Zahnärztlicher Honoraranspruch trotz fehlender Unterschrift beim Heil- und Kostenplan

Rechtsanwältin Jennifer Jessie

 

Die Patientin hatte den von der Zahnärztin ausgestellten Heil- und Kostenplan für zahnprothetische Leistungen, der einen Eigenanteil auswies, nicht unterschrieben. Gleichwohl hatte sie diesen mit Genehmigungsvermerk der Krankenkasse an die Zahnärztin zurückgereicht und die Behandlung durch diese vornehmen lassen.

Jennifer Jessie

 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem jüngsten Urteil vom 03.11.2016 den Honoraranspruch einer Zahnärztin gegenüber einer Patientin bestätigt, obwohl eine formnichtige Honorarvereinbarung vorlag[1].

 

Der BGH erklärte nun, dass die Patientin zur Zahlung des Eigenanteils verpflichtet ist. Sie kann sich nach Durchführung der Behandlung nicht darauf berufen, dass aufgrund des Fehlens ihrer Unterschrift die Formvorschriften der GOZ nicht eingehalten wurden und daher die Honorarvereinbarung nichtig sei, mit der Folge, dass der Zahlungsanspruch der Zahnärztin nicht bestehe. Diese Vorgehensweise stellt vielmehr ein Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB dar.  

 

/// Der Fall

Die beklagte Patientin hatte sich bei der klagenden Zahnärztin zur Zahnbehandlung vorgestellt. In der Folge erstellte die Zahnärztin für sie zwei Heil- und Kostenpläne für zahnprothetische Leistungen. Der eine Heil- und Kostenplan beinhaltete rein kassenärztliche Leistungen ohne Eigenanteil, der andere Plan beinhaltete zusätzliche zahnmedizinisch nicht notwendige, ästhetische Arbeiten. In diesem Plan wurde ein Eigenanteil in Höhe von voraussichtlich 6.838,52 € ausgewiesen. Die Patientin, die von einer Praxismitarbeiterin darauf hingewiesen wurde, dass sie ihr Einverständnis schriftlich erteilen müsse, reichte den zweiten Heil- und Kostenplan mit Eigenanteilsberechnung bei der Krankenversicherung zur Genehmigung ein. Den daraufhin mit Genehmigungsvermerk der Krankenkasse versehenen Heil- und Kostenplan reichte die beklagte Patientin auch an die Zahnärztin zur Durchführung der Behandlung wieder zurück. Hierauf fehlte jedoch die Unterschrift der Patientin, was in der Folge weder von der Praxismitarbeiterin noch von der behandelnden Zahnärztin bemerkt wurde. Nach Durchführung der zahnprothetischen Behandlung stellte die Zahnärztin der behandelten Patientin einen Eigenanteil in Höhe von € 3.860,30 in Rechnung. Trotz Mahnung zahlte diese hierauf jedoch nicht.

 

/// Aus den Gründen

Nach Auffassung des BGH hat die Zahnärztin gegen die Patientin einen vertraglichen Anspruch auf Zahlung des Eigenanteils gemäß § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem genehmigten Heil- und Kostenplan.

 

Zwischen der Patientin und der Zahnärztin ist zumindest konkludent ein zahnärztlicher Behandlungsvertrag zustande gekommen. Die Zahnärztin hat nach den Worten des BGH die Behandlung der Patientin übernommen und auf Grundlage des von der Patientin auch zurück gereichten Heil- und Kostenplans durchgeführt. Mangels Unterschrift der Patientin war jedoch tatsächlich keine wirksame Honorarvereinbarung getroffen worden. Anders als die Patientin meinte, führt dies in diesem Fall jedoch nicht dazu, dass die Zahnärztin keinen Anspruch auf das von ihr in Rechnung gestellte Honorar hat.

 

/// GOZ – Formale Anforderungen beim Heil- und Kostenplan

Gemäß § 1 Abs. 2 S. 2 Gebührenordnung der Zahnärzte (GOZ) dürfen Zahnärzte Leistungen, die über das Maß einer zahnmedizinisch notwendigen zahnärztlichen Behandlung hinausgehen nur dann berechnen, wenn sie auf Verlangen des zahlungspflichtigen Patienten erbracht werden. Hierzu zählen solche Behandlungen, die nicht zum Zwecke der Heilung einer Erkrankung dienen, sondern ausschließlich kosmetischen Zwecken dienen[2]. Diese Leistungen und ihre Vergütung müssen gemäß § 2 Abs. 3 S. 1 GOZ zuvor in einem Heil- und Kostenplan schriftlich vereinbart werden. Hierdurch soll dem Bedürfnis des Zahlungspflichtigen nach Information über die geplante Leistungen und die voraussichtlich entstehenden Kosten und damit der Transparenz und dem Patientenschutz Rechnung getragen werden[3].

