Ein typischer Fall aus der Praxis:in Zahnarzt beschäftigt nocheine angestellte Zahnärztin in Vollzeit. An einem Morgen kurz vor Praxisbeginn teilt sie ihrem Chef mit, dass sie schwanger ist und legt ihm ein Attest des Gynäkologen vor, aus dem sich ergibt, dass der voraussichtliche Entbindungstermin in 6 Monaten ist. Was nun? Darf die Zahnärztin weiterhin Patienten behandeln? Wie geht es nun weiter, sowohl im laufenden Praxisbetrieb als auch im laufenden Arbeitsverhältnis? Wer muss informiert werden? Welche Schritte müssen eingeleitet werden und welche Formalien beachtet werden?
Jennifer Jessie
Diese und viele weitere Frage stellen sich Praxisinhaber, wenn sie von der Schwangerschaft einer angestellten Zahnärztin Kenntnis erlangen. Oftmals sind Praxisinhaber auf diesen Fall auch eher schlecht bis hin zu gar nicht vorbereitet, was von rechtlicher Seite in mehrerer Hinsicht risikobehaftet ist. Arbeitgeber sind verpflichtet, eine Vielzahl von Praxis –und Arbeitgeberentscheidungen im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft oder Stillzeit zu treffen. Geht man die Thematik unvorbereitet an, kann dies problematisch für den Arbeitgeber selbst, aber auch belastend für das laufende Arbeitsverhältnis werden. Im Folgenden werden Problemkreise angesprochen, die oftmals gar nicht bedacht werden.
/// Richtige Vorbereitung von Anfang an: Generelle Beurteilung von Arbeitsbedingungen
Praxisinhaber müssen sich darauf vorbereiten, dass eine Mitarbeiterin schwanger wird und sie ihr Kind auch nach der Geburt stillt. Im Grunde genommen schon vor der Anstellung von Mitarbeitern sind Arbeitgeber gehalten, sich mit dem Thema Arbeitsschutz und in concreto mit dem Thema Mutterschutzschutz zu befassen. Warum? Weil von Gesetzes wegen eine Beurteilung der Arbeitsbedingungen für jeden Arbeitsplatz vorgesehen ist. Und sobald ein Arbeitgeber Mitarbeiter beschäftigt, hat er arbeitsschutzrechtliche Maßgaben zu beachten. Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) verweist in § 10 MuSchG insofern ausdrücklich auf § 5 Arbeitsschutzgesetz, wonach Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen zu ermitteln hat, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.
/// Generelle Gefährdungsbeurteilung als Maßstab für individuelle Gefährdungsbeurteilung
Jeder Arbeitsplatz muss daher einer generellen Gefährdungsbeurteilung unterzogen werden, die auch zu dokumentieren ist (§ 14 MuSchG). Es muss beurteilt werden, welchen Gefährdungen schwangere oder stillende Frauen oder ihr Kind nach Art, Ausmaß und Dauer ausgesetzt sind oder sein können. Aufgrund des jeweiligen Ergebnisses muss der Arbeitgeber dann beurteilen, ob besondere Schutzmaßnahmen im Falle der Schwangerschaft oder während der Stillzeit getroffen werden müssen, ob eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes notwendig sein wird oder ob eine Fortführung der Tätigkeit an diesem Arbeitsplatz nicht möglich ist (§ 10 Abs. 1 MuSchG).
Teilt eine Mitarbeiterin dann mit, dass sie schwanger ist, muss der Arbeitgeber unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, handeln. Er muss auf Grundlage der generellen, arbeitsplatzbezogenen Gefährdungsbeurteilung die entsprechenden Schutzmaßnahmen festlegen. In der praktischen Umsetzung bedeutet dies, dass der Arbeitgeber schon vor Bekanntgabe einer Schwangerschaft wissen muss, ob und welche Schutzmaßnahmen im Fall der Fälle zu ergreifen sind, damit er auch wirklich unverzüglich agieren kann. Er muss vorher schon wissen, ob er im Falle einer Schwangerschaft eine Mitarbeiterin noch zu den vertraglich vereinbarten Konditionen weiter beschäftigen kann und darf oder nicht.
/// Rangfolge der Schutzmaßnahmen – Beschäftigungsverbot nur ultima ratio
Aufgrund der Gefährdungsbeurteilung muss der Arbeitgeber letztlich im Falle der Schwangerschaft und dann auch Stillzeit folgende Schutzmaßnahmen treffen, die er idealer weise schon im Vorfeld in folgender Rangfolge für den jeweiligen Arbeitsplatz ermittelt hat:
- Kommt eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes in Betracht? Wenn nein:
- Kommt ein Arbeitsplatzwechsel in Betracht? Wenn nein:
- Die Mitarbeiterin darf nicht beschäftigt werden, es muss ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen werden.
Das Beschäftigungsverbot ist ultima ratio und soll nach dem Wunsch des Gesetzgebers nur dann zum Tragen kommen, wenn jegliche alternative Beschäftigungsmöglichkeit während der Schwangerschaft oder Stillzeit nicht zumutbar in Betracht kommt. Hintergrund ist, dass Frauen durch die Schwangerschaft und Stillzeit nicht in ihrem beruflichen Fortkommen und ihrer Erwerbstätigkeit gehindert und benachteiligt werden sollen. Im Ergebnis hat ein Beschäftigungsverbot zur Folge: das Arbeitsverhältnis besteht unverändert fort, die Mitarbeiterin darf nur die von ihr vertraglich geschuldete Tätigkeit temporär nicht ausführen, solange die Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverbot vorliegen.
Nun denn, theoretisch sind die mutterschutzrechtliche Vorgaben und das Erfordernis zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen einleuchtend und nachvollziehbar. Gerade auch im Zahnarztberuf, in dem man naturgemäß mit Bio- und Gefahrstoffen in Kontakt kommt, muss dem Schutzbedürfnis von (werdender) Mutter und dem Kind Rechnung getragen werden. Die praktische Umsetzung ist gleichwohl eine ganz besondere Herausforderung, weil weitläufig nicht eindeutig klar ist, ob und welche Tätigkeit im Rahmen des Zahnarztberufes eine sog. unverantwortbare Gefährdung im Sinne des Gesetzes darstellt.
/// Unzulässige Tätigkeiten gemäß §§ 11 und 12 MuSchG
In § 11 MuSchG (für schwangere Frauen) und § 12 MuSchG (für stillende Frauen) werden Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen aufgezählt, die vom Gesetzgeber generell als unverantwortbare Gefährdung für Mutter und Kind eingestuft und damit als unzulässig angesehen werden. Es geht im Wesentlichen um fruchtschädigende und reproduktionstoxische Gefahrstoffe, Biostoffe der Risikogruppe 2-4, physikalische Einwirkungen, körperliche Belastungen oder mechanische Einwirkungen sowie Akkordarbeit, Fließarbeit oder getaktete Arbeitstätigkeiten.
/// Keine unverantwortbare Gefährdung bei ausreichender Immunisierung?
- 11 und § 12 MuSchG regelt darüber hinaus aber auch, wann eine unverantwortbare Gefährdung als ausgeschlossen gilt:
Gemäß § 11 Abs. 2 MuSchG gilt in Bezug auf Gefahrstoffe eine unverantwortbare Gefährdung insbesondere dann als ausgeschlossen, wenn
1.für den jeweiligen Gefahrstoff die arbeitsplatzbezogenen Vorgaben eingehalten werden und es sich um einen Gefahrstoff handelt, der bei Einhaltung der Vorgaben als sicher bewertet wird oder
- der Gefahrstoff nicht in der Lage ist, die Plazentaschranke zu überwinden oder aus sonstigen Gründen ausgeschlossen ist, dass eine Fruchtschädigung eintritt.
- Im Übrigen wird eine unverantwortbare Gefährdung ausgeschlossen, wenn der jeweilige Gefahrstoff nicht als reproduktionstoxisch bewertet wird.
In Bezug auf Biostoffe der Risikogruppe 2-4 gilt eine unverantwortbare Gefährdung bei einer schwangeren Frau als ausgeschlossen, wenn diese über einen ausreichenden Immunschutz verfügt. Für stillende Frauen enthält § 12 Abs. 2 S. 4 MuSchG in Bezug auf Biostoffe eine gleichlautende Regelung.
Ob im Einzelfall die Voraussetzungen für den Ausschluss einer unverantwortbaren Gefährdung für eine angestellte Zahnärztin und ihr Kind im Ganzen vorliegen, können letztlich nur entsprechende Fachleute beurteilen, d.h. insbesondere Betriebsmediziner. Rein rechtlich gilt eine Gesundheitsbeeinträchtigung nämlich nur dann als ausgeschlossen, wenn nach den Maßstäben praktischer Vernunft eine solche nicht eintreten kann. Gesundheitsgefährdungen, die nicht nach den Maßstäben praktischer Vernunft ausgeschlossen sind, sondern nach diesen Maßstäben durchaus möglich, wenn auch nur gering wahrscheinlich bleiben, unterfallen demnach nicht dem Bereich des zu vernachlässigenden Restrisikos und können daher auch keinen Ausschluss einer unverantwortbaren Gefährdung nach § 9 Abs. 2 S. 3 MuSchG begründen (so Pepping in: Rancke, Handkommentar MuSchG und BEEG, § 9 Rz. 32 mit Verweis auf BT/Drs. 18/8963).
Bisher wurden in der Praxis generell folgende Empfehlungen beherzigt: Absolute Umgangsverbote mit Biostoffen der Risikogruppe 4, keine zahnpflegerischen oder zahnärztlichen Tätigkeiten an Patienten, bei denen die Gefahr einer Infektion mit blut übertragenden Erregern besteht, keine Tätigkeit mit Nothilfecharakter (Notfallambulanz, Schockraum), keine Reinigungsarbeiten in infektiösen Bereichen, kein Umfang mit infektiösem Abfall (vgl. Aufzählung in Pepping in: Rancke, Handkommentar MuSchG und BEEG, § 11, Rz. 73 mit weiteren Nachweisen).
Da im Rahmen zahnärztlicher Tätigkeiten nie ausgeschlossen werden konnte, dass man mit Biostoffen der Risikogruppe 4 sowie mit blut übertragenden Erregern in Berührung kommt und die Eintrittswahrscheinlichkeit gerade für Zahnärztinnen aufgrund der Natur zahnärztlicher Tätigkeiten höher ist, als im alltäglichen Leben, kann die Gefährdungsbeurteilung nach bisher überwiegender Auffassung nur zu dem Ergebnis kommen, dass eine zahnärztliche Tätigkeit während der Schwangerschaft und auch Stillzeit nicht mehr ausgeübt werden darf. Aktuell wird dies sowohl von Seiten der Zahnärztekammern, Aufsichtsbehörden und Krankenkassen genauso vertreten. Es gibt aber wohl – wenn auch vereinzelt – kritische Stimmen, die dieses Prozedere, die mangels anderer zumutbarer Tätigkeiten automatisch zum Beschäftigungsverbot führt, sehr kritisch hinterfragen.
/// Verantwortung des Praxisinhabers als Arbeitgeber – Beratung einholen
Um hier nicht ins Fadenkreuz zu geraten, sind Praxisinhaber nur gut beraten, sich dem Thema Mutterschutz mit hoher Aufmerksamkeit zu widmen. Die Verantwortung liegt beim Arbeitgeber. Jeder Praxisinhaber sollte durch Unterstützung eines Betriebsmediziners für jeden Arbeitsplatz eine sorgfältige Gefährdungsbeurteilung erstellen, um hierauf aufbauend eine in jeder Hinsicht vertretbare Arbeitgeberentscheidung für den Fall der Schwangerschaft und Stillzeit treffen zu können. Nur ein Betriebsmediziner wird im Bereich zahnärztlicher Tätigkeiten fachlich bewerten und richtig einordnen können, ob eine unverantwortbare Gefährdung im Sinne des MuSchG in zumutbarer Weise ausgeschlossen werden kann oder nicht. Auch die Aufsichtsbehörden sind dafür zuständig, den Arbeitgeber bei der Erfüllung seiner Pflichten nach dem MuSchG zu beraten (§ 29 MuSchG).Insofern kann sich auch hier ein pro-aktives Einbinden der Aufsichtsbehörde empfehlen. Schließlich ist es nunmehr auch Aufgabe des Ausschuss für Mutterschutz Art, Ausmaß und Dauer möglicher unverantwortbarer Gefährdungen zu ermitteln und zu begründen und hierfür sicherheitstechnische, arbeitsmedizinische und arbeitshygienische Regeln aufzustellen (§ 30 MuSchG). Bisher ist allerdings nicht bekannt, dass für Zahnarztpraxen schon konkrete, weiterführende Handlungsempfehlungen vom Ausschuss für Mutterschutz erarbeitet und veröffentlicht wurden.
/// Dokumentations- und Mitteilungspflichten – Achtung Bußgeld!
Aus der Verantwortung als Arbeitgeber ergeben sich für Praxisinhaber vor allem auch Mitteilungs- und Dokumentationspflichten, die man kennen muss.
Sobald ein Arbeitgeber von der Schwangerschaft seiner Mitarbeiterin erfährt, hat er unverzüglich die Aufsichtsbehörde zu benachrichtigen (§ 27 MuSchG). Die Aufsichtsbehörden stellen auf ihrer Homepage Mitteilungsformulare zur Verfügung, die man nutzen sollte.
Gemäß § 14 MuSchG hat jeder Arbeitgeber zudem die Beurteilung der Arbeitsbedingungen zu dokumentieren. Das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung und der Bedarf sowie die Festlegung der Schutzmaßnahmen und das Ergebnis ihrer Überprüfung muss dokumentiert sein (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 MuSchG). Auch muss der Arbeitgeber gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 MuSchG das Angebot eines Gesprächs mit der Frau über weitere Anpassungen ihrer Arbeitsbedingungen und den Zeitpunkt eines solchen Gesprächs dokumentieren. Alle Mitarbeiter, die bei ihm beschäftigt sind, sind über das Ergebnis der generellen Gefährdungsbeurteilung und den Bedarf der Schutzmaßnahmen sowie die schwangere oder stillende Frau über die individuelle Gefährdungsbeurteilung zu informieren (§ 14 Abs. 2 und Abs. 3 MuSchG).
Erfüllt ein Arbeitgeber seine Benachrichtigungs- und Dokumentationspflicht nicht, droht ein Bußgeld von bis zu € 5.000,00 (§32 Abs. 2 MuSchG). Beschäftigt ein Arbeitgeber eine schwangere oder stillende Frau entgegen der Tätigkeitsverbote des MuSchG, kann sogar ein Bußgeld bis zu € 30.000,00 verhängt werden (§ 32 Abs. 2 MuSchG). Handelt er hierbei auch noch vorsätzlich und gefährdet damit Frau und Kind, macht er sich sogar strafbar (§ 33 MuSchG).
/// Folgen eines arbeitsplatzbezogenen Beschäftigungsverbots
Liegen die Voraussetzungen für die Erteilung eines individuellen, arbeitsplatzbezogenen Beschäftigungsverbots vor, darf die (werdende) Mutter ihre Tätigkeit nicht weiter ausüben. Dies hat im Rahmen des konkreten Arbeitsverhältnisses in mehrerer Hinsicht Auswirkungen. So insbesondere im Bereich Mutterschutzlohnzahlung, Erstattungsansprüche gegenüber der Krankenkasse nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz und bezüglich Urlaubsansprüchen.
/// Mutterschutzlohn – Was gehört zum Durchschnittsverdienst? Erstattung?
Um durch ein Beschäftigungsverbot nicht finanziell benachteiligt zu werden, erhält die (werdende) Mutter den sog. Mutterschutzlohn gemäß § 18 MuSchG. Der Mutterschutzlohn berechnet sich nach dem Durchschnittsverdienst der letzten 3 Monaten vor Eintritt der Schwangerschaft. § 21 MuSchG enthält zudem noch weitere Regelungstatbestände, die bei der Ermittlung dieses Durchschnittsverdienstes zu berücksichtigen sind.
Erhält eine angestellte Zahnärztin lediglich z.B. ein Fixgehalt, so erhält sie im Ergebnis das Fixgehalt 1:1 (als sog. Mutterschutzlohn) weiter ausbezahlt, weil dies unproblematisch dem Durchschnittsverdienst der letzten 3 Monate vor Eintritt der Schwangerschaft entspricht. Erhält die Zahnärztin neben einer Grundvergütung allerdings auch noch eine variable Vergütung, muss diese in den Durchschnittsverdienst mit einberechnet werden, sofern es sich um laufendes Arbeitsentgelt und nicht um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt im Sinne von § 23a SGB IV handelt. Denn einmalig gezahltes Arbeitsentgelt wird zur Ermittlung des Durchschnittsverdientes gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 MuSchG nicht berücksichtigt.
Die Praxis zeigt, dass nicht immer ganz klar ist, was eigentlich zur laufenden Vergütung gehört oder ob eine bestimmte, vertraglich vereinbarte Zahlung eine Einmalzahlung darstellt. Dies kann ggf. zu Streitigkeiten mit den Krankenkassen kommen. Denn Krankenkassen erstatten den Arbeitgebern zwar zu 100% nach § 1 Abs. 2 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) die Aufwendungen für den Mutterschutzlohn. Berechnet der Arbeitgeber aber einen Teil der im Vertrag vereinbarten Zahlungen an die Mitarbeiterin in den Durchschnittsverdienst mit ein, die nach Auffassung der Krankenkasse nicht erstattungsfähig ist, weil es sich um eine Einmalzahlung handeln soll (insb. aufgrund der vertraglichen Formulierung im Arbeitsvertrag als „Bonus“), kann es sein, dass die Krankenkasse die Erstattung an den Arbeitgeber zumindest in Teilen zunächst verweigert. Der Arbeitgeber muss sich hier darauf einstellen, die Frage seiner eigenen Erstattungsansprüche gegenüber der Krankenkasse vermutlich auf dem Rechtsweg klären zu können. Dies kann mittelbar auch das Arbeitsverhältnis belasten.
Es ist daher nicht nur für die Arbeitsvertragsparteien selbst wichtig, dass der Arbeitsvertrag klar zwischen Arbeitsentgelt und Einmalzahlung (z.B. Bonuszahlung, Gratifikation) differenziert. Bedeutung hat dies auch im Verhältnis zur Krankenkasse, wenn Arbeitgeber wiederum ihre Erstattungsansprüche geltend machen wollen.
/// Was passiert mit dem Urlaub?
Auch wichtig zu wissen sind die Folgen hinsichtlich des vertraglich vereinbarten Urlaubsanspruchs. Gemäß § 24 MuSchG ist vorgesehen, dass für die Berechnung des Urlaubsanspruchs auch die Ausfallzeiten aufgrund eines Beschäftigungsverbots als Beschäftigungszeiten gelten. Hat eine Frau ihren Urlaub vor Beginn eines Beschäftigungsverbots nicht vollständig erhalten, kann sie nach dem Gesetzeswortlaut noch nach dem Ende des Beschäftigungsverbots den Resturlaub im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beanspruchen.
Der Gesetzgeber hatte damit vor allem den Fall vor Augen, dass eine Frau während der Schwangerschaft oder insbesondere aufgrund der Schutzfristen vor und nach der Geburt ihre Tätigkeit nicht ausüben darf, sie aber danach an ihren Arbeitsplatz zurückkehrt. Problematisch wird es allerdings für die Arbeitgeberseite, wenn eine Frau nach Ablauf der Mutterschutzfrist aufgrund des Stillens weiterhin nicht ihre Tätigkeit ausüben darf, daher ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen wird und dann z.B. das Arbeitsverhältnis zum Beispiel aus familiären Gründen durch Eigenkündigung der Mitarbeiterin beendet wird. Arbeitgeber müssten dann den Resturlaub sowie den während des Beschäftigungsverbots weiterhin nach § 24 MuSchG entstandenen Urlaub vollständig finanziell abgelten. Hatte eine Zahnärztin z.B. einen vertraglich vereinbarten Anspruch auf 30 Urlaubstage pro Kalenderjahr, kann es je nach Zeitpunkt also dazu führen, dass sich schnell bis zu 60 oder sogar noch mehr Urlaubstage anhäufen, die der Arbeitgeber im Falle der Beendigung dann auszahlen soll. Für eine Einzelpraxis kann das finanziell zu einer enormen und untragbaren Belastung führen.
Die Autorin sieht hier von rechtlicher Seite eine planwidrige Gesetzeslücke, die aber höchstrichterlich noch nicht geklärt ist. Hätte die Mutter nämlich rechtzeitig (also 7 Wochen vorher, § 16 BEEG) für die Zeit nach Ablauf der Mutterschutzfrist Elternzeit beantragt, um das Kind im ersten Lebensjahr persönlich zu betreuen und zu erziehen, hätte der Arbeitgeber gemäß § 17 Abs. 1 BEEG die Möglichkeit gehabt, den Urlaub in Höhe von 1/12 pro Elternzeitmonat zu kürzen. Diese Regelung ist genau deswegen vorgesehen worden, um auch den Interessen des Arbeitgebers gerecht zu werden. Der Urlaubsanspruch wird durch die Kürzungsmöglichkeit an das aktive Arbeitsverhältnis angepasst.
Weiß aber eine Mutter, dass die Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverbot auch während der Stillzeit vorliegen, was in Zahnarztpraxen regelmäßig der Fall angenommen wird, wird sie auch keine Elternzeit beantragen, weil sie bei einem Beschäftigungsverbot Anspruch auf den – gerade im Zahnarztberuf – deutlich höheren Mutterschutzlohn hat. Das Elterngeld in der Elternzeit ist demgegenüber auf € 1.800,00 gedeckelt (§ 2 BEEG).Es besteht also ein erheblicher Anreiz dafür, gerade keine Elternzeit zu beantragen. Weil der Arbeitgeber die Mitarbeiterin auch nicht zwingen kann, Elternzeit zu nehmen, hat es allein die Mitarbeiterin in der Hand, ob sie die Folgen des Mutterschutzgesetzes herbeiführt oder die der Elternzeit nach dem BEEG. Im Hinblick auf ausstehende Urlaubsansprüche ein erhebliches Risiko für Praxisinhaber.
Zwar ist dafür der Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz nicht so lang, wie im Falle der Elternzeit. Gemäß § 17 MuSchG besteht ein Kündigungsverbot im Wesentlichen während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von mindestens vier Monaten nach der Entbindung. Gemäß § 18 BEEG besteht demgegenüber ab dem Elternzeitverlangen für die gesamte Zeit der Elternzeit ein Kündigungsschutz. Der finanzielle Vorteil wird das Kündigungsrisiko allerdings überwiegen. Denn „zur Not“ wird eine Mutter selbst im Falle einer zulässigen Kündigung nach Ablauf des 4-monatigen Kündigungsschutzes nach § 17 MuSchG noch Elterngeld nach dem BEEG beanspruchen und beantragen können.
Dass hier eine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt, ist auch darin zu sehen, dass der Gesetzgeber in § 22 MuSchG an sich klargestellt hat, dass während der Elternzeit Leistungen u.a. auf Mutterschutzlohn nach § 18 MuSchG ausgeschlossen ist. Nicht ausreichend berücksichtigt wurde aber nach Auffassung der Autorin, dass eine Mutter erstmal Elternzeit beantragen müsste, um diese Folge überhaupt herbeizuführen. Hierzu kommt es allerdings gar nicht, wenn sie – wie bisher auch allgemein anerkannt – davon ausgehen kann, dass ein Beschäftigungsverbot auch während der Stillzeit ausgesprochen wird.
/// Praxistipp
Es ist keine Neuigkeit, dass zunehmend mehr Frauen den Zahnarztberuf ergreifen und auch das Anstellungsverhältnis zunehmend an Bedeutung gewinnt. Nicht jede Zahnärztin und jeder Zahnarzt möchte sich unmittelbar nach Abschluss der Vorbereitungszeit selbst niederlassen und sofort eine eigene Praxis gründen. Hier ist ein Wandel spürbar und das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf tritt in den Vordergrund.
Vor diesem Hintergrund sollte das Thema Mutterschutz in der Zahnarztpraxis im Rahmen der Praxisplanung und –führung ein bedeutendes Gewicht bekommen. Warum?
Praxisinhaber sind nicht nur Zahnärzte. Sie sind vor allem auch Arbeitgeber und Unternehmer. Sie sollten wissen, was sie als Arbeitgeber mutterschutzrechtlich zu beachten haben, wenn sie Frauen im gebärfähigen Alter beschäftigen. Auch die vielfältigen betriebswirtschaftlichen Auswirkungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Zahlung von Mutterschutzlohn, Geltendmachung von Erstattungsansprüchen gegenüber den Krankenkassen sowie der Umgang mit Urlaubsansprüchen und ihre finanziellen Folgen sollte jedem Arbeitgeber bewusst sein. Um hier auf der sicheren Seite zu sein, muss zum einen eine sorgfältige Gefährdungsbeurteilung vorgenommen werden. Hier ist es ratsam, sich Unterstützung und fachlichen Rat durch einen Betriebsmediziner oder die Aufsichtsbehörde einzuholen, um zu ermitteln, ob eine unverantwortbare Gefährdung bei der Ausführung der vertraglich vereinbarten zahnärztlichen Tätigkeiten überhaupt vorliegt. Nur dann sind Praxisinhaber in der Lage, hierauf aufbauend eine tragfähige Arbeitgeberentscheidung zu treffen. Zum anderen braucht es transparente Arbeitsverträge, die insbesondere die speziellen Vergütungs- und Urlaubsfragen aufgrund mutterschutzrechtlicher Vorgaben hinreichend mitberücksichtigen.
Nur wer hier seine Hausaufgaben macht, wird seinen angestellten Zahnärztinnen ein strukturiertes, ausgewogenes und vor allem auch familienfreundliches Anstellungskonzept anbieten können. Klare und transparente Strukturen helfen nicht nur den Praxisinhabern selbst im Rahmen ihrer gesamten Praxisentscheidungen, sondern führen auch zu Mitarbeiterzufriedenheit und damit zum Erfolg der gesamten Praxis.
– AUTORIN
Jennifer Jessie · Rechtsanwältin
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