Diabetes-Patienten in der Zahnarztpraxis

Diabetiker gelten bei der zahnärztlichen Behandlung als Risikopatienten. Den häufigsten Notfall stellt dabei sicherlich die Unterzuckerung dar. Wie Zahnärztediese in den Griff bekommen, Komplikationen während und nach dem Eingriff vermeiden sowie das richtige Lokalanästhetikum wählen, fasst dieser Beitrag zusammen.

 

Während Typ-1-Diabetiker ein Leben lang auf Insulininjektionen angewiesen sind, können die meisten Typ-2-Diabetiker mit oralen Antidiabetika oder einer Kombination aus beidem sowie Bewegung und gesunder Ernährung behandelt werden. Bei der Anamnese gilt es zunächst abzufragen, welche Medikamente eingenommen werden, wie oft gespritzt wird und wie häufig Unterzuckerungen vorkommen [3]. Das Risiko für Komplikationen während der Behandlung ist nämlich stark von der Stabilität des Blutzuckerwertes abhängig [4]. Der Langzeitwert (HbA1c) sollte bei ≤ 6,5 – 7,0 Prozent liegen [5]. Die Mundgesundheit ist bei Diabetikern besonders wichtig. Betroffene leiden häufig an Xerostomie, persistierenden Ulzerationen, Angiopathien sowie einer gestörten Wundheilung nach operativen Eingriffen [6], das Risiko für Parodontitis ist außerdem dreimal höher [2].Aufgrund der vielen Begleiterkrankungen ist ein interdisziplinäres Vorgehen bei der Behandlung von Diabetikern wünschenswert – noch gibt es dazu aber keine konkreten Handlungsempfehlungen oder Leitlinien.

 

/// Lokalanästhesie bei Diabetikern

Oft sind es die Folgeerkrankungen des Diabetes, die ein Behandlungsrisiko darstellen. So haben Diabetiker bspw. ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen [1]. Hier sollten Zahnärzte genauer nach Krankheitsbild und Medikation fragen, um Komplikationen durch Vasokonstriktoren oder Blutungen auszuschließen. Liegt eine absolute Kontraindikation vor – wiez. B. ein Myokardinfarkt innerhalb von sechs Monaten – fälltdie Wahl auf ein Lokalanästhetikum ohne Adrenalin (z. B. Ultracain®D ohne Adrenalin) [7-9].

Doch auch die Krankheit Diabetes selbst gehört zu den relativen Adrenalinkontraindikationen. Deshalb wird im Zweifel auf den Vasokonstriktor verzichtet oder eine adrenalinreduzierte Lösung (z. B. Ultracain®D-S 1:200.000) bevorzugt[7]. Adrenalin ist ein Insulinantagonist und kann die Insulinsekretion im Pankreas verringern [6,8], was den Blutzuckerspiegel ansteigen lässt (Symptome akuter Hyperglykämie: Mundtrockenheit, Niedergeschlagenheit, Übelkeit) [10]. Bei Stress, z. B. während einer Operation, schüttet der Körper zusätzlich Adrenalinaus und kann die Stabilität des diabetischen Zustands beeinflussen [11]. Adrenalinbzw. Epinephrin kannso die Wirkung oraler Antidiabetika vermindern [9,12]. Während das häufig verschriebene Metforminkeine Unterzuckerungenverursacht, besteht bei Sulfonylharnstoff-Präparaten die Gefahr einer Hypoglykämie bei zu geringer Aufnahme an Kohlenhydraten[3].

 

/// Unterzuckerungen managen

Die häufigste Komplikation eines Diabetes auf dem Behandlungsstuhl ist die hypoglykämische Reaktion (BZ<70 mg/dl), die durch Überdosierungen von Insulin bzw. Antidiabetika bei einer für die Dosis zu geringen Aufnahmemenge an Kohlenhydraten oder starke körperliche Belastung entsteht [3]. Je nach Schweregrad der Unterzuckerungtreten Symptome auf – vonSchwäche und Schweißausbrüchen über Aggressivität und Orientierungslosigkeit bis hin zum Verlust des Bewusstseins (hypoglykämischer Schock) [13].Um Patienten schon bei leichten Unterzuckerungen schnell helfen zu können, sollte das Praxisteam immer ein Blutzuckermessgerät sowie zuckerhaltige Getränke wie Cola oder Fruchtsäfte bereithalten. Falls ein hypoglykämischer Schock mit Bewusstlosigkeit auftritt, muss ein intravenöser Zugang für eine Glukoselösung gelegt werden – in schweren Fällen oder falls die Therapie nicht anschlägt, ist der Notarzt zu rufen [3].

 

/// Komplikationen während und nach dem Eingriff vermeiden

Bei stabiler Blutzuckereinstellung (normoglykämische Werte bei etwa 100 – 140 mg/dl) [5], empfiehlt es sich, kürzere, zeitlich überschaubare Eingriffe vormittags nach dem Frühstück und nach der eventuellen Insulingabe bzw. Medikamenteneinnahme durchzuführen [2, 3]. Für längere Eingriffe, bei denen keine Nahrungsaufnahme möglich ist, können wie bei der postoperativen Einstellung im Krankenhaus höhere Werte von ca. 140 – 180 mg/dl sinnvoll sein [5]. Patienten mit manifester Stoffwechselentgleisung sollten nicht operiert, sondern an eine Klinik überwiesen werden [6]. Typ-1-Diabetiker können das Basalinsulin reduzieren, sollten es vor Eingriffen jedoch keinesfalls komplett absetzen. Im Anschluss an die Behandlung korrigieren sie die Werte individuell mit kurzwirksamem Bolusinsulin. Da Hyperglykämien Wundheilungsstörungen und Komplikationen begünstigen, sind diese postoperativ bestmöglich zu vermeiden. Wundheilung und Entzündungsprozesse erhöhen wiederum den Insulinbedarf, der entsprechend reguliert werden muss [5]. Eine perioperative Antibiotika-Prophylaxe kann Infektionen vorbeugen [6].

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/// Diabetes in Zahlen

  • In Deutschland leiden etwa 7,5 Millionen Menschen an Diabetes mellitus.
  • Die Dunkelziffer wird auf weitere zwei Millionen geschätzt [1].
  • Über 95 Prozent der Betroffenen leiden an Typ-2-Diabetes, der mit Übergewicht assoziiert ist und im Alter vermehrt auftritt [1].
  • Etwa 335.000 Erwachsene und über 32.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren haben Typ-1-Diabetes [1].
  • Die Prävalenz für einen Gestationsdiabetes liegt bei etwa 13 Prozent [2].
  • Hinzu kommen sekundäre, erworbene Formen, beispielweise durch Schädigungen des Pankreasgewebes oder endokrine Störungen [2].

 

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Literatur

  1. Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe, Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2019, erschienen, 2018. Online abrufbar unter: https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Stellungnahmen/Gesundheitspolitik/20181114gesundheitsbericht_2019.pdf(Letzter Zugriff: 07.03.2019).
  2. Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe, Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2018 – Die Bestandsaufnahme 2018, Online abrufbar unter: https://www.diabetesde.org/system/files/documents/gesundheitsbericht_2018.pdf(Letzter Zugriff: 13.09.2018).
  3. Tafazzoli-Lari, A, Doktorarbeit, Der Risikopatient in der zahnärztlichen Praxis, Universität München 2002, Online abrufbar unter: https://mediatum.ub.tum.de/doc/602203/602203.pdf(Letzter Zugriff: 15.04.2019).
  4. Ern C, Medizinupdate für Zahnmedizin; Wissenschaft und Fortbildung Jan/Feb 2014.
  5. Gallwitz B, Diabetesbehandlung – Was ist für den Zahnarzt relevant?2015, Online abrufbar unter: https://www.zwp-online.info/fachgebiete/parodontologie/grundlagen/diabetesbehandlung-was-ist-fuer-den-zahnarzt-relevant(Letzter Zugriff: 15.04.2019).
  6. Wahl G, Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Wissenschaftliche Stellungnahme Stand 6/96: Zahnärztlich-chirurgische Eingriffe bei Diabetikern, Online abrufbar unter: https://www.dgzmk.de/uploads/tx_szdgzmkdocuments/Zahnaerztlich-chirurgische_Eingriffe_bei_Diabetikern.pdf(Letzter Zugriff: 15.04.2019).
  7. Daubländer M, Kämmerer PW, Liebaug F, Ein praxisnaher Leitfaden: Differenzierte Lokalanästhesie 2016, Online abrufbar unter: https://www.dentalmagazin.de/praxiszahnmedizin/vermischts/differenzierte-lokalanaesthesie/(Letzter Zugriff: 15.04.2019).
  8. Fachinformation Ultracain®D ohne Adrenalin, April 2017.
  9. Fachinformation Ultracain®D-S, Ultracain®D-S forte, Juli 2018.
  10. Diabetes News, Hyperglykämie (erhöhte Blutzuckerwerte), Ketoazidose und Koma, Online abrufbar unter: https://www.diabetes-news.de/wissen/unterzucker-und-blutzuckerentgleisung/hyperglykaemie(Letzter Zugriff: 15.04.2019).
  11. Daubländer M, Kämmerer PW, Lokalanästhesie im Alter. Zahnärztliche Mitteilungen 2012; 10: 38-45. Online abrufbar unter: https://www.zm-online.de/archiv/2012/10/titel/lokalanaesthesie-im-alter/(Letzter Zugriff: 15.04.2019).
  12. Differenzierte Lokalanästhesie: Ein praxisnaher Leitfaden. Deutscher Ärzteverlag, Dental Magazin 2016; 34(8):42-47.
  13. SP, Trainieren im Team: Hypoglykämischer Anfall, Zahnärztliche Mitteilungen 2012; 4: k.A. Online abrufbar unter: https://www.zm-online.de/archiv/2012/04/medizin/hypoglykaemischer-anfall/(Letzter Zugriff: 15.04.2019).

SADE.AREP.18.11.3327

 

Pharmazeutische Information

Ultracain®D-S.Ultracain®D-S forte. Ultracain®D ohne Adrenalin. Wirkst.: Articain-HCl, Adrenalin-HCl. Zusammens.: D-S u. U. D-S forte: 1 ml Inj.-Lsg. enth.: Arzneil. wirks. Bestandt. 40 mg Articain-HCl, 6/12 mg Epinephrin-HCl. Sonst. Bestandt.: NaCl, Wasser f. Inj.-zw. Ultracain D oh. Adrenalinzus.: Na-hydroxid, Salzsäure 10% z. pH-Einst. D-S/D-S forte zusätzl: Na-metabisulfit. D-S Amp. 1,7 ml zus.: NaOH, Salzsäure 10% z. pH-Einst. Zuber. i. Mehrfachentn.-fl. zus.:Methyl-4-hydroxybenzoat, NaOH, Salzsäure 10% z. pH-Einst.Anw.-geb.: D-ohneInfiltrations- u. Leitungsanästhesie i. d. Zahnheilkunde. Eignet sich vor allem für kurze Eingriffe an Pat., d. aufgrund bestimmter Erkrank. (z. B. Herz-Kreislauf-Erkr. od. Allergie geg. d. Hilfsst. Sulfit) kein Adrenalin erhalten dürfen sowie z. Injekt. kleiner Volumina (Anwendung i. d. Frontzahnregion, im Ber. d. Gaumens). D-S:Lokalanästh. bei Routineeingr. d. Zahnheilk. D-S forte:Lokalanästh. b.: Schleimhaut- u. knochenchirurg. Eingr., pulpenchirurg. Eingr., Osteotomie, läng. dau. chirurg. Eingr., perkut. Osteosynth., Zystektomie, mukogingivale Eingr., Wurzelsp.-resekt. Gegenanz.: Überempf. ggü Articain u. and. Lokalanästh. v. Säureamidtyp od. e. d. sonst. Bestandt. Ultracain. oh. Adrenalin nicht geeignet f. länger dauernde od. größ. zahnärztl. chirurg. Schw. Störg d. Reizbildgs- od. Reizleitgssyst. am Herzen, akut dekompens. Herzinsuff., schw. Hypotonie. U. D-S u. U. D-S forte zusätzl.:Allergie oder Überempfindlichkeit gegen Sulfit. Wg. Epinephringeh.: Engwinkelglaukom, SD-überfkt, paroxysm. Tachykardie, Myokardinfarkt innerh. d. letzten 3-6 Mo., Koronararterien-Bypass innerh. d. letzten 3 Mo., gleichz. Einn. v. nicht-kardioselekt. Betablockern, Phäochromozytom, schw. Hypertonie, gleichz. Einn. v. trizykl. Antidepr. od. MAO-Hemmern (bis 14 Tage nach Ende der MAO-Behandlung), Anästh. i. Endstrombereich. Intravenöse/intravasale Inj. ist kontraindiz. Zusätzl. f. Mehrf.-entn.-fl.:Parabenallergie. Warnhinw. u. Vorsichtsmaßn.:Eingr. b. Pat. m. Cholinesterasemangel verläng./verstärkte Wirkg mögl. Von Inj. i. entzünd./infiz. Geb. wird abgeraten. Enth. Natrium (<1mmol/23 mg). Besond. Vors. b. Störg. d. Blutgerinnung, schw. Nieren- od. Leberfkt-störung, gleichz. Behandl. m. halogenierten Inhalationsanästhetika, anamnest. bek. Epilepsie, kardiovask. Erkr., Angina pect., Arteriosklerose, zerebr. DBS, Schlaganfall in Anamnese, chron. Bronchitis, Lungenemphysem, Diab. mell, schw. Angststörg. Dos. so niedrig wie mögl. halten. Injekt. sorgf. i. 2 Ebenen aspirieren, um intravasale Injekt. z. vermeiden. Solange keine Nahrung aufnehmen, bis Wirkung abgeklungen ist. Betreuer kl. Kdr. auf Risiko v. Weichteilverletzung durch Selbstbiss hinweisen! Additive Wirkg. am kardiovaks. System u. ZNS bei Komb. verschiedener Lokalanästhetika. Reaktionsvermögen! Schwangersch. u. Stillz.:Nur nach streng. Nutzen/Risiko-Abwäg. Ggf. D-S ggü D-S forte bevorzugen. Nebenw.: Immunsyst.: Unverträgl.keits-reakt. (ödemat. Schwellg./Entzündg d. Inj.-st., Rötg., Juckreiz, Konjunktivitis, Rhinitis, Gesichtsschwellg, Angio-, Glottisödem m. Globusgef. u. Schluckbeschw., Urtikaria, Atembeschw. bis anaphylakt. Schock. Nerven: Dosisabh. ZNS-Störg w. Unruhe, Nervosität, Benommenh., Koma, Atemstörung (bis –stillstand), Msklzittern u. –zucken (bis generalis. Krämpfe), Schwindel, Parästhesie, Hypästhesie, vorüberg. Sehstörg, U. D-S u. U. D-S fortezusätzl.: Kopfschm. Herz u. Gefäße: Blutddruckabfall, Bradykardie, Herzversagen, Schock (u. U. lebensbedrohl.), sehr selten Tachykardie, Herzrhythmusstörg, Blutdruckanstieg. GIT: Übelk., Erbrechen. Zusätzl. U. D-S u. U. D-S forte:Allg. Erkr.: sehr selten: b. versehentl. intravas. Inj. ischämische Zonen i. Inj.-ber. bis z. Nekrose. Aufgr. d. Sulfitgeh. b. Asthmatik. sehr selten Überempf.-reakt. m. Erbrechen, Durchf., keuch. Atmg, ak. Asthmaanfall, Bewusstseinsstörg, Schock. Überempf.-reakt. auf Methyl-4-hydroxybenzoat (auch Spätreakt.), selten Bronchospasmen. Verschreibungspflichtig.

 

Sanofi-Aventis Deutschland GmbH,65296 Frankfurt am Main.

 

Stand:Ultracain D-S/D-S forte: Dezember 2018.Ultracain D ohne Adrenalin: April 2017

(SADE.AREP.19.03.0635)