Praxisabgabe – gewusst wie

Elena Frietsch, Christian Erbacher
Elena Frietsch, Christian Erbacher

Die Zahlen zeigen es: Es droht ein Versorgungsengpass. Denn die Zahnärzteschaft wird immer älter, was in einigen Teilen der Bundesrepublik, wie z.B. in Rheinland-Pfalz, dazu führt, dass bis Ende 2023 57 % der praktizierenden Zahnärzte das Rentenalter erreichen werden. Diese Zahl wäre isoliert betrachtet noch nicht so tragisch. Doch die Nachfolgegeneration potenzieller Praxisübernehmer ist zahlenmäßig deutlich unterlegen. Es handelt sich also um einen Käufermarkt, auf dem die Nachfrage den Preis bestimmt.

Elena Frietsch, Christian Erbacher

 

Damit ist klar: Eine erfolgreiche Praxisabgabe an den Wunschnachfolger muss aktiv gestaltet werden. Zurücklehnen war gestern. 

 

/// Vorüberlegungen – auf Besonderheiten achten

Grundsätzlich gilt: Nach unserer Erfahrung sollten für die Nachfolgesuche und die Übergabe ca. 5 Jahre eingeplant werden. Dies insbesondere dann, wenn die Praxis rechtliche oder steuerliche Besonderheiten aufweist. Einige Praxisinhaber sind z.B. Inhaber der Praxisräumlichkeiten. Ist dies der Fall, sollten frühzeitig die steuerlichen Folgen bedacht werden.

 

/// Die Praxisimmobilie als Steuerfalle

Befindet sich die Praxisimmobilie im Praxiseigentum und damit im steuerlichen Betriebsvermögen, führt der Verkauf der Praxis (ohne die Immobilie) dazu, dass die im Betriebsvermögen befindliche Immobilie in das Privatvermögen überführt wird. Dieser Vorgang ist steuerverstrickt, was bedeutet, dass ein steuerlicher Vorgang ausgelöst wird. Etwaige Wertsteigerungen der Immobilie müssen nun versteuert werden, obwohl kein Geldfluss vorliegt. Dies kann den Praxisabgabeprozess deutlich verzögern. Insofern sollte sich jeder Praxisinhaber rechtzeitig mit diesem Thema vertraut machen und prüfen, ob steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen. Eine Lösungsmöglichkeit könnte z.B. darin bestehen, die Immobilie in eigene Gesellschaft auszulagern.

Merke: Wer frühzeitig und strategisch die Übergabe plant, wird am Ende das erhalten, was er sich selbst vorgestellt hat.

 

/// Exkurs: steuerliches Betriebsvermögen

Das Betriebsvermögen umfasst alle Vermögensgegenstände, die dem Betrieb (= der Praxis) unmittelbar oder mittelbar dienen. Steuerrechtlich wird dabei zwischen notwendigem und gewillkürtem Betriebsvermögen unterschieden:

Wird ein Wirtschaftsgut ausschließlich und unmittelbar bzw. mind. zu 50 % für eigenbetriebliche Zwecke genutzt, handelt es sich um notwendiges Betriebsvermögen.

Liegt die betriebliche Nutzung dagegen zwischen 10-50 % handelt es sich zunächst um Privatvermögen. Allerdings kann das Wirtschaftsgut in diesem Fall durch Ausübung eines Wahlrechts als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden. Es wird somit vollständig dem Betrieb zugeordnet, obwohl es teilweise für außerbetriebliche Zwecke verwendet wird.

Bei Immobilien, die nur teilweise für die eigene Praxis genutzt werden, erfolgt die Zuordnung zum gewillkürten oder notwendigen Betriebsvermögen anhand der jeweiligen Nutzung.

Während eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung zum Privatvermögen gehört, kann eine fremdvermietete Wohnung oder Gewerbefläche dem gewillkürten Betriebsvermögen zugeordnet werden. Hierbei gilt zu beachten, dass jede Wohn- bzw. Gewerbeeinheit ein eigenständiges Wirtschaftsgut darstellt, welches gesondert zu bewerten gilt.

/// Käuferkreis ermitteln und Patientendaten erfassen

Darüber hinaus sollte der potenzielle Käuferkreis ermittelt werden. Eignet sich meine Praxis für einen Investor? Verkaufe ich einen Gesellschaftsanteil oder eine gesamte Praxis? Wie viele Nachfolger suche ich oder können die Praxis realistisch fortführen? 

Außerdem sollten sich folgende Frage gestellt werden:

  • Wie viele Patienten habe ich?
  • Wie ist der Altersdurchschnitt meiner Patientin?
  • Wie hoch ist der Durchschnittsumsatz pro Patient?
  • Ist dieser Umsatz auch in Zukunft realistisch?

Denn all diese Fragen werden von einem Käufer, der sich beraten lässt, gestellt werden.

