Gem. § 2 Abs. 1 GOZ darf für die Erbringung privatzahnärztlicher Leistungen eine Gebührenvereinbarung zwischen Zahnarzt und Zahlungspflichtigem abgeschlossen werden, wobei in dieser nur hinsichtlich der Höhe andere als in der GOZ vorgesehene Gebühren vereinbart werden dürfen. In Punktzahl und Punktwerten dürfen Gebührenvereinbarungen keine von der GOZ abweichenden Regelungen treffen. Eine solche Vereinbarung ist vor Erbringung der zahnärztlichen Leistungen schriftlich zu treffen, sie kann im Einzelfall vorab persönlich zwischen Zahnarzt und Zahlungspflichtigem besprochen werden (vgl. § 2 Abs. 2 GOZ). Inhaltlich hat die Gebührenvereinbarung neben der Nummer und der Bezeichnung der Leistung den vereinbarten Steigerungssatz und den sich daraus ergebenden Betrag sowie den Hinweis zu enthalten, dass eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet ist.
Julia Wörne
Nun entschied das Amtsgericht Düsseldorf (AG Düsseldorf) vor wenigen Wochen (Urteil vom 21.01.2016, Az. 27 C 11833/14), dass Gebührenvereinbarungen auch dann wirksam sind, wenn die Vereinbarung alle denkbaren zahnärztlichen Leistungen mit den entsprechenden Gebührennummern erfasst, in der Behandlung jedoch nicht alle dieser Leistungen erbracht werden.
/// Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Mit der Klage bei dem AG Düsseldorf machte der klagende Vater die Zahlung der restlichen Vergütung für eine bei seinem minderjährigen Sohn erfolgte zahnärztliche Behandlung gegen seine private Krankenversicherung geltend. Die Parteien stritten hier insbesondere darüber, ob eine Gebührenvereinbarung im Wege einer schriftlichen Fixierung der vorher stattgefundenen persönlichen Absprache wirksam zustande gekommen war.
Der klagende Vater nahm seinerzeit mit seinem zu behandelnden Sohn im Wartezimmer Platz, wo er nach eigener Aussage ausreichend Zeit hatte, die Gebührenvereinbarung zu lesen. Im Anschluss daran erläuterte der im Verfahren als Zeuge benannte Zahnarzt vor Beginn der Behandlung die Gebührenvereinbarung noch einmal, wobei er insbesondere darauf hingewiesen hatte, dass auch höhere Gebühren anfallen könnten. Die Erläuterung durch den Zahnarzt „kürzte“ der Vater mit dem Hinweis ab, er kenne die Gebührenvereinbarung ja bereits anlässlich seiner eigenen Behandlung und werde sie daher ohne weitere Erläuterungen unterschreiben. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass das Gericht die Zeugenaussage des Zahnarztes übrigens zum einen für glaubhaft und damit überzeugend hielt, da dieser aussagte, dass er im Rahmen des Abschlusses einer Gebührenvereinbarung stets nach einem strukturierten Vorgehen vorgehe, er die diesbezüglichen Abläufe also automatisiert habe. Zum anderen war die Aussage des Zahnarztes glaubhaft, da dieser sich auf entsprechende eigene Behandlungsunterlagen und Mitschriften stützte, die während des Gespräches von einer seiner Mitarbeiterinnen angefertigt worden sind.
Die weitere Voraussetzung, dass die Gebührenvereinbarung „im Einzelfall“ getroffen wurde, lag hier auch vor, denn sie wurde anlässlich der Behandlung des Sohnes abgeschlossen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Zahnarzt mit allen seinen Patienten Gebührenvereinbarungen schließt, denn Bezugspunkt der Prüfung, ob ein solcher „Einzelfall“ vorliegt, ist ausschließlich die Vereinbarung selbst.
Der Wirksamkeit der hier abgeschlossenen Gebührenvereinbarung stand schließlich nicht entgegen, dass in der Vereinbarung Gebührenziffern für Leistungen aufgeführt waren, die tatsächlich im Rahmen der streitgegenständlichen Behandlung nicht durchgeführt worden sind. Der hierzu als Zeuge befragte Zahnarzt hat insoweit für das Gericht nachvollziehbar bekundet, dass im Vorfeld einer Behandlung eine Vereinbarung nur in groben Umrissen eingegrenzt werden könne, beispielsweise in Bezug auf Eigenschaften der Patienten wie das Alter. So könne im Vorfeld hinsichtlich potentiell notwendiger Leistungen zwischen der bevorstehenden Behandlung eines Kindes von bis zu zehn Jahren und der eines Erwachsenen differenziert werden, so dass auch eine andere Gebührenvereinbarung geschlossen werden könnte. Weiter sagte der Zahnarzt hierzu, dass sich eine mögliche Differenzierung aus der Art der zu erwartenden zahnärztlichen Behandlung ergebe, z.B. wenn im Vorfeld bekannt ist, dass ein Patient keine Zähne mehr hat. In anderen Fällen sei dagegen nach den plausiblen Bekundungen des Zahnarztes nicht möglich, im Vorfeld näher einzugrenzen, welche Leistungen notwendig und welche Gebührenziffern damit ausgelöst werden würden, da der Umfang der Behandlung noch nicht erkennbar gewesen ist.
Da § 2 Abs. 1 Satz 1 GOZ vorschreibt, dass die Vereinbarung vor Erbringung der Leistung getroffen werden muss, zu diesem Zeitpunkt aber eben das genaue Leistungsspektrum nicht in allen Einzelheiten absehbar ist, kann nach zutreffender Begründung des Gerichts nichts anderes gelten, als die im zugrunde liegenden Fall abgeschlossene Gebührenvereinbarung als wirksam anzusehen, obwohl darin Leistungen aufgeführt waren, die später tatsächlich nicht erbracht wurden. Ein anderes Verständnis der Vorschrift würde zu dem Ergebnis führen, dass für den Fall, dass während der Behandlung eine im Vorfeld nicht vorausgesehene, unvorhergesehene Leistung notwendig wird, der Zahnarzt die Behandlung unterbrechen müsste, um mit dem – ggf. betäubten – Patienten nach zu verhandeln, was – abgesehen von der problematischen zivilrechtlichen Wirksamkeit einer Einigung unter derartigen Voraussetzungen – vom Normgeber nicht gewünscht sein kann.
Der Abschluss einer Vereinbarung im Einzelfall liegt also auch vor, wenn die Gebührenvereinbarung zunächst alle denkbaren zahnärztlichen Leistungen mitsamt der entsprechenden Gebührenziffern erfasst, im Rahmen der zahnärztlichen Behandlung aber nicht alle dieser Leistungen erbracht werden.
Die beklagte Versicherung konnte sich auch nicht auf die Nichtigkeit der Vereinbarung wegen unangemessener Steigerung der Gebührensätze bzw. auf § 192 Abs. 2 VVG wegen eines auffälligen Missverhältnisses von abgerechneten Aufwendungen und erbrachten Leistungen berufen. An einem ausreichenden und überzeugenden diesbezüglichen Vortrag seitens der Versicherung fehlte es hier, weshalb das Gericht hierzu ebenso zu Gunsten des klagenden Vaters entscheiden musste.
Schließlich bedurfte es einer schriftlichen Begründung der Gebührenvereinbarung nach § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ nicht, da eine solche für den Zahnarzt im Hinblick auf die von ihm in Ansatz gebrachten Steigerungssätze nur dann besteht, wenn keine Gebührenvereinbarung nach § 2 GOZ getroffen wird. Eine solche Vereinbarung kam hier jedoch wirksam zustande.
So wurde die verklagte private Krankenversicherung letztlich zur Zahlung der restlichen Vergütung verurteilt.
/// FAZIT
Das inzwischen rechtskräftige Urteil des AG Düsseldorf ist sehr zu begrüßen. Zum einen macht es deutlich, wie die Abläufe im zahnärztlichen Alltag sind und dass vor deren Hintergrund keine zu hohen Anforderungen an die „persönliche Absprache“ einer Gebührenvereinbarung gestellt werden können. Zum anderen würdigt es die manchmal schwierige Situation eines jeden Zahnarztes, der vor einer Behandlung für eine Gebührenvereinbarung hinreichende Angaben zum Leistungsumfang der bevorstehenden Behandlung machen muss. Insofern bleibt zu hoffen, dass auch andere, höher instanzliche Gerichte den Praxisalltag eines Zahnarztes in ihren Urteilen berücksichtigen werden. Dieser Alltag muss allerdings von anwaltlicher Seite im Verfahren vorgetragen werden, weshalb es sich lohnt, eine im Dentalmarkt erfahrene Kanzlei zu beauftragen.
– AUTOR
Julia Wörner, LL.M., Rechtsanwältin
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