Wer als Ehegatte oder Lebenspartner das selbstgenutzte Familienheim erbt und die Immobilie selbst über einen Zeitraum von zehn Jahren bewohnt, zahlt für diesen Vermögenswert keine Steuern. Eine Aufgabe der Selbstnutzung innerhalb von zehn Jahren nach dem Erbfall bleibt nur dann ohne steuerliche Folgen, wenn der Erbe aus zwingenden Gründen an einer weiteren Selbstnutzung gehindert ist.
Immobilien machen häufig einen großen Teil der Erbmasse bei vielen Familien aus. Die Dimensionen sind gigantisch: Zusammen mit den Grundstückswerten (5,1 Billionen Euro), summiert sich das gesamte deutsche Immobilienvermögen auf knapp 14,7 Billionen Euro. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands belief sich im Jahr 2021 auf knapp 3,57 Billionen Euro. Das meldet ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Grundsätzlich gilt bei allen Schenkungen und Erbschaften: Ehegatten können alle zehn Jahre einen Steuerfreibetrag von € 500.000,00; Kinder von € 400.000,00 geltend machen. Liegen die erworbenen Vermögenswerte darüber, wird Erbschaft- beziehungsweise Schenkungsteuer fällig.
Ehegatte und Kinder als die typischen Erben fallen unter die Erbschaftsteuerklasse 1 und zahlen damit zwischen 7% und 30% Steuer auf den Erwerb, je nach Größenordnung. Bei einer Erbschaft zwischen € 600.000,00 und € 6.000.000,00 beispielsweise werden 19%Steuer fällig. Ist eine Immobilie beispielsweise 1,2 Millionen Euro wert und wird an ein Einzelkind vererbt, verbleibt abzüglich des Freibetrages ein zu versteuernder Erwerb von € 800.000,00. Daraus resultiert eine Steuerlast von gut € 150.000,00 resultiert.
/// Steuerbefreiung kann rückwirkend wegfallen
Das Familienheim nimmt dabei einen besonderen Stellenwert ein. Das ist die selbstgenutzte Immobilie, die den Lebensmittelpunkt des Erblassers darstellt. Wer als Ehegatte oder Lebenspartner das Familienheim erbt und die Immobilie selbst über einen Zeitraum von zehn Jahren nutzt, zahlt für diesen Teil der Erbmasse gar keine Steuern. Bei Kindern beschränkt sich diese Befreiung auf eine Wohnfläche von 200 Quadratmetern. Das kann eine attraktive Vergünstigung sein, denn nicht selten stellt das Familienheim den größten Einzelwert in einem Portfolio dar. Dafür sind einige maßgebliche Voraussetzungen zu erfüllen, vor allem, dass die Wohnung beim Erben „unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist“ und nach dem Erbfall vom Erben auch mindestens zehn Jahre selbst bewohnt wird.
Das gilt es dringend zu beachten. Die Vorgaben der Steuerbehörden sind streng, und wird die Selbstnutzung des Familienheims vor Ablauf dieses Zeitraums aufgegeben, kann die Steuerbefreiung rückwirkend wegfallen. So zeigt ein vor dem Bundesfinanzhof im Sommer 2019 verhandelter Fall: Die Steuerbefreiung für den Erwerb eines Familienheims durch den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner entfällt rückwirkend, wenn der Erwerber das Eigentum an dem Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb auf einen Dritten überträgt. Das gilt auch dann, wenn er die Selbstnutzung zu Wohnzwecken aufgrund eines lebenslangen Nießbrauchs fortsetzt.
/// Aufgabe der Selbstnutzung nur bei zwingendem Grund
Eine Aufgabe der Selbstnutzung innerhalb von zehn Jahren nach dem Erbfall bleibt nur dann ohne steuerliche Folgen, wenn der Erbe aus zwingenden Gründen an einer weiteren Selbstnutzung gehindert ist. Das gilt zum Beispiel bei einer Pflegebedürftigkeit. Denn der Bundesfinanzhof hat jetzt entschieden, dass der Begriff „zwingend“ nicht nur den Fall der Unmöglichkeit, sondern auch die Unzumutbarkeit der Selbstnutzung umfasst. Gesundheitliche Beeinträchtigungen können danach einen zwingenden Grund darstellen, wenn sie dem Erwerber eine selbstständige Haushaltsführung im Familienheim unmöglich machen. Im Streitfall hatte die Tochter das von ihrem Vater geerbte Einfamilienhaus zunächst selbst bewohnt, war aber bereits nach sieben Jahren ausgezogen, weil sie ohne fremde Hilfe dort nicht mehr leben konnte.
In einem weiteren Urteil zu dieser Problematik hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass auch im Fall einer depressiven Erkrankung eine steuerunschädliche Unzumutbarkeit vorliegen kann. Im Urteilsfall zog die Ehefrau auf ärztlichen Rat aus der von ihrem Mann geerbten Wohnung aus, weil durch den Verbleib im ehemals gemeinsam bewohnten Haus eine zunehmende Verschlechterung ihres Gesundheitszustands eingetreten wäre. Das Gericht weist darauf hin, dass das Vorliegen einer entsprechenden Erkrankung gegebenenfalls mit Hilfe ärztlicher Begutachtung geprüft und festgestellt werden muss.
Es ist daher wichtig, Fragen zur Übergabe des Familienheims frühzeitig zu besprechen und zu planen sowie die besonderen Bestimmungen im Blick zu behalten. Das kann Schwierigkeiten vermeiden. So ist beispielsweise die lebzeitige Übertragung des ganzen oder hälftigen Eigentums am Familienheim auf den Ehegatten ohne weitere Bedingungen steuerfrei. Diese Möglichkeiten gilt es zu diskutieren und gegebenenfalls zu nutzen.
– AUTORIN
Dr. Stephanie Thomas
Steuerberaterin sowie Rechtsanwältin für Steuerrecht
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