Dauerbrenner – Gewerbliche Nebentätigkeit von Zahnärzten

Rechtsanwältin Jennifer Jessie

Erst einmal vorweg: Ja, auch Zahnärzte dürfen einer gewerblichen Tätigkeit nachgehen. Wichtig ist nur, die Grenzen hierfür zu kennen! Maßstab für die Beurteilung im Einzelfall ist immer das Leitbild des Zahnarztberufes. Darüber hinaus kommt es darauf an, ob und in welcher Form ein Bezug zur zahnärztlichen Tätigkeit besteht.

Jennifer Jessie

/// Wesen des Heilberufs

Zahnärzte üben einen freien Beruf aus. Charakteristisch ist, dass Zahnärzte ihren Beruf aufgrund besonderer beruflicher Qualifikation persönlich, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig in Bezug auf Diagnose und Therapiewahl ausüben. Die Ausübung einer gewerblichen (Neben-)Tätigkeit durch Zahnärzte muss sich daher auch an diesen Grundsätzen messen lassen.

 

Im Gegensatz zum freien Beruf ist ein Gewerbe eine wirtschaftliche Tätigkeit, die auf eigene Rechnung, eigenverantwortlich und vor allem auf Dauer mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird. Gerade der Aspekt der Gewinnerzielungsabsicht unterscheidet das Gewerbe von dem freien Beruf der Zahnmediziner, obwohl natürlich auch Zahnärzte, insbesondere Praxisinhaber, vor allen Dingen auch Unternehmer sind und sein müssen, um ihre Praxis wirtschaftlich und erfolgreich führen zu können.

 

Aufgrund des Wesens des Heilberufs wird von der Rechtsprechung stets betont, dass kaufmännische Gesichtspunkte vom Heilauftrag von Zahnärzten (und auch Ärzte) zu trennen sind. Ein Patient soll darauf vertrauen können, dass sich Zahnärzte nicht von kommerziellen Interessen, sondern ausschließlich von medizinischen Notwendigkeiten leiten lassen. Eine Kommerzialisierung des Zahnarztberufes ist gesundheitspolitisch nicht erwünscht (vgl. BGH, Urteil vom 02.06.2005, I ZR 317/02).

 

Nach der Berufsordnung ist es Zahnärzten vor diesem Hintergrund ausdrücklich nicht erlaubt, ihre zahnärztliche Berufsbezeichnung für gewerbliche Zwecke zu verwenden oder die Verwendung für gewerbliche Zwecke zu gestattet. Im Wesentlichen geht es also darum, dass Zahnärzte ihren Berufsstatus und damit das Vertrauen der Patienten in ihre Kompetenzen nicht als Deckmantel für Tätigkeiten verwenden, bei denen nicht das Patienteninteresse, sondern die Gewinnerzielungsabsicht im Vordergrund steht. Nach der Rechtsprechung ist Zahnärzten eine gewerblich-unternehmerische Tätigkeit auf dem Gebiet des Heilwesens daher nicht grundsätzlich untersagt. Die gewerbliche Tätigkeit ist vielmehr erlaubt, wenn es mit den ethischen Grundsätzen des zahnärztlichen Berufes vereinbar ist (vgl. BGH Urteil vom 29.05.2008, I ZR 75/05).

 

/// Begriff der Zahnheilkunde und Behandlungsbezug

Um im konkreten Fall zu beurteilen, ob eine bestimmte gewerbliche Tätigkeit für Zahnärzte zulässig ist oder nicht, muss also geprüft werden, ob und in welchem Umfang die angestrebte gewerbliche Tätigkeit eine nicht gänzlich unerhebliche Wirkung in Richtung Kommerzialisierung hat. D.h. handelt es sich um ein für den Patienten erkennbar naheliegendes Zusatzangebot des Zahnarztes, das auch einen Behandlungsbezug aufweist, oder gerade nicht.

 

Nach dem Zahnheilkundegesetz (ZHG) fallen alle medizinische Behandlungen im Bereich der Zähne, des Mundes und des Kiefers unter den Begriff der Zahnheilkunde (§ 1 Abs. 3 ZHG). Es handelt sich um die berufsmäßige auf zahnärztlich wissenschaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Als Krankheit ist jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer anzusehen, einschließlich der Anomalien der Zahnstellung und des Fehlens von Zähnen.

 

Darüber hinaus ist nach der Rechtsprechung auf eine natürliche Betrachtungsweise abzustellen. Es ist die Frage zu beantworten, ob bei einem bestimmten Behandlungs- oder Tätigkeitsangebot es sich um eine solche handelt, die für Zahnärzte typisch und gerade nicht ungewöhnlich ist.

 

/// Zahnarztlabor: ja – Faltenunterspritzung: nein

Ausdrücklich anerkannt und in der Berufsordnung entsprechend geregelt ist das Betreiben eines Zahnarztlabors (gewerbliche Tätigkeit) in den eigenen Praxisräumlichkeiten.

 

Auch zahnärztliche, gewerbliche Werbung wird längst nicht mehr als per se unzulässig erachtet. Vielmehr ist berufsbezogene und sachangemessene Werbung von Verfassungs wegen auch Zahnärztern ausdrücklich erlaubt. Wichtig ist nur, dass keine Gemeinwohlbelange entgegenstehen und ein Behandlungsbezug vorliegt (BVerfG, Beschluss vom 01.06.2011, 1 BvR 233/10, 1 BvR 235/10).

