Implantatprophylaxe im Team: Grundlage für den Langzeiterfolg

Implantate und hochwertige Versorgungen werden weiterhin von Patienten stark nachgefragt. Ca. 1 Million gesetzte Implantate pro Jahr bestätigen diesen Trend. Technische Innovationen und Forschungen eröffnen dabei neue Perspektiven.
Gründe für den Wunsch nach einer Versorgung mit einem oder mehreren Implantaten sind dabei vielfältig. Ästhetische Motive, Zahnverluste durch Karies, Parodontitis, Unfälle etc. sind häufig die Grundlage des Wunsches. Diese komfortablen Lösungen bringen jedoch auch Herausforderungen für Patient und Praxisteam mit sich. Um Implantate lange zu erhalten, sind professionelle Konzepte erforderlich, da sie besondere Pflege benötigen und besonderen Risiken ausgesetzt sind.
Sylvia Fresmann

Fresmann

Vor Therapiebeginn sollten alle systemischen und lokalen Risikofaktoren identifiziert werden. (INFO: Die DGI und DGZMK haben eine S3 – Leitlinie „Die Behandlung periimplantärer Infektionen an Zahnimplantaten“ veröffentlicht. Stand Mai 2016 (http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/083-023.html)

Aber was ist nun „besondere Pflege“, geht sie über die Pflege von natürlichen/eigenen Zähnen hinaus? Wie oft ist sie erforderlich? Und welche spezifischen Risikofaktoren sind zu beachten? Dass alles nicht so ganz einfach ist, wird durch die in Studien nachgewiesene durchschnittliche Prävalenz für die periimplantäre Mukositis von 43% und von 22% für die Periimplantitis (Derks & Tomasi 2014) belegt.

/// Implantaprophylaxe ist Teamarbeit 
Implantatprophylaxe baut auf einem strukturierten, effektiven Nachsorgekonzept auf und ist als individueller und risikoorientierter Prozess zu verstehen.
In der Regel werden die Prophylaxemaßnahmen an ProphylaxemitarbeiterInnen delegiert. Prophylaxebehandlungen bei Implantatpatienten werden häufig jedoch sehr unterschiedlich durchgeführt und sind sehr unterschiedlich organisiert. Ziel muss es sein, den Patienten eine bestmögliche und qualitätsorientierte Implantatnachsorge anzubieten, um Risiken und entzündliche Prozesse frühzeitig zu erkennen, zu therapieren und so die Basis für den langfristigen Erhalt des Implantats zu gewährleisten.         
Im Rahmen der Nachsorge ist insbesondere die Übergangsstelle des Implantats von der Mundhöhle in den Kieferknochen eine Problemzone, der besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist. Hier ist ein Angriffspunkt für Bakterien, der im ungünstigsten Falle sogar zum Verlust des Implantats führen kann. Diese Gefahr gilt es frühzeitig zu bannen.

 

/// Recallplanung bei Implantatpatienten

Die vollständige Einheilung des Implantats (Osseointegration) kann teilweise 6 Monate und länger dauern. Aus diesem Grund sollte der Patient als Hochrisiko-Patient in den folgenden zwei Jahren alle drei Monate einbestellt werden. Danach sind die Recallintervalle abhängig vom individuellen Risiko des Patienten festzulegen.

Behandlungserfolg und Heilungsfortschritt müssen zwingend in regelmäßigen Abständen überprüft werden, um Störungen zu erkennen und um ggf. rechtzeitig intervenieren zu können. Im Rahmen des Recalls wird schwerpunktmäßig eine professionelle Zahnreinigung durchgeführt, um Biofilm und Zahnstein zu entfernen. Für die möglichst schonende Implantatreinigung sind spezielle Geräte erforderlich, um die Oberfläche nicht zu zerkratzen oder aufzurauen.

 

/// Beginn der Implantatprophylaxe

Die Prophylaxesitzung verläuft in Phasen. Je nach individuellem Befund werden Schwerpunkte gesetzt, die Sitzung dauert ca. eine Stunde.

Zum Start der Sitzung spült der Patient zunächst mit 0,2%iger CHX-Lösung für 1 Minute, um die Keimzahl in der Mundhöhle und im Aerosol zu reduzieren. Dies trägt u.a. zur Sicherheit der Behandler bei (Schutz vor Infektionen) und der Patient erfährt sofort ein angenehmes und erfrischendes Gefühl.

 

/// Anamnese, Befunderhebung und Indices

Nach der zahnärztlichen Untersuchung beginnt die Prophylaxefachkraft mit der Erhebung und Dokumentation der Indices sowie der für die Mundgesundheit wichtigen Patienten-Parameter (z.B. Risikoverhalten, Allgemeinerkrankungen, veränderte Medikation etc.) Eine solche Dokumentation erleichtert die weitere Behandlungsplanung und gewährleistet eine systematische Organisation des Recalls. Anschließend wird die periimplantäre Mukosa beurteilt. Sind Ödeme, Hyperplasien oder Rezessionen vorhanden? Sind Entzündungszeichen oder Suppuration vorhanden?

Um möglichst zeitnah Ausgangswerte zu dokumentieren, hat es sich bewährt, nach 7 bis 14 Tagen nach Eingliederung der Suprakonstruktion die Sondierungstiefen am Implantat zu messen. Wie an natürlichen Zähnen sollten immer sechs Stellen pro Implantat mit einer Kunststoffsonde gemessen werden. Da die Sonde flexibel ist, kommt man besser an der Implantatschulter vorbei. Bei Implantaten mit Platform–switching kann die Messung erschwert sein. Die Sondierung ist sehr vorsichtig durchzuführen, der Druck sollte nicht mehr als 0,15 N betragen. Anschließend sollte der BOP dokumentiert werden. Die Blutung auf Sondierung (BOP) muss als Schlüsselparameter für die klinische Diagnostik periimplantärer Infektionen angesehen werden (Schwarz & Becker 2015). Vorsicht ist angeraten, wenn eine Blutung oder Suppuration am Implantat festgestellt wird. Empfohlen wird, die Sonde zu wechseln, weil Bakterien von einem Implantat oder Zahn zum anderen verschleppt werden können. Implantate ohne Blutung oder Suppuration können als gesund und stabil bezeichnet werden.

Bei der Untersuchung und Anamnese durch den Zahnarzt sollten die folgenden Untersuchungsparameter regelmäßig bestimmt werden:

  1. Erkennbare klinische Veränderungen wie Rötungen oder Schwellungen der Gingiva.
  2. Prüfung der Suprakonstruktion (Lockerung, Frakturen, Okklusion)
  3. Mobilität
  4. Röntgenbilder

 

Zusätzliche Parameter für die regelmäßige Nachsorge:

  1. Sondierung (6 Stellen pro Implantat mit spezieller Kunststoffsonde 1 x Jahr)
  2. Blutung oder Suppuration
  3. Erkennbare Plaque (mit Anfärben)
  4. Kontrolle der Mundhygiene

 

 

Es empfiehlt sich bei allen Implantatversorgungen die Anfertigung einer radiologischen Referenzaufnahme, welche idealerweise zum Zeitpunkt der Eingliederung der Suprakonstruktion angefertigt werden sollte (Lang et al. 2011). Somit lassen sich die physiologischen Umbauvorgänge während und nach einer Implantat-Insertion dokumentieren und eine zuverlässige Referenz zur Bewertung pathologischer Knochenresorption im zeitlichen Intervall definieren.

 

/// Beratung

Kommunikation ist nicht alles, aber ohne Kommunikation geht nichts.

Nach Anamnese und Befunderhebung wird der Patient über den weiteren Behandlungsablauf aufgeklärt und unter Berücksichtigung seiner Möglichkeiten individuell beraten. Gezielte und geschickt eingesetzte Kommunikationstechniken können motivieren und den Heilungserfolg befördern. Gerade bei älteren Patienten sind Empfehlungen und Ratschläge dosiert einzusetzen. Entscheidend ist, dass die Inhalte verstanden und vom Patienten nachvollzogen werden können.

Moderne computerunterstützte Befunderhebungsprogramme bieten hier effektive Unterstützung. Sie bestimmen anhand der zuvor erhobenen Parameter das individuelle Risiko und dokumentieren dieses gleichzeitig reproduzierbar und professionell. Dem Patienten kann so über eine Zeitreihe hinweg der Behandlungsverlauf und -erfolg nachvollziehbar dargestellt werden (Qualitätssicherung).

Ein besonders benutzerfreundliches und leicht verständliches Programm ist die Software „ParoStatus.de“ (www.ParoStatus.de). Praktische Erfahrungen zeigen, dass Patienten besonders von dem sich selbsterklärenden und übersichtlichen Befundbogen profitieren, der in ausgedruckter Form dem Patienten mit nach Hause gegeben wird. Der Patient kann sein individuelles Erkrankungsrisiko leicht nachvollziehen. Der Patientenbefundbogen enthält darüber hinaus die weiteren Behandlungsabläufe, die Recalltermine sowie Empfehlungen für die häusliche Mundhygiene einschließlich individueller Pflegeartikel.

 

/// Reinigung

Die anschließende Reinigung erfolgt unter dem kombinierten Einsatz von Handinstrumenten (Scaler, Küretten) und maschineller Verfahrensweisen (Ultraschall-, Schallgeräte, Pulver-Wasser-Strahl etc.). Die Ansätze der Ultraschall- und Schallgeräte sowie die Handinstrumente sollten aus Kunststoff, Karbon oder Titan bestehen, um die Implantatoberflächen vor Beschädigungen zu schützen. Kratzer und Rauigkeiten auf den Implantatoberflächen sind Prädilektionsstellen für Bakterien und müssen unbedingt vermieden werden. Maschinelle Verfahrens­weisen mit modifizierten Ansätzen für Implantate bieten eine Reihe von Vorteilen, können den Einsatz von Handinstrumenten aber nicht komplett ersetzen. Weiterhin kann eine Pulver-Wasser-Strahl-Anwendung sinnvoll sein. Wichtig ist hierbei, dass nur mit minimalabrasivem Glycinpulver gearbeitet wird.

Wichtig!!! Handinstrumente und maschinelle Verfahrensweisen erfordern zwingend umfassende Kenntnisse der eng umgrenzten Indikation im Implantatbereich und fundiertes Wissen über Kontraindikationen.

 

 

/// Politur

Mit der möglichen abschließenden Feinpolitur wird die erneute Plaqueanlagerung an den glatten Implantatoberflächen gehemmt. Mit Zahnseide oder Interdentalbürstchen wird die Zahnzwischen­raumreinigung vorgenommen.

 

/// Zusätzliche Maßnahmen

Mit einer Zungenreinigung wird eine Vielzahl von Mikroorganismen entfernt und so der Behandlungserfolg unterstützt. Zur Reinigung wird die Zungenspitze mit Zellstoff festgehalten und mit etwas Gel (z. Bsp. Tong-Clin Gel von Hager&Werken) und einem langsam drehenden Bürstchen auf einem grünen Winkelstück gereinigt.

 

 

/// Spezielle Empfehlungen für die häusliche Pflege

Maßnahmen zur Instruktion und Motivation sind individuell auf den Einzelfall bezogen zu treffen. Kommunikativ muss der Patient mit seinen Stärken und Schwächen, seinen Vorbehalten da abgeholt werden, wo er gerade steht.

Aktuell sind elektrische Zahnbürsten mit sehr weichen Filamenten das Mittel der Wahl.

Hinsichtlich der Antriebsart scheint es so zu sein, dass eine Schallzahnbürste sich eher für Patienten eignet, die zu den Putzmuffeln zu zählen sind. Schallaktive Zahnbürsten müssen nicht so genau geführt werden, die länglichen Bürstenköpfe sind in unterschiedlichen Größen erhältlich. Runde Bürstenköpfe der oszillierend-rotierenden Zahnbürsten sind eher für Patienten geeignet, die engagiert in Ruhe jeden einzelnen Zahn putzen.

Eine sehr effektive Lösung, Implantate zu pflegen, stellen sog. Single- oder Solobürsten dar. Je nach prothetischer Versorgung und Zugänglichkeit ist die Handhabung immer mit dem Patienten in der Praxis einzuüben.

Moderne Flausch-Zahnseiden, die den Implantatzwischenraum ausfüllen, sind eine sinnvolle Ergänzung, jedoch nur mit viel Übung bei motivierten Patienten anzuraten. Bei weniger motivierten Patienten gilt: Ein korrekt angepasstes Interdentalraumbürstchen oder das AirFloss sind die bessere Wahl!

Die Empfehlungen einschließlich einer konkreten Anleitung, wo welches Hilfsmittel einzusetzen ist, wird ebenfalls in den zuvor schon angesprochen Patientenbefundbogen (ParoStatus.de) übernommen. Die Übergabe einer Erstausstattung mit empfohlenen Mundhygienehilfsmittel wird den Patienten positiv überraschen.

 

/// FAZIT

Implantatprophylaxe entfaltet ihre optimale Wirkung, wenn sie den Implantat-Patienten langfristig begleitet und in dessen Alltagsabläufe integriert wird. Nachlassende Compliance, unzureichende Mundhygiene, biomechanische Probleme oder auch gesamtgesundheitliche Einflüsse können mit dem beschriebenen Konzept erkannt und aufgefangen werden.

 

– KONTAKT

Sylvia Fresmann
Deutsche Gesellschaft für Dentalhygienikerinnen e.V.
Fasanenweg 14
48249 Dülmen
Telefax: 02590/94 65 30
E-Mail: Fresmann@t-online.de

 

 

 

[Kurzvita Fräsmann]

 

Sylvia Fresmann

  • Dentalhygienikerin seit 1995 und Praxistätigkeit in der Gemeinschaftspraxis Dres. Strenger in Dortmund (www.dr-strenger.de)
  • Erste Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für DentalhygienikerInnen e.V.(dgdh.de)
  • Leitende Dentalhygienikerin der gpDentis GmbH
  • Vortrags- und Referententätigkeit im In- und Ausland
  • zahlreiche Fachartikel in Deutschland und Österreich
  • Mitautorin der Bücher „ Die Einführung der Prophylaxe in die Zahnarztpraxis“ und „Zahnaufhellung mit Konzept“ beide erschienen im ZFV-Verlag in Herne.
  • Mitentwicklung der Software „ParoStatus.de“ – ein System zur PA-Befunddokumentation und Qualitätssicherung in der Parodontologie (www.ParoStatus.de)
  • Mitgründerin des „International Dental Hygiene Educator`s Forum“ (IDHEF)

Hauptarbeitsgebiete:

 

Prävention und unterstützende Parodontaltherapie in der Praxis, Umsetzung und Digitalisierung von neuen Konzepten in der Prävention und Parodontologie.