 

Schriftform bedeutet gemäß § 126 Abs. 2 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wiederum, dass die Vertragsparteien das entsprechende Vertragsdokument eigenhändig unterschreiben. Fehlt eine Unterschrift, hat es zur Folge, dass das Rechtsgeschäft gemäß § 125 S. 1 BGB insgesamt nichtig ist, mit der grundsätzlichen Folge, dass die Parteien keine Ansprüche aus dem Rechtsgeschäft herleiten können.

 

In dem hier beschriebenen Fall würde das bedeuten, dass die Zahnärztin trotz Durchführung der Behandlung allein wegen der Formunwirksamkeit des Heil- und Kostenplans keinen Anspruch auf ihre Vergütung hätte. Dieses Ergebnis wird vom BGH als „schlechthin untragbar“ erkannt, so dass es so nicht stehen bleiben kann.

 

Formvorschriften müssen zwar grundsätzlich eingehalten werden. Aber in besonderen Fällen können sie ausnahmsweise unbeachtlich sein, „wenn es nach den Beziehungen der Parteien und den gesamten Umständen des Einzelfalls mit Treu und Glauben unvereinbar wäre, ein Rechtsgeschäft allein am Formmangel scheitern zu lassen“. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist insofern anerkannt, dass im Falle besonders schwerwiegender Treuepflichtverletzung von dem strengen Schriftformerfordernis abgesehen werden kann. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn eine Partei „die Erfüllung der von ihr übernommenen Verpflichtung verweigert, nachdem sie über längere Zeit Vorteile aus der formunwirksamen Vereinbarung in Anspruch genommen hat“. Die Partei setzt sich also in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten, was ein Verstoß gegen das gesetzliche Gebot von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB darstellt.

 

Hier lag ein Fall besonders schwerwiegender Treuepflichtverletzung eindeutig vor. Die aufgeklärte Patientin hatte sich bewusst für die teurere Behandlungsalternative mit Eigenanteil entschieden und die entsprechende zahnprothetische Behandlung auch vornehmen lassen. Erst nach Abschluss der Behandlung, nachdem sie sämtliche Vorteile aus der Behandlung bereits in Anspruch genommen hatte, hat sie sich auf die Nichteinhaltung der Schriftform berufen. Der BGH wertete in diesem Fall das Verhalten der Patientin als in hohem Maße widersprüchlich und treuwidrig, so dass sie sich nicht auf den Schutzzweck des § 2 Abs. 3 S. 1 GOZ berufen kann. Vielmehr war in diesem Fall die Zahnärztin schutzwürdiger, die auf die Formgültigkeit der Honorarvereinbarung vertraut hatte und die fehlende Unterschrift lediglich aufgrund eines Büroversehens (in diesem Fall leichte Fahrlässigkeit) nichts bemerkt hatte.

 

/// FAZIT

Trotz dieses Urteils sollten Zahnärzte und Praxismitarbeiter vor einer Behandlung immer peinlichst genau darauf achten, dass ihre Heil- und Kostenpläne vollständig sind. Die eigenhändige Unterschrift des Patienten ist zwingend erforderlich. Fehlt diese, ist die Honorarvereinbarung nichtig. Der Zahnarzt geht dann leer aus. Nur wenn ein Patient sich treuwidrig verhält, indem er bewusst eine Behandlung durchführen lässt, dessen Bezahlung er im Nachhinein allein wegen des Formmangels verweigern möchte, ist eine Durchsetzung des Honoraranspruchs möglich. Dies kostet wiederum viel Zeit und Geld und sollte daher in jedem Fall vermieden werden. Im hier beschriebenen Fall kam der Zahnärztin offensichtlich zu Gute, dass der Patientin ihr treuwidriges Verhalten nachgewiesen werden konnte. Liegt der Fall nicht sind so eindeutig auf der Hand, kann es für einen Zahnarzt sehr schwer werden, noch zu seinem Geld zu kommen.

 

 

– AUTORIN

Jennifer Jessie, Rechtsanwältin

 

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[1] BGH, Urteil vom 03.11.2016, II ZR 286/15

[2] Vgl. Liebold/Raff/Wissing, DER Kommentar, GOZ, Abschnitt IV, § 1, Rn. 9

[3] Begründung zur Ersten Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte, BR-Drucks. 566/11 S. 42f.