Nur in Estland: Wodka an den Zehen, Wald im Sinn

Skurrile und charmante Eigenarten

Nur in Estland: Wodka an den Zehen, Wald im Sinn

Innerhalb seiner übersichtlichen Abmessungen blüht in Estland neben Natur, Zeugnissen einer faszinierenden Geschichte und entschiedenem Innovationsgeist auch manche Eigentümlichkeit. Sogar die Esten selbst streiten gewisse Auffälligkeiten in ihrem Nationalcharakter nicht ab. Wo steht schließlich geschrieben, dass IT-Spezialisten nicht auch Baumanbeter sein können – und Wodka an den Zehen nicht die Stimmung hebt und Fieber vertreibt? Auch sonst besitzen die Esten einige sympathische Eigenarten.

/// Weiches Brot und Wodka-Socken

Esten lieben Brot – vor allem „must leib“, das traditionelle, dunkle Brot. Weiches Brot mit knusperiger Kruste zaubert jedoch kein glückliches lächeln auf estnische Gesichter. Denn die Kruste ist hier kein Qualitätsmerkmal. Vielmehr wird sie als störend empfunden, weil sie im Mund kratzt. Was nicht bedeutet, dass die Esten besonders empfindlich wären. Geschnetzeltes Fleisch interessiert sie nicht, weil es ihnen nicht das Gefühl vermittelt, etwas zu kauen.

Auch sonst haben sie konkrete Vorstellungen rund um Speisen und Getränke. So gehört Brot auf den Teller, Wodka ins Glas – oder an die Zehen. Estnische „WodkaSocken“ sind kein Cocktail, sondern ein bewährtes Hausmittel. Wer sich eine schlimme Erkältung eingefangen hat, mischt Wodka mit Wasser, weicht Socken in der Lösung ein und streift sie über die Füße. Jetzt noch ein trockenes Paar darüber und ab ins Bett – bald schon sinkt das Fieber.

/// Gute Nachbarn mit bis zu zwölf Zehen

Sehr dekorativ liegt Estland im Nordosten Europas. Seine Nachbarn sind Lettland, Russland und – durch rund 80 Kilometer Meer getrennt – Finnland. Das Nebeneinander befördert wie anderswo auch besondere Beziehungen. So halten die Letten ihre nördlichen Nachbarn für etwas langsam. Das mag durchaus sein; ziemlich schnell erkannten die Esten jedoch, dass Letten an jedem Fuß sechs Zehen haben. Vielleicht liegt es an ihrer Größe. So sind die Esten zwar selbst ziemlich groß und liegen im weltweiten Vergleich durchschnittlicher Körpergrößen an dritter Stelle. Doch größer als sie sind Niederländer und – Letten. Im Übrigen weisen Esten gerne darauf hin, dass noch langsamer als sie selbst bekanntlich die Finnen sind. Mit ihnen haben sie ohnehin eine Menge gemeinsam. So sind die Sprachen beider Länder nahe miteinander verwandt. Und auch ihre Liebe zur Sauna und zum Wasser eint Esten und Finnen.

/// Zwischen Elben- und Elfensprache

Estnisch klingt ein wenig wie eine geheimnisvolle Elfensprache. Mancher glaubt sogar, die Esten sprächen Elbisch. Tatsächlich ist die finno-ugrische Sprache mit ihren dreizehn Fällen ziemlich anspruchsvoll. Außerdem lassen sich in ihr durch Genitiv-Konstruktionen nahezu unendliche Wörter bilden. Urlaubern kommt dies zugute, denn schon mit wenigen Worten Estnisch machen sie eine Menge Eindruck. Und: Weil das Estnische so exotisch ist – nur eine Million Menschen auf der Welt sprechen es –, sind die Esten vielsprachig. Vor allem Englisch und Russisch beherrschen sie perfekt. Das bedeutet nicht, dass sie diese Fähigkeiten im Übermaß nutzen. Tatsächlich gelten sie als schweigsam. Ihre Hütte am Meer (oder See) lieben sie auch wegen der Stille. Doch dieser Zurückhaltung zum Trotz sind sie freundlich und hilfsbereit. Was sie sagen, gilt: Sie formulieren ohne Schnörkel, aber ehrlich und geradlinig.

/// Kein Winter ohne coole Katzenaugen

In Estland sind die Winter lang, kalt – und dunkel. Das Tragen von Reflektoren ist daher seit 2011 von den ersten Herbsttagen bis zum Frühling gesetzlich vorgeschrieben. Längst haben sie sich vom pragmatischen Gegenstand für mehr Sichtbarkeit im Straßenverkehr zum individuellen Accessoire entwickelt: Von der Eule über Blüten und Schmetterling bis zum Anker oder Teddybär reicht die Palette dekorativer Reflektoren, die im Übrigen auch ebenso hübsche wie nützliche Mitbringsel aus Estland abgeben. Eine Menge Gesprächsstoff bieten sie außerdem: Für welches Motiv entscheidet man sich bei der Wahl des Katzenauges, wo befestigt man es am sinnvollsten, wie erklärt man im Ausland, dass man einen Papagei an der Kapuze hängen hat – und dass es sich dabei nicht um ein Preisschild handelt. Dabei bildet der Reflektor schlicht ein kleines, aber effektives Stück Sicherheit – typisch estnisch eben.

/// In der Natur lebt es sich besser

Fast die Hälfte Estlands ist von Wald bedeckt. Hier wächst nicht nur die mit 46,6 Metern höchste Kiefer der Welt, es gibt auch eine Eiche, die zerstrittene Paare versöhnen kann. Dass sie Bäume anbeten, sagen die Esten zwar nur halb ernsthaft, doch an Küsten und in Wäldern sollen noch vor rund 100 Jahren Erd- und Schutzgeister zumindest in den Köpfen der Menschen herum gespukt sein. Noch immer gilt der Wald als heiliger Ort, in dem man nicht lärmt.

Schon ihren EU-Beitritt feierten die Esten, indem sie eine Million Bäume pflanzten. Denn Wohlbefinden assoziieren die Menschen hier seit jeher mit der Natur. Ihre Babys lassen sie – dick eingepackt – auch im Winter bei Tag im Freien schlafen, um die Qualität ihres Schlafs zu verbessern und ihre Abwehrkräfte zu stärken. Apropos Winter: Der ist für die Esten eine perfekte Jahreszeit zum Picknicken – mit warmen Decken und innigen Baum-Umarmungen.

/// Typisch Estl@nd: Alles geht online

Ihre Steuererklärung erledigten die Esten schon online, als anderswo kaum jemand wusste, was WLAN bedeutet. Ob es um die Anmeldung eines Gewerbes geht, die Stimmabgabe bei einer Wahl oder um das Beantragen von Elterngeld: Alles funktioniert im Land mit 99-prozentiger WLAN-Abdeckung online mit dem (natürlich in Estland entwickelten) elektronischen Personalausweis. Nur zwei Angelegenheiten erfordern in Estland den Gang zum Amt: Hochzeiten und Scheidungen. Keine Frage, in Sachen Digitalisierung ist der kleine Staat ganz groß. Und das seit langem: Schon Skype und Hotmail wurden von estnischen Programmierern entwickelt. Internetzugang ist hier ein Grundrecht. Außer am estnischen Innovationsgeist liegt es an der Geschichte des Landes. Der baltische Tigerstaat entschloss sich nach der Unabhängigkeit 1991, ganz weit nach vorne zu blicken. Von Anfang an setzte man auf die Möglichkeiten des expandierenden Internets. Heute ist Estland eine der führenden Technologie-Nationen der Welt. 

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