Erbrecht und Testamentserrichtung in „LGBTQ – Zeiten“

In letzter Zeit wurde sehr viel über LGBTQ gesprochen. Dabei wissen gerade viele ältere Menschen nicht einmal, was LGBTQ eigentlich bedeutet.

Michael Henn

 

Die Abkürzung „LGBTQ“ kommt aus dem Englischen und steht für „Lesbian – Gay – Bisexual – Transgender – Queer“. Deutsch übersetzt, ist dies also eine Sammelbezeichnung für „Lesbisch – Schwul – Bisexuell – Transgender – Queer“. Damit sollen sich Personen identifizieren können, die nicht den eingeschlechtlichen und heterosexuellen Normen folgen.

Nachdem dieses Thema in der Öffentlichkeit so breitgetreten wurde, beginnen sich plötzlich mehr und mehr Leute zu fragen, ob geschlechtliche Sonderformen irgendeine Rolle im Erbrecht oder bei der Testamentsgestaltung spielen. So habe sich ein Mandant bereits darüber gesorgt, dass sein als männlicher Sohn mit dem Vornamen Karl Geborene, den er auch so in seinem Testament eingesetzt habe, nach seinem Ableben plötzlich nicht mehr Karl, sondern Carla heiße, weil er vielleicht in der Zwischenzeit eine Geschlechtsumwandlung vorgenommen habe.

In diesem Fall besteht jedoch kein Grund zur Sorge, denn auch wenn der Grundsatz gelte, dass ein Erbe oder eine Erbin im Testament ausdrücklich klar identifizierbar zu benennen sei, ließe sich später durch Vorlage einer Vornamens- und Personenstandsänderungsurkunde nachweisen, dass es sich hier um dieselbe Person handele. Wichtig sei, welche Vorstellungen der Erblasser bei seiner Testamentsabfassung gehabt habe.

Auch im Übrigen seien z.B. insbesondere „gleichgeschlechtliche Partnerschaften“ durch das Lebenspartnerschaftsgesetz sowohl im Erb- als auch im Familienrecht einer normalen Ehe gleichgestellt worden. Voraussetzung sei dafür allerdings, dass es sich um eine „eingetragene Lebenspartnerschaft“ handele. Wer nur lediglich gleichgeschlechtlich zusammenlebe, könne die Vorteile des Lebenspartnerschaftsgesetzes nicht in Anspruch nehmen, die da z.B. sind: volles Erb- und Pflichtteilsrecht und seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2010 auch erb- und schenkungssteuerlich dieselben Freibeträge und Steuersätze wie bei Ehepartnern.

Gleichwohl, gäbe es bei so viel Licht auch Schatten, denn nicht alle Eltern sind damit einverstanden, wenn ihre Kinder den „LGBTQ“ angehören. So sei es durchaus auch schon vorgekommen, dass Erblasser die Testamentseinsetzung eines Kindes davon abhängig machen wollten, dass dieses aus ihrer Sicht „normal“ ist.

Dieses Recht steht dem Erblasser und Testator grundsätzlich auch zu, da er aufgrund der ihm nach Art. 14 Grundgesetz (GG) zustehenden Testierfreiheit selbst und frei darüber entscheiden kann, wen er als Erben einsetzt.

Daher ist es durchaus denkbar, dass ein Erblasser z.B. folgendes Testament errichtet:

  1. Erben nach meinem Tode sollen mein Sohn Hans und meine Tochter Christa – je zur Hälfte – sein.
  2. Sollte mein Sohn Hans bei meinem Ableben in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben oder eine Geschlechtsumwandlung vorgenommen haben, ist meine Tochter Christa Alleinerbin. Mein Sohn Hans erhält in diesem Fall nur seinen Pflichtteil.

Während also hier im Normalfall Sohn und Tochter je zur Hälfte geerbt hätten, kommt es bei Vorliegen von Ziffer 2. dagegen prozentual zu folgender Aufteilung: Die Tochter erhält alles und der Sohn hat einen (Geld-)Anspruch von 25% auf das vererbte Vermögen.

Fraglich ist jedoch, ob ein derartiges Testament vor Gericht auch Bestand habe, wenn der so „Enterbte“ diese Klausel wegen Sittenwidrigkeit anfechten würde. Hätte diese Klage Erfolg, wäre diese Klausel nach §138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Ziff. 1 des Testamentes wäre dann maßgeblich für die Erbfolge, wonach beide je Kinder je die Hälfte erben.

Gerichte haben in früheren Entscheidungen folgende Maßstäbe für die rechtliche Beurteilung entwickelt:

Im Streitfall sind die Testierfreiheit des Erblassers einerseits mit den grundrechtlich geschützten Rechten des bzw. der Erben andererseits abzuwägen. Schutzbedürftig sind alle Freiheitsrechte des Bedachten, die seine unabhängige, persönliche Lebensführung garantieren (z.B. Eheschließungsfreiheit, Berufsfreiheit, Religionsfreiheit). Diese Persönlichkeitsrechte sind umfassend gegen die Testierfreiheit des Erblassers abzuwägen. Dabei muss sich der Erblasser umso stärkere Beschränkungen seiner Testierfreiheit gefallen lassen, je stärker Persönlichkeitsrechte des Bedachten beeinträchtigt oder gefährdet werden.

Nach Ansicht von Fachanwälten für Erbrecht spricht vieles dafür, dass eine solche Klage erfolgreich wäre, konkrete Entscheidungen zu diesem Thema seien aber noch nicht bekannt.

– AUTOR
Michael Henn
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht sowie für Arbeitsrecht

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