Die Corona-Krise und ihre Bedeutung für jeden für uns aus juristischer Sicht

Wenn man die Gesamtentwicklung seit dem offiziellen Ausbruch der Corona-Pandemie Anfang März 2020 betrachtet, gewinnt man aus objektiver Sicht immer mehr den Eindruck, dass zahlreiche Menschen – nicht nur in Deutschland – noch immer die Tragweite dieser Pandemie nicht begriffen haben oder sie einfach desinteressiert alle Warnungen ignorieren.

Dr. Günther H. Raiser

 

Der Lockdown mit weitreichenden Konsequenzen für das tägliche Leben aber insbesondere auch für die Wirtschaft und mit Einschränkungen zu Lasten der Bevölkerung hat gezeigt, dass die Corona-Pandemie damit eingedämmt werden konnte und die Infektionszahlen deutlich zurückgegangen sind. Wenn man nunmehr aber die Entwicklung der vergangenen Wochen betrachtet, sieht man, dass weite Kreise der Bevölkerung offensichtlich nach dem Lockdown und sinkender Infektionszahlen die Gefahren, die nach wie vor von dem Virus ausgehen, offensichtlich total unterschätzen. Anders sind die aktuellen Zahlen, die einen Ansteckungsgrad dokumentieren, der die Höchstzahlen während des Lockdowns noch übersteigt, nicht zu erklären.

 

Wer den Ernst der Lage immer noch nicht begriffen hat oder aber sich von den objektiven Gegebenheiten nicht angesprochen fühlt, muss sich im Klaren darüber sein, dass er dadurch nicht nur seine Gesundheit und sein Leben riskiert, sondern auch – umfassend gesprochen – in den Rechtsbereich seiner Mitbürger eingreift mit erheblichen Konsequenzen, betont Rechtsanwalt Dr. Günther H. Raiser aus der renommierten Stuttgarter Kanzlei Thümmel, Schütze & Partner.

 

Derjenige, der mit durch Corona infizierten Personen in Kontakt gekommen ist oder aber unabhängig davon nur Corona-Symptome an sich wahrnimmt, obliegt rechtlich einer besonderen Sorgfaltsverpflichtung, die umso höher ist, je mehr der Betreffende unter den gegebenen Umständen damit rechnen muss, möglicherweise mit Corona infiziert zu sein.

 

Dabei sind grundsätzlich zwei rechtliche Ebenen zu unterscheiden. Dies ist einmal die strafrechtliche Relevanz von leichtsinnigem oder gar vorsätzlichem Verhalten unter Verstoß gegen die Corona Obliegenheiten und -verpflichtungen; zum zweiten aber auch die zivilrechtliche Seite mit weitreichenden nicht abzuschätzenden Schadensersatzrisiken.

 

Derjenige, der die Gesundheit einer anderen Person schädigt, macht sich eines Vergehens der Körperverletzung nach unserem Strafgesetz strafbar. Solche Strafbarkeit besteht aber nicht nur bei vorsätzlichem Verhalten, sondern bereits bei nur fahrlässiger Tatbegehung in Form der fahrlässigen Körperverletzung. Auch die Erfüllung nur dieses Straftatbestandes wird nach unserem Strafgesetzbuch bereits mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet. Dabei kommen aber nicht nur die Tatbestände der „einfachen Körperverletzung“ in Betracht, sondern auch diejenigen der „gefährlichen und schweren Körperverletzung“ einschließlich derjenigen mit „Todesfolge“. Straftatbestände, die mit deutlich höheren Strafen belegt sind und teilweise zwingend zu einer Freiheitsstrafe führen. In Vorsatzfällen, d.h. wenn der Betroffene positiv weiß oder zumindest damit rechnen muss mit Corona infiziert zu sein, kann man – insbesondere wenn man die neue Rechtsprechung zum Verkehrsstrafrecht sieht – sogar an die Erfüllung eines Tötungsdelikts, d.h. einem Verbrechen denken. Natürlich kommen all diese Straftatbestände mit empfindlichen Rechtsfolgen für den Betroffenen immer nur dann in Betracht, wenn dieser zumindest fahrlässig oder bei Vorsatz zumindest mit dolus eventualis in Kauf genommen hat durch seine Corona-Infektion einen anderen Menschen zu schädigen und ihm dies auch nachweisbar ist. Da die Rechtsprechung einen sehr extensiven Fahrlässigkeitsbegriff kennt und der Handelnde auch schnell im Bereich des sog. dolus eventualis ist, d.h. eine vorsätzliche Strafbarkeit bereits dann vorliegt, wenn der Handelnde den im Raume stehenden Erfolg billigt, muss man davon ausgehen, dass entsprechende Strafanträge in den nächsten Monaten zuhauf bei den zuständigen Staatsanwaltschaften anhängig gemacht werden. Natürlich, und dies soll nicht verschwiegen darf aber auch nicht überschätzt werden, muss dem Betroffenen jeweils in Bezug auf seine Verhaltensweise Kausalität zur Ansteckung eines oder mehrerer dritter Personen nachgewiesen werden. Wer sich darüber im Klaren ist und im Extremfall gar eine Rechtsverfolgung wegen eines Tötungsdelikts nicht ausgeschlossen werden kann, tut gut daran, sich künftighin an die Corona-Regeln zu halten. Dies ist zugegebenermaßen nicht immer ganz einfach, nachdem offensichtlich zwischen den Ländern keine einheitlichen Lösungen zustandezubringen sind. Solche Praxis hat aber natürlich auch den Vorteil, dass jedes Land und jede Region entsprechend dem Gefährdungsgrad durch die Pandemie zielgerichtet entscheiden und handeln kann.

 

Damit aber nicht genug. Die strafrechtlichen und vorgeschilderten Auswirkungen sorglosen Verhaltens sind aber nur die eine Seite. Davon streng zu trennen ist die wirtschaftliche und vermögensrechtliche Situation. Derjenige nämlich, der vorsätzlich oder fahrlässig die Gesundheit etc. eines anderen verletzt, unterliegt neben seiner strafrechtlichen Verantwortung auch und zudem den Risiken einer zivilrechtlichen Haftung. Mit anderen Worten: Verwirklicht ein Betroffener durch die Ansteckung eines Dritten mit Corona ein Körperverletzungs- oder gar Tötungsdelikts, schließt sich daran noch eine zivilrechtliche Haftungsverpflichtung an. Der Betroffene hat nämlich dem Geschädigten gegenüber allen wirtschaftlichen und zum Teil auch immateriellen Schaden zu ersetzen, den dieser dadurch erleidet, dass er durch den Betroffenen mit Corona infiziert wurde. Hierunter fallen selbstverständlich nicht nur die Behandlungs- und Krankenhauskosten, wobei insoweit auch mit Regressen durch die Krankenversicherungsträger zu rechnen ist, sondern im weiteren natürlich alle nachteiligen Folgen, die der Infizierte im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit etc. erleidet. Dabei können insbesondere dann ganz beachtliche Schäden entstehen, wenn der Geschädigte die Erkrankung nicht folgenfrei überlebt, sondern lebenslange Nachwirkungen besitzt oder gar zu Tode kommt.

 

/// FAZIT

Zusammenfassend muss man also feststellen, dass sorgloser Umgang mit der Corona-Pandemie und die entsprechende Missachtung der jetzt geltenden Regeln nicht nur die eigene Gesundheit und die der Mitmenschen gefährdet, sondern den Betreffenden auch strafrechtlich und haftungsrechtlich empfindlich treffen kann und zwar unabhängig von den zahlreichen Bußgeldvorschriften.

 

– AUTOR

Dr. Günther H. Raiser, Rechtsanwalt
Vizepräsident der Deutsche Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e.V. (DANSEF)

 

– KONTAKT

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