 

Nicht erlaubt ist dagegen die Durchführung von Faltenunterspritzungen im Gesichtsbereich durch Zahnärzte. Für eine Tätigkeit, die im Rahmen der zahnärztlichen Berufsausübung erfolgt, ist nach der Rechtsprechung ein Behandlungsbezug zum Bereich Zähne, Mund, Kiefer erforderlich, so dass bei der Beurteilung auf den räumlichen Ansatz der Behandlung und den Zweck des Eingriffs abzustellen ist (BVerwG, Beschluss vom 17.01.2014 – 3 B 48.13). Bei Faltenunterspritzungen im Gesichtsbereich, die in erster Linie kosmetischen Zwecken dienen, ist dies ersichtlich nicht der Fall. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine erlaubnispflichtige Ausübung der Heilkunde nach dem Heilpraktikergesetz (HPG). Fehlt also bei einer entsprechenden Behandlung wie z.B. bei der Faltenunterspritzung der notwendige Behandlungsbezug zum Bereich Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten, handelt es sich nicht um die Ausübung von Zahnheilkunde und ist den Zahnärzten daher verboten. Weder die Approbation als Zahnarzt, noch das Vorhandensein entsprechender Kompetenzen berechtigen nach der Rechtsprechung dazu, solche kosmetischen Behandlungen durch Zahnärzte durchführen zu lassen.

 

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat in einem jüngst entschiedenen Fall einem Zahnarzt sogar die Approbation entzogen, weil er über Jahre hinweg und vor allem trotz bereits auferlegten Verbots durch die Ordnungsbehörde, Faltenunterspritzungen im Bereich Stirn, Augenpartie, Hals sowie zur Lippen- und Faltenunterfüllung und zur Migränebehandlung durchgeführt hatte (OVG Münster, Beschluss vom 17.05.2017, 13 A 168/16).

 

Anders könnte solch ein Fall nur beurteilt werden, wenn Zahnärzte neben ihrer zahnärztlichen Approbation über eine ärztliche Approbation oder gar über eine Heilpraktikererlaubnis verfügen würden. Denn sowohl Ärzte als auch Heilpraktiker dürfen Faltenunterspritzungen vornehmen.

 

Einen Behandlungsbezug wurde in einem anderen Fall vom Bundesgerichtshof angenommen, in dem ein Arzt eine Ernährungsberatung in seiner Praxis angeboten hatte. Hier sah das Gericht eine sinnvolle Ergänzung zur ärztlichen Tätigkeit, die unter dem Aspekt der Vorbeugung der Volkskrankheit Übergewicht im Zusammenhang mit dem ärztlichen Beruf auch nicht als ungewöhnlich empfunden werde (BGH, Urteil vom 29.05.2008, I ZR 75/05). Der BGH hatte entschieden, dass die Mitwirkung von Ärzten an einem Diät- und Ernährungsprogramm nach der Lebenserfahrung nicht als Anzeichen dafür angesehen werde, dass sich die Ärzte inzwischen zunehmend als Gewerbetreibende verstehen und dementsprechend ihr Verhalten nicht mehr in erster Linie an den gesundheitlichen Interessen ihrer Patienten, sondern an ökonomischen Erfolgskriterien ausrichten. Dies gilt auch, wenn die Beratung durch den Arzt in den Praxisräumlichkeiten erfolgt.

 

/// Kein Problem bei konsequenter Trennung von Zahnarztberuf und Gewerbe

Unabhängig von dem Vorhergesagten, bleibt es aber allen Zahnärzten selbstverständlich unbenommen, völlig losgelöst vom zahnärztlichen Beruf eine weitere auch gewerbliche Tätigkeit auszuüben. Die Berufsordnung legt lediglich Wert darauf, dass die andere Tätigkeit sachlich, räumlich und organisatorisch sowie für jeden Patienten erkennbar von der zahnärztlichen Tätigkeit getrennt erfolgt. Bestenfalls wird nach dieser Regelung die andere Tätigkeit aus der Zahnarztpraxis also völlig ausgelagert, so dass ein Zusammenhang zur zahnärztlichen Tätigkeit zweifellos nicht hergestellt wird.

 

/// Praxistipp

Auch wenn Sie als Praxisinhaberin oder Praxisinhaber unternehmerische Entscheidungen treffen müssen, Sie sind unter dem Titel „Zahnarzt“ in erster Linie dem Gesundheitsinteresse Patienten verpflichtet, die Ihnen ein hohes Vertrauen sowie eine entsprechende Erwartungshaltung entgegen bringen. Möchten Sie mit oder ohne Bezug zu ihrer zahnärztlichen Tätigkeit eine weitere, gewerbliche Tätigkeit ausüben, empfiehlt es sich immer vorher rechtlichen Rat einzuholen. Es muss eingehend geprüft werden, ob die beabsichtigte Tätigkeit mit ihrem Berufsstand zu vereinbaren ist und wenn nicht, welche alternativen Lösungsmöglichkeiten bestehen. Graubereiche sind in jedem Fall zu vermeiden, denn dann ist Ärger vorprogrammiert, der im schlimmsten Fall der Verlust der Approbation bedeutet.

 

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Jennifer Jessie
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