Die individuelle Praxisgründung: Wichtige Fragen und Entscheidungen

Die Selbstständigkeit verspricht Zahnärztinnen und Zahnärzten großes Entwicklungspotenzial. Sowohl beruflich als auch persönlich. Trotz der Chancen erreichen nur wenige das Ziel der unternehmerischen Freiheit. Neben instabilen Finanzen und einer mangelnden Praxisentwicklung führen typische Gründungsfehler in den ersten Jahren nach der Eröffnungsfeier zum Scheitern. Werden elementare Entscheidungen wohlüberlegt gefällt, können Gründer existenziellen Krisen vorbeugen und die Weichen für ihren Erfolg stellen.
Detlef Diehr

/// Bestehende Zahnarztpraxis übernehmen oder neu gründen?
Die Formen einer Praxisgründung sind vielfältig. Ein Klassiker ist die Übernahme einer bereits bestehenden Zahnarztpraxis. Hat der Vorgänger einen soliden Patientenstamm aufgebaut und sind die Prognosen zur künftigen Entwicklung gut, ist die Praxisübernahme eine hervorragende Option. Können Gründer sogar ein eingespieltes Praxisteam sowie eine moderne Objekteinrichtung übernehmen, sinken der organisatorische und finanzielle Aufwand erheblich.

Wünschen sich Existenzgründer jedoch größtmögliche Flexibilität und gestalterische Freiheit für Ihre Zahnarztpraxis, ist die Neugründung die bessere Wahl:

  • Patientenstamm und Belegschaft müssen zwar erst aufgebaut werden, doch die persönlichen Vorstellungen für die eigene Niederlassung lassen sich einfacher realisieren.
  • Obwohl die Neugründung eine höhere Investitionsbereitschaft erfordert, ist das langfristige finanzielle Entwicklungspotenzial durch die höhere Flexibilität immens.

Für eine objektive Standortanalyse sind zahlreiche Faktoren zu prüfen. Darunter das regionale Patientenpotenzial und das Fachkräfteangebot. Bei einer Praxisübernahme sollten Gründer die Zahlen und Fakten besonders aufmerksam studieren – sich allein auf Verkehrswertgutachten und allgemeine Standortanalysen zu verlassen, kann existenzbedrohende Folgen haben. Um die Perle unter den Angeboten zu finden, braucht es einen objektiven und ungeschönten Realitätscheck, der von den möglichen Digitalisierungskosten über die Honorare bis zur Patientenabwanderung reicht. Auch ein möglicher Investitionsstau durch veraltete Behandlungseinheiten oder Ähnliches kann die Erfolgsaussichten schmälern.

Die Frage, ob die Übernahme oder Neugründung die bessere Wahl ist, muss jeder Existenzgründer individuell beantworten. Beide Varianten bringen Vor- und Nachteile mit sich.

/// Einbehandler- oder Mehrbehandlerpraxis?
Auch die Entscheidung, ob die eigene Niederlassung als Einbehandler- oder Mehrbehandlerpraxis geführt werden soll, nimmt maßgeblich Einfluss auf die berufliche Existenz. Die Einzelpraxis hat den Vorteil, dass ein niedergelassener Zahnarzt alleine über alles bestimmen kann. Die unternehmerische Freiheit hinsichtlich Urlaub, Personal und Investitionen geht mit maximaler Unabhängigkeit einer. Gründer genießen die volle Entscheidungsgewalt, tragen jedoch auch eine hohe Verantwortung.
In einer Mehrbehandlerpraxis verteilt sich die Verantwortung auf mehrere Schultern und der kollegiale Austausch trägt zur persönlichen Entwicklung bei. Weitere Vorteile sind die bessere Rentabilität, die Steigerung des Patientenservices durch Schichtsysteme für ausgedehnte Öffnungszeiten und die Bündelung von Kompetenzen. Ein weiterer wesentlicher Pluspunkt ist die Tatsache, dass in Mehrbehandlerpraxen Krankheits- und Urlaubszeiten der Behandler keine vorübergehende Schließung der Zahnarztpraxis zur Folge haben. Stattdessen kann die Niederlassung bei guter Planung das ganze Jahr über für ihre Patientinnen und Patienten da sein.

/// Merkmale der Berufsausübungsgemeinschaft
Möchten mehrere Zahnärztinnen und Zahnärzte gemeinschaftlich praktizieren, können sie sich zu einem Verbund zusammenschließen und eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) bilden. Eine BAG liegt vor, wenn:

  • Mindestens zwei Ärzte mit vertragsärztlicher Zulassung organisatorisch und wirtschaftlich eine Einheit bilden.
  • Der Ärzteverbund wirtschaftlich und rechtlich einen einheitlichen Betrieb bildet.
  • Gegenüber der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZV) unter einer

Abrechnungsnummer abgerechnet wird.
Kosten und Gewinn werden in einer BAG gemäß Gesellschaftsvertrag verteilt. Die praktizierenden Zahnärztinnen und Zahnärzte greifen auf ein gemeinsames Personal zurück und nutzen die Praxisräume gemeinschaftlich. Allerdings trifft dies nur auf die klassische Gemeinschaftspraxis beziehungsweise die so genannte örtliche BAG zu. Eine Alternative ist die überörtliche BAG: Hier praktizieren die Praxispartner an mehreren Standorten.
Um die regionale Versorgung zu verbessern, werden vielerorts Medizinische Versorgungszentren (MVZ) gebildet. Dies ist eine Variante der Berufsausübungsgemeinschaft. Neben Zahnärzten können darin andere ärztliche Fachrichtungen vertreten sein.
(vgl. Artikel Qualitätsgesteuerte Großpraxis in Eigenregie? Das geht!)

/// Unterscheidung zur Praxisgemeinschaft
Unterschieden wird die Berufsausübungsgemeinschaft von einer Praxisgemeinschaft. In einer Praxisgemeinschaft praktizieren die Zahnärzte zwar im Rahmen einer Organisationsstruktur unter einem Dach, die Zahnarztpraxen sind jedoch jeweils rechtlich selbstständig und verfügen über separate Abrechnungsnummern. Abseits der gemeinsamen Nutzung von Praxisressourcen – wie beispielsweise Personal – liegt keine Zusammenarbeit vor.

/// Unterschiede beim Finanzierungsvolumen
Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KZBV) haben im statistischen Jahrbuch 2022 interessante Daten und Fakten zusammengestellt. Darunter die Investitionen bei der zahnärztlichen Existenzgründung. In einer Grafik wurden folgenden Zahlen zum Finanzierungsvolumen (in Tsd. Euro) im Jahr 2019 veröffentlicht, welche als erste Orientierung dienen können:

  • Neugründung Einzelpraxis: 557
  • Übernahme Einzelpraxis: 410
  • Neugründung Berufsausübungsgemeinschaft: 511
  • Übernahme Berufsausübungsgemeinschaft: 341
  • Beitritt/Einstieg Berufsausübungsgemeinschaft: 321

(Quelle: bzaek.de/fileadmin/PDFs/df22/Daten_Fakten_2022.pdf)

/// Wichtige Faktoren einer bedarfsgerechten Zahnarztpraxis
Ist die Entscheidung für eine Praxisform gefallen, beginnt die Suche nach dem idealen Objekt. Die Fläche und Raumaufteilung sind dabei ebenso wichtig, wie ein barrierefreier Patientenzugang und ein modernes Einrichtungskonzept für eine hohe Arbeitgeberattraktivität. Das Platzangebot wird von vielen Existenzgründern zu gering eingeschätzt. Dabei vernachlässigen viele, dass bei angestrebtem Wachstum schnell zusätzliche Quadratmeter zur räumlichen Entwicklung erforderlich sind. Werden für ergänzende Leistungen zusätzliche Mitarbeitende und Räume benötigt, kann es bei falscher Planung schnell eng werden. Entscheidend ist, dass bereits bei der Planung des Gründungsvorhabens die Entwicklung langfristig durchdacht wird.

/// Ein Praxisteam braucht eine werteorientierte Führung
Ein erfolgreiches Praxisteam setzt eine kompetente Führung voraus. Führungskompetenzen sind jedoch nicht automatisch gegeben und gleichermaßen ausgeprägt, sondern müssen erlernt und kontinuierlich geschärft werden. Eine solide Führungspersönlichkeit gibt dem Praxisteam Sicherheit, Klarheit und Orientierung. Sie motiviert, fördert, fordert und schafft Vertrauen.
Bevor sich Existenzgründer an die Bildung eines Teams machen, sollten sie sich intensiv mit ihrer angestrebten Unternehmenskultur beschäftigen. Wofür soll die Zahnarztpraxis stehen? Welche Werte stehen im Vordergrund? Warum sollten Talente ins Team kommen? Die Antwort auf diese Fragen hat später direkten Einfluss auf zahlreiche Bereiche wie die Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Betrieb, das kommunikative Verhalten intern und extern sowie das Engagement jedes Einzelnen.

/// Organisation: Klare Abläufe fördern die Produktivität
Die Wirksamkeit eines effizienten Systems ist enorm. In einer optimal organisierten Zahnarztpraxis weiß jeder, was zu tun ist. Alle Zahnräder der Organisation greifen reibungslos ineinander und gewährleisten einen effizienten Praxisalltag. Starke Hebel zur Entwicklung eines funktionierenden Systems sind die Fokussierung auf den Patientennutzen und die transparente Kommunikation im Team auf allen Ebenen:

  • Wie lassen sich Abläufe gestalten, um Wartezeiten zu reduzieren?
  • Welche Prozesse sind für mehr Klarheit zu vereinheitlichen?
  • Wo können Teammitglieder mehr Verantwortung übernehmen und das eigenverantwortliche Handeln gefördert werden?

/// Der Patient im Mittelpunkt
Die primäre Aufgabe einer Zahnarztpraxis besteht darin, Menschen die bestmögliche Behandlung zu bieten. Dient das Patientenwohl in allen Belangen als Maßstab, fällt es leichter, das Leistungsspektrum der Zahnarztpraxis bedarfsgerecht zu gestalten. Um herauszufinden, was sich Patientinnen und Patienten wünschen, reicht es nicht, Statistiken zu wälzen und allgemein gültige Anforderungen zu erfüllen.

Das gesamte Praxisteam von den praktizierenden Zahnärzten über die zahnmedizinische Prophylaxeassistenz bis zu den Auszubildenden muss den Patientenbedarf im Blick haben und aufmerksam zuhören. Durch den kontinuierlichen Austausch können Praxisteams ein individuelles Serviceangebot erarbeiten und sich mit einem überzeugenden Patientenerlebnis erfolgreich von ihren Mitbewerbern abheben.

/// Zum Autor
Branchenexperte Detlef Diehr hat in den vergangenen 16 Jahren viele Existenzgründerinnen und Existenzgründer der Dentalbranche auf ihrem Erfolgsweg begleitet. Mit seiner branchenspezifischen Gründungsberatung Diehr Praxisplus betreut der Betriebswirt, Bilanzbuchhalter und mehrfache Buchautor („Der Weg zur erfolgreichen Zahnarztpraxis“) Zahnärztinnen und Zahnärzte von der Praxissuche bis zum Controlling.

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