Besteht durch die Stellungnahme eine abweichende Beurteilung, werden zunächst der behandelnde Arzt und die Krankenkasse darüber informiert. Wenn der Arzt nach seiner Auffassung über die Krankheit nicht weiter begründen kann, übermittelt die Krankenkasse an den Arbeitgeber ob und bis wann eine Arbeitsunfähigkeit nach der Stellungnahme vorlag. Dadurch kann der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung weiter gesenkt werden. Durch die Stellungnahme kann für den Arbeitgeber ein Gegenbeweis gegen die Arbeitsunfähigkeit und für den Arbeitnehmer arbeitsrechtliche Konsequenzen entstehen.

– AUTOR
Volker Görzel
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

 

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