Asthma – Symptome

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Asthma – Symptome, Differentialdiagnosen und Maßnahmen

Ihre Patientin ist bekannte Phobikerin im Kontext von zahnärztlichen Behandlungen. Diese Behandlungen lösen bei ihr massiven Stress und eine damit einhergehende körperliche Belastung aus. Eine Behandlung in Vollnarkose wird jedoch abgelehnt. Die anstehende Wurzelkanalbehandlung ist jedoch unausweichlich. Im Verlauf Ihrer Behandlung bemerken Sie, dass die Patientin zunehmend hektischer wird und angestrengt ausatmet. Sie klagt über Luftnot.

Markus Bretschneider, M.Sc.

 

Sie sind in dieser Situation gefordert, gut und schnell zu reagieren. Sie müssen etwaige ernste Notfälle abwägen und die passende Behandlung einleiten, damit es Ihrer Patientin schnell wieder gut geht. Doch wie gehen Sie hier vor?

 

/// Symptome

Betrachten wir zunächst die Symptom. Für die Beurteilung nutzen wir das xABCDE Schema.

Dem Schema folgend wird der Patient untersucht und jeweils die im aktuellen Buchstaben notwendige Untersuchung durchgeführt oder die dort aufgefundenen Symptome behandelt.

Die Buchstaben kurz erläutert:

X: starke Blutung vorhanden?

A: Airway – Atemweg frei?

B: Breathing – Atmung vorhanden und physiologisch?

C: Circulation – Kreislaufsituation positiv?

D: Disability – Neurologische Defizite vorhanden?

E: Exposure – weitere Untersuchungen und Begleitumstände

 

xABCDE

Beurteilung unserer Patientin

x

Keine relevanten Blutungen, keine Verletzungen

A

Exspiratorischer Stridor

B

Beurteilung der Atmung: Sprechdyspnoe, beginnende Lippenzyanose, Auskultation (exp. Stridor) und Pulsoxymetrie (89% SpO2 bei Raumluft)

C

Beurteilung von Rekap Zeit an Stirn oder Sternum: unauffällig

Beurteilung des Pulses: Tachykardie um 125 bpm, gut tastbarer Puls

Blutdruck: Hypertonie mit 160/105 mmHg

D

Beurteilung des Bewusstseins: wach, ansprechbar, Agitation,

Blutzuckermessung: 120 mg/dl

E

Inspektion leicht einsehbarer Hautareale und Schleimhäute: beg. Lippenzyanose, sonst rot und unauffällig

Erfragen weiterer Beschwerden: Atemprobleme beim Ausatmen, Angst, Herzrasen  

 

/// Diagnose

Unsere Erstdiagnose lautet Asthmaanfall.

 

/// Pathophysiologie

Die S2k Leitlinie zur fachärztlichen Diagnostik und Therapie von Asthma 2023 der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. beschreibt Asthma als eine heterogene, multifaktorielle, chronisch-entzündliche Erkrankung der Atemwege. Diese ist meist charakterisiert durch bronchiale Hyperreagibilität und / oder variable Atemwegsobstruktionen. Auf wenn die Prävalenzdaten einen leichten Rückgang in den westlichen Industrieländern beschreiben, so betrug im Jahre 2013 die Lebenszeit-Prävalenz in Deutschland 8,4%.

Asthma kann in jedem Lebensalter auftreten und muss nicht lebenslang persistieren.

Glücklicherweise ist die Mortalität in den Jahren 1990 bis 2019 um 50% gesunken. In Deutschland zwischen 1998 und 2020 gar um 70%.

In Summe gab es im Jahr 2020 in Deutschland noch etwas über 30 Todesfälle bei von einem Status asthmaticus (schwer zu durchbrechender Asthmaanfall mit einer Dauer länger 24h) betroffenen Patienten. Dennoch sind jährlich circa 5.000 Todesfälle in Deutschland mit Asthma vergesellschaftet.

 

Erstmanifestationsalter und Prävalenz von Asthma

Quelle: S2K Leitlinie […] Asthma 2023, Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V.

 

Asthma charakterisieren folgende Merkmale:

  • Chronische Entzündung der Atemwege, verbunden mit strukturellen Umbauprozessen
  • Reversible Bronchialobstruktion und / oder bronchiale Hyperreagibilität
  • Auftreten respiratorischer Symptome

 

Als Asthmaexazerbationen bezeichnet man Phasen einer progredienten Zunahme der Asthmasymptome und / oder Abnahme der Lungenfunktion. Gleiche Bedeutung haben die Begriffe akutes Asthma und eingeschlossen der Begriff Asthmaanfall. Meist entsteht diese Obstruktion innerhalb von Minuten.

 

Die Limitierung des Atemflusses rührt von folgenden vier Faktoren her:

  • Neuromuskulär vermittelte Bronchokonstriktion
  • Ödem der Atemwegswände
  • Verdickung der Atemwegswände durch entzündliche Infiltrate und Atemwegsumbau, so genanntes Remodeling
  • Verlegung der Atemwege durch hochvisköses Sekret

Damit sind die früher bekannten „Asthma–Trias“ um den Faktor des Remodeling erweitert.

 

Asthma kann durch folgende Auslöser entstehen:

  • Endogene Faktoren:
    • Genetische Prädisposition
    • Adipositas
    • Geschlecht (Kindesalter – männliches Geschlecht, Erwachsenenalter – weibliches Geschlecht)
  • Exogene Faktoren
    • Allergene
    • Infektionen (noch nicht sicher erforscht)
    • Umweltbedingungen (Noch nicht sicher erforscht)
    • Berufliche Exposition
    • Vitamin D Mangel (zumindest mit Auswirkung auf die Exazerbationsrate)
    • Tabakrauch

 

Der stärkste bisher identifizierte prädisponierende Faktor zur Asthmaentwicklung sind die Allergene. Man nennt dies allergisches oder extrinsisches Asthma.

Jedoch sind bei 30-50% der Erwachsenen mit Asthma weder anamnestisch noch in Tests Allergien nachweisbar. Diese Form wird als nicht allergisches oder sinnvoller intrinsisches Asthma bezeichnet. Die Formulierung intrinsisches Asthma eignet sich mehr, da der fehlende Nachweis einer allergischen Sensibilisierung eine Allergie nicht ausschließt. Eine besondere Form ist Asthma bei körperlicher Belastung. Man fasst es unter dem Begriff anstrengungsinduzierte Bronchokonstriktion zusammen. Als Hintergrund wird eine wiederholte Austrocknung der Schleimhäute, verbunden mit dem beschriebenen Remodeling und der Entwicklung einer bronchialen Hyperreagibilität postuliert.

Mischformen der Asthmaarten sind möglich.

 

 

Erwachsene

Kinder

Symptome

Trockener Husten, erschwerte und / oder verlängerte Ausatmung, Atemnot, Giemen, Angst, Tachykardie, Zyanose, Agitiertheit, Verwirrtheit, Symptomatik häufiger nachts oder morgens, besondere Schwere der Symptomatik ist bei sehr leisen Atemgeräuschen zu erwarten (silent chest)

Erwachsene: zusätzlich Brustenge

 

 

/// Wichtige Differentialdiagnosen

  • Fremdkörperaspiration
  • COPD
  • Bronchiektasen
  • Vocal cord dysfunction (intermittierender Stimmlippenverschluss)
  • Asthma cardiale
  • Tumoren
  • Refluxkrankheit
  • Sarkoidose
  • Alpha 1 Antitrypsin Mangel (Erbkrankheit)
  • Mukoviszidose
  • Dysfunktionale Atemmuster
  • Alle weiteren Krankheitsbilder mit dem führenden Symptom Dyspnoe (Bsp. Lungenembolie, Pneumothorax, Bronchitis, Hyperventilationssyndrom, ….)

 

/// Nicht-ärztliche Maßnahmen

Als erste Maßnahme sollte durch den Zahnarzt entschieden werden, ob ein Notruf notwendig ist. Dieser sollte dann vom nicht-ärztlichen Personal ausgeführt werden.

Eine relevante Erstmaßnahme ist die richtige Lagerung der Patientin. Hier ist eine Lagerung indiziert, die die Atmung unterstützt. In der Folge ist die Erhebung der Vitalparameter notwendig, um die weiteren Maßnahmen festzulegen. Die Messung von Herzfrequenz und Blutdruck können von Ihren zahnmedizinischen Fachangestellten durchgeführt werden, während Sie mittels Auskultation den Patienten untersuchen. . Nach der Beurteilung mittels dem xABCDE Schema und den sich daraus ergebenden entsprechenden Maßnahmen ist eine Eigen- und Fremdanamnese nach dem SAMPLERS-Schema sinnvoll. SAMPLERS steht für Symptome, Allergien, Medikamente, medizinische Vorgeschichte, letzte Mahlzeit/letzter Stuhlgang/letzter Krankenhausaufenthalt, Ereignis vor dem Geschehen sowie Risikofaktoren und Schwangerschaft. Gerade Allergien sind in der Regel den Patienten bekannt.

Die Lagerung Ihrer Patientin sollte mit erhöhtem Oberkörper stattfinden und mit den Armen nach hinten gestützt. Dies aktiviert die Atemhilfsmuskulatur. Sollte die Patientin mit eingeschränkter Bewusstseinslage aufwarten, so empfiehlt sich die stabile Seitenlagerung. Wichtig ist es nun unbedingt körperliche Anstrengungen zu vermeiden. Sollten Sie über ein EKG oder einen Defibrillator mit EKG-Ableitung verfügen, so kann dies zur weiteren medizinischen Überwachung genutzt werden.

Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Betreuung der Patientin, um weitere Belastungen durch Angst und Stress von ihr fernzuhalten.

 

/// Ärztliche Maßnahmen gemäß S2k Leitlinie

Folgende Maßnahmen sind, neben der unverzüglichen Anlage es i.V.-Zugangs, medikamentös anzudenken:

 

Besonders der sehr rasche Einsatz von SABA (short acting beta 2 agonist) wird in der Leitlinie hervorgehoben. Hier wird insbesondere auch die inhalative Applikation initial präferiert.

 

Medikament

Dosierung Erwachsener

Wiederholung

Dosierung Kind

Wiederholung

Sauerstoff

2-4l über Nasenbrille

Fortlaufend

2-4l über Nasenbrille

Fortlaufend

Kurz wirksames Beta-2-Sympathomimetikum

2-4 Hübe des Dosieraerosols

Ggfs. nach 10-15 Minuten

2-4 Hübe des Dosieraerosols

Ggfs. nach 10-15 Minuten

Prednisolon oral

20-25mg

 

 

 

Prednisolon i.V. bei schwerer Symptomatik

50-100mg

Nach 4-6h

2mg/kg KG

1-2mg/kg KG nach 4-6h

Ipratropiumbromid

0,5mg im Vernebler oder 4 Hübe

 

0,5mg im Vernebler oder 4 Hübe (ab 6 Jahre)

 

Terbutalin

 

oder

 

Reproterol

0,25 – 0,5mg s.c.

 

 

 

0,09mg langsam i.V.

Nach 4h

 

 

 

Nach 10 Minuten

Nicht unter 12 Jahren

 

 

1,2 µg/kg KG langsam i.V. (ab 3 Monate)

 

 

 

 

Magnesiumsulfat (Achtung BRandycardiegefahr)

2g über 20 Minuten i.V.

 

25-50mg/kg KG über 20-30 min. i.V., max. 2g

 

Grün = bei jeder Symptomatik

Orange = bei schwerer Symptomatik

Gelb =  bei leichter bis mittlerer Symptomatik

 

CAVE:

  • Theophyllin oder Aminophyllin hat sehr wahrscheinlich keine zusätzliche bronchodilatatorische Wirkung und sollte nur bei fehlender Wirkung der o.g. Medikamente als Einzelfallentscheidung bei lebensbedrohlichem Asthma appliziert werden.
  • Sedativa, Anxilytika und Morphin sollten nur bei vorliegender Intubationsbereitschaft Anwendung finden. Gleichzeitig haben diese Medikamente eine atemdepressive Wirkung und vermindert das Dyspnoe-Empfinden.
  • Antibiotika sind i.d.R. nicht indiziert.
  • Mukopharmaka (Schleimlöser) sind kontraindiziert
  • Hohe i.V. applizierte Flüssigkeitsvolumina führen zu einer kardialen Belastung.

 

 

/// Hilfreiches Material für die Praxis

Neben den notfallmedizinisch sinnvollen Grundausstattungen der Praxis wie Notfallkoffer oder Notfallrucksack nebst Diagnostik (Blutdruck, Pulsoxymetrie, Stethoskop, Blutzuckermessgerät, Pupillenleuchte, Beatmungsbeutel mit Masken, Absaugeinrichtung, Verbandsmittel, Materialien zur i.V. Zugangsanlage und Medikamentengabe) empfiehlt sich als Vorbereitung für den Asthmaanfall noch besonders folgendes Material:

 

  • Kurz wirksames beta-2-Sympathomimetikum
  • Prednisolon oral und i.V.
  • Ipratropiumbromid
  • Terbutalin oder Reproterol

Insgesamt empfiehlt es sich sehr, als Praxis gemeinsam regelmäßige Notfalltrainings zu besuchen, um zu lernen und zu üben, wie alle gemeinsam routiniert auf medizinische Notfälle in der Praxis reagieren können.

– AUTOR
Markus Bretschneier, M.Sc.
Notfallsanitäter, Abteilungsleiter Dienste

 

– KONTAKT
Malteser Hilfsdienst e.V.
Diözesangeschäftsstelle München
Streitfeldstraße 1
81673 München
www.malteser.de/standorte/erzbistum-muenchen-freising