/// Arbeitsverträge prüfen

Geht eine Praxis durch Verkauf/ Übergabe auf einen neuen Inhaber über, liegt ein sog. Betriebsübergang nach § 613a BGB vor, sodass die Arbeitsverträge automatisch 1:1 auf den Praxiskäufer übergehen. Eine Kündigung des Praxispersonals durch den alten oder neuen Praxisinhaber wegen der Praxisübernahme ist unwirksam.

Für den Praxisübernehmer ist es daher von besonderer Bedeutung, die arbeitsrechtliche Situation seiner Wunschpraxis einer Risikoprüfung zu unterziehen.

Das bedeutet: Sorgfältig ausgearbeitete Arbeitsverträge steigern den Wert der Praxis, optimierungsbedürftige Verträge senken ihn.

 

/// Investitionen im Blick halten

Für die vorausschauende Planung ist notwendig, dass die Praxis für den Wunschnachfolger ordentlich aufgestellt ist. Investitionen und Praxisabgabe passen auf den ersten Blick nicht zusammen. Dennoch kann es im Einzelfall sinnvoll sein, rechtzeitig vor der Praxisabgabe Investitionen vorzunehmen, um die Praxis für den Verkaufsprozess attraktiver zu gestalten. Denn der Käufer bestimmt in der heutigen Zeit den Markt und wird eine Praxis, in der umfangreiche Investitionen erforderlich sind, im Zweifel nicht übernehmen. Die zunehmende Digitalisierung im Gesundheitswesen ist verantwortlich dafür, dass fast je Praxis Investitionen tätigen könnte. Hier ist wichtig ausreichend Zeit zu haben, um sich ganzheitlich zu diesem Thema beraten zu lassen. 

 

/// Mietvertrag prüfen

Dem Mietvertrag wird häufig (leider) zu wenig Beachtung geschenkt. Dies geht oftmals lange Zeit gut – bis zur Praxisabgabe. Jetzt stellen sich nämlich plötzlich Fragen wie

  • Kann ich den Mietvertrag auf den Käufer übergeben? Findet sich hierzu eine Klausel im Vertrag?
  • Besteht eine Rückbauverpflichtung? Wenn ja, was bedeutet das finanziell?
  • Wie lange läuft der Mietvertag eigentlich noch? Und ggfs: Wurden die Mietoptionen korrekt ausgeübt? Wie ist dies im Vertrag geregelt?

Der Mietvertrag sollte so früh wie möglich im Hinblick auf die Praxisabgabe überprüft werden. Unsere Beratungspraxis zeigt, dass Praxisabgabeverhandlungen unnötig in die Länge gezogen werden, wenn dies nicht oder zu spät geschieht.

/// Praxistipp

Die Aufnahme von Verkaufsgesprächen ist der letzte Schritt einer langfristigen Vorbereitung der Praxisabgabe. Die Einbindung eines Fachanwalts für Medizinrecht sowie eines Steuerberaters sollte frühzeitig begonnen werden, um zu gegebener Zeit eine schnelle und reibungslose Praxisübergabe zu ermöglichen. Allerdings wird dies nur in den allerwenigsten Fällen berücksichtigt. Rechtsanwälte und Steuerberater sollten Hand in Hand arbeiten, denn ohne rechtliche und steuerliche Einschätzungen und Prüfungen bleibt die geplante Praxisabgabe ein Risiko, welches sich eventuell erst nach der Übergabe verwirklicht. 

 

[vllt. im Kasten]

/// AUTORENPROFIL

Rechtsanwalt Christian Erbacher, LL.M. ist Fachanwalt für Medizinrecht und Partner der Kanzlei Lyck+Pätzold.healthcare.recht.

Darüber hinaus hält er einen Master im Medizinrecht und ist Lehrbeauftragter an der Frankfurt University of Applied Sciences sowie an der SRH Fernhochschule – The Mobile University.

Er unterstützt vor allem niedergelassene Ärzte und Zahnärzte, Krankenhäuser, Healthcare-Unternehmen und Start-ups.

Ein Schwerpunkt der Beratung liegt in regulatorischen Fragestellungen, der Begleitung von M&A-Prozessen und MVZ-Gründungen sowie dem Gesellschafts-, Arbeits- und dem Medizinprodukterecht. Außerdem berät er auf Grund seiner Leidenschaft für digitale Prozesse in allen Fragen zum E-Health.

 

 

 

– AUTOREN

Christian Erbacher

Christian Erbacher, LL.M.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht            

Lyck+Pätzold. healthcare. recht                              

Im Atzelnest 5
61352 Bad Homburg
Telefon: 06172/13 99 60
Telefax: 06172/13 99 66

E-Mail: kanzlei@medizinanwaelte.de
Internet: www.medizinanwaelte.de

 

 

Elena Frietsch

Elena Frietsch
Diplom-Finanzwirtin

 

Erbacher, Lyck+Pätzold Steuerberatungsgesellschaft mbH
Würzburger Straße 150
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Telefon: 06021/451 09-